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Auftakt mit Haken

Vom Wagnis zum Mammuterfolg: Festspielhaus Baden-Baden feiert 25-Jähriges

Ort der Superlative und der kulturellen Weltklasse: Das Festspielhaus Baden-Baden wird 25. Dass es überhaupt existiert, verdankt es großem Wagemut.

Das Festspielhaus Baden-Baden
Ort der Superlative und der kulturellen Weltklasse: Das Festspielhaus Baden-Baden wird 25 Jahre alt. Dass es existiert, verdankt es großem Wagemut. Foto: Andrea Kremper

Superlative gehören zum Festspielhaus Baden-Baden wie der Notenschlüssel zur Partitur. Mit seinen 2.500 Sitzplätzen darf der vor 25 Jahren in der weltbekannten Kurstadt eröffnete Musentempel mit Fug und Recht als Deutschlands größtes Opernhaus bezeichnet werden. Ohne festes Ensemble freilich, vielmehr als bedeutender Spielort für internationale Stars der klassischen Musik.

Rekordergebnis für Oper „Die Frau ohne Schatten“

Gerade erst suchte Dirigent Kirill Petrenko dort mit seinen Berliner Philharmonikern nach eigenen Aussagen die „Mammut-Herausforderung“ mit der überaus anspruchsvollen Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“ in der Regie von Lydia Steier. Kein leichtes Stück, kein Kassenschlager. Doch bei den jüngsten Osterfestspielen gelang hierbei mit 95 Prozent Platzauslastung ein Rekordergebnis in der Geschichte dieses Festivals.

Vor 25 Jahren war die hohe Zahl an geplanten Plätzen noch Grund für Skepsis gewesen bei jenen, die keinen Pfennig gaben auf das Gelingen der kühnen Pläne vom ersten privat betriebenen Festspielhaus in Europa. Das Prestigeobjekt, für das Stararchitekt Wilhelm Holzbauer verpflichtet worden war, spaltete damals die Gesellschaft in Baden-Baden. Die Befürworter versprachen sich positive kulturelle und touristische Auswirkungen in der gesamten Region. Gegner beklagten die Verschwendung von Steuergeldern für eine elitäre Schickeria.

Und dann stand das am 18. April 1998 eröffnete Projekt nach nur vier Monaten schon vor dem Aus: Wegen mangelnder Nachfrage hatten sich rund zehn Millionen Mark Schulden angehäuft.

Dass diese Krise überstanden wurde, verdankt das Festspielhaus nicht zuletzt Freunden, Stiftern und Spendern sowie dem langjährigen Intendanten Andreas Mölich-Zebhauser, der dieses Amt im Sommer 1998 übernahm. Dass es überhaupt existiert, verdankt es dem Wagemut seiner Gründerväter und seinen ersten Stiftern.

Festspielhaus Baden-Baden: krisenfest auch in der Pandemie

„Sie haben Visionäres geleistet“, attestiert ihnen Benedikt Stampa. Wie sein Vorgänger Mölich-Zebhauser musste er das Haus unmittelbar nach seiner Ankunft durch eine Krise manövrieren: Stampa kam 2019 nach Baden-Baden – und somit kurz vor der Corona-Pandemie.

Bis zu deren Ausbruch hatte sich das Festspielhaus mit großer Strahlkraft für Baden-Baden und die Region etabliert. Mit einer Auslastung zwischen 80 und 85 Prozent vor der Pandemie, einem Jahresumsatz von rund 25 Millionen Euro und jährlich etwa 160.000 Besuchern waren die Ziele eines rein privat betriebenen Kulturhauses erfüllt.

Mit einer symbolischen Schlüsselübergabe feiern am Samstag (18.04.1998) in Baden-Baden der Generalbevollmächtigte des Bauherrn Walter Veyhle, Baden-Badens Oberbürgermeister Ulrich Wendt, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, und der ehemalige Ministerpräsident und Vorsitzender des Freundeskreises Festspielhaus Baden-Baden, Lothar Späth (v.l.), die Eröffnung des Festspielhauses Baden-Baden. dpa |
Mit einer symbolischen Schlüsselübergabe feiern am Samstag (18.04.1998) in Baden-Baden der Generalbevollmächtigte des Bauherrn Walter Veyhle, Baden-Badens Oberbürgermeister Ulrich Wendt, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, und der ehemalige Ministerpräsident und Vorsitzender des Freundeskreises Festspielhaus Baden-Baden, Lothar Späth (v.l.), die Eröffnung des Festspielhauses Baden-Baden. dpa | Foto: Rolf_Haid

Etwa zu zwei Dritteln finanziert sich das Haus aus Ticketerlösen, ein Drittel – laut Stiftungsvorsitzendem Ernst-Moritz Lipp sind das rund fünf bis sechs Millionen jährlich – steuern Stifter, Förderer und Sponsoren bei. Nicht zuletzt den rund 1.600 Freunden, etwa 200 Spendern und 35 Stiftern sei es auch zu verdanken, dass das Haus die Pandemie gut überstehen konnte. So kamen während des Spielverbots zu öffentlichen Hilfen von zwölf Millionen Euro weitere 20 Millionen Euro private Spenden.

Nach der Pandemie bewegen sich die Einnahmen laut Lipp jetzt fast wieder auf dem Niveau von 2019. Die Krise scheint überstanden – pünktlich zum Jubiläum.

Zur Feier des Jahrestages am 18. April singt der einstige Star-Tenor Plácido Domingo. Es ist ein Geschenk des Festspielhauses an alle Unterstützer sowie an die Bürgerinnen und Bürger. Die Gratis-Tickets waren schon nach wenigen Tagen vergriffen. Gefeiert wird aber noch übers ganze Jahr – wie immer mit renommierten Gästen.

Anna Netrebko sang vor 350 Freundeskreismitgliedern zur Überraschung aller und insbesondere des scheidenden Intendanten Andreas Mölich-Zebhauser die Arie der Musetta aus Puccinis „La Bohéme“.
Auch Anna Netrebko soll im Jubeljahr gastieren. Auf diesem Bild sang die Star-Sopranistin vor 350 Freundeskreismitgliedern zum Abschied des Intendanten Andreas Mölich-Zebhauser. Foto: Festspielhaus Baden-Baden/Bode

Auch Sopranistin Anna Netrebko soll in diesem Jubeljahr gastieren, Geigerin Anne-Sophie Mutter, Dirigenten wie Teodor Currentzis und Thomas Hengelbrock, Choreograf John Neumeier ebenso wie das Orchester der Metropolitan Opera aus New York. Nur ein enger Begleiter ist nicht dabei: Valery Gergiev, der im Krisen-Sommer 1998 „Gratisfestspiele“ seines Mariinsky-Theaters vermittelte und so zur Rettung des Festspielhauses beitrug. Solange sich der russische Dirigent und Theaterleiter nicht von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine distanziere, könne das Festspielhaus nicht mit ihm zusammenarbeiten, sagt Stampa.

Ulrich Wendt erinnert an den „Geburtsfehler“

„Eines der größten Opernhäuser der Welt und privat finanziert – allein der Gedanke war auf den ersten Blick eigentlich eine Unmöglichkeit“, bringt es Ulrich Wendt auf den Punkt. Als Oberbürgermeister wollte er der Stadt in den frühen 1990er Jahren wieder zu jenem Glanz verhelfen, der in Zeiten der Belle Époque Adelige, Industrielle und Künstler in die „Sommerhauptstadt Europas“ lockte.

In Verbindung mit dem Kunstmäzen Ermano Sens-Grosholz und im engen Schulterschluss mit dem früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth sowie der Gründung des Freundeskreises 1995 für privat finanzierte Festspiele gediehen Pläne für ein Comeback im großen Welttheater. Zunächst im Stillen bereiteten sie den Boden für den Umzug der renommierten „Herbert-von-Karajan-Pfingstfestspiele“ von Salzburg nach Baden-Baden und für den Bau eines Festspielhauses.

„Ich war ehrgeizig, manchmal auch zu eitel und zu ehrgeizig“, räumt der Ex-OB ein. Doch sollte sich sein Beharren auf lange Sicht auszahlen. Das Haus hat 120 Millionen Deutsche Mark gekostet, wurde pünktlich fertiggestellt und ist sogar drei Millionen unter den geplanten Kosten geblieben, betont Wendt. Er spricht aber genauso offen von dem „Geburtsfehler“, der diese große Wucht fast aus der Kurve getragen hätte.

Wir standen unmittelbar davor hinzuschmeißen.
Ulrich Wendt, Ex-Oberbürgermeister von Baden-Baden

„Die Kette bricht am kürzesten Glied“, sagt er. Ein passender Betreiber war weithin nicht in Sicht. Urplötzlich meldete sich der Stuttgarter Dekra-Prüfkonzern und bot sein Tochterunternehmen für Veranstaltungen an. „Die Gespräche mit dem Geschäftsführer waren desillusionierend“, erinnert sich Wendt. „Lothar Späth und ich standen unmittelbar davor hinzuschmeißen. Kurz darauf übernahm der Dekra-Konzern mit einer Patronatserklärung die Haftung – jetzt Augen zu und durch.“

Trotz düsterer Vorahnungen wurde die Betriebsvereinbarung unterzeichnet. „Hätten wir 1995 kapituliert, säßen wir heute noch mit Nichts in den Händen im Wartesaal einer verpassten Jahrhundertchance“, lautet sein Fazit.

Ziele trotz Startschwierigkeiten erreicht

Trotz der Startschwierigkeiten wurden die Ziele erreicht, eine kulturelle Weltklasse in Baden-Baden zu etablieren. Die Ziele von heute sind neue. „Die Weltklasse ist nur dann hier, wenn man die Menschen zu ihr führt“, sagt Benedikt Stampa. „Jede Generation hat ihre Stars. Es reift eine neue Generation heran. Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen heranzuführen.“ Dafür benötige man eine ausgewogene Mischung aus Programm und Stars. „Mit Kassenschlagern, aber auch mit Künstlerinnen und Künstlern, welche die Zukunft gestalten.“

Mittlerweile sei das Festspielhaus in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagt Stampa. Wenn die Mischung stimme, komme auch ein bunt gemischtes Publikum. „Es geht darum, Menschen mitzunehmen. Das darf keine hohle Floskel sein.“ So sei das neue Takeover-Festival schon im zweiten Jahr zum Mehrgenerationen-Fest geworden.

Das könnte auch für das Jubiläumsfest mit Plácido Domingo gelten. „Wir feiern nicht nur die Institution. Wir feiern auch die sehr viel ältere Idee von Baden-Baden als Ort für Künstler, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht und sich mit dem Festspielhaus nun über ein Millennium hinweg trägt“, so Stampa.

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