Skip to main content

Poststellen ertrinken fast in Retourenbergen

Online-Boom und Lockdown produzieren auch in Bühl eine riesige Paket-Rücksendeflut

Die Leute sind zu Hause, sie haben Langeweile, die Läden sind geschlossen. Was macht man dann? Unter anderem Klamotten online bestellen, haben sich nicht nur Fashion-Fans rund um Bühl gedacht.

Die Pakete stapeln sich schon: Postannahmestellen nehmen mehr Pakete entgegen, als es noch vor Corona der Fall war.
Die Pakete stapeln sich schon: Postannahmestellen nehmen mehr Pakete entgegen, als es noch vor Corona der Fall war. Foto: Ursula Klöpfer

Die Corona-Pandemie hat den Paketdienstleistern einen kräftigen Schub beschert und die Zusteller der Pakete an die Belastungsgrenzen gebracht. Die Menschen bestellen derzeit viel mehr Sendungen im Internet, entweder weil die stationären Geschäfte geschlossen sind oder weil der Gang in die Innenstadt generell vermieden wird.

Wer in diesen Tagen nicht irgend etwas online bestellt - ob aus Spaß oder Notwendigkeit - zählt wohl eher zu den Ausnahmen.

Doch wer im Internet Kleidung bestellt, nimmt zwangsläufig in Kauf, dass das Kleidungsstück nicht passt oder nicht gefällt. Eine Flut von Rücksendungen ist die Antwort darauf. Betreiber der Bühler Poststellen können davon ein Lied singen.

Doris Theurer, Inhaberin des Lotto-Totto-Kiosk und der Hermes- und DHL-Poststelle im Kaufland in der Güterstraße in Bühl und im „Einkaufszentrum Auf der Schanz“ in Lichtenau wird von Retouren geradezu überschwemmt.

„So viele Pakete und Rücksendungen hatten wir noch nie“, erklärt sie angesichts der riesigen Stapel, die sich tagtäglich auftürmen. Der Arbeitsaufwand sei enorm.

Personal muss aufgestockt werden

Habe früher eine Person gereicht, um den Betrieb zu stemmen, stehen derzeit meist zwei hinter dem Tresen. 120 bis 200 Pakete an einem Tag, davon sehr viele Rücksendungen, seien nichts ungewöhnliches. „An manchen Tagen bin ich und das Team fix und fertig“, erklärt die Ladeninhaberin.

Während Doris Theurer von einem Post-Zuwachs von circa 50 Prozent spricht, sind es bei Heinz Meyer, „bis zu 70 Prozent - das meiste davon Retouren.“ Meyer ist Inhaber eines Maler- und Meisterbetriebsfachhandel in der Bühler Hauptstraße. Dort findet der Heimwerker alles, was er zum Renovieren und Umbauen braucht - auch jetzt im Lockdown.

Wieso ist das Geschäft nicht geschlossen? Zu verdanken sei es der DHL-Poststelle, die Heinz Meyer im Malergeschäft zusätzlich betreibt. Dass die Rücksendungen so explodiert sind, wundert ihn nicht. „Der Online-Handel boomt.“ In absoluten Zahlen kann die Studie der Universität Bamberg dies eindeutig bestätigen. Denn Hochrechnungen ergaben 315 Millionen Retourenpakete im Zeitraum von März bis August 2020.

Zahl der Sendungen ist deutlich gestiegen

Gigantische Mengen also. Das bestätigte Sonja Radojicic, Leiterin Pressestelle der Deutschen Post DHL Group: „Aktuell liegen die Paketmengen nicht zuletzt aufgrund des weiterhin bestehenden Lockdowns auf einem sehr hohen Niveau. Die Zahl der Pakete ist 2020 deutlich auf gut 1,8 Milliarden gestiegen. Retouren werden genauso wie andere Sendungen behandelt und daher nicht separat gezählt.“

Allerdings macht die Pressesprecherin nicht nur den Lockdown für die Paketflut verantwortlich: „Wir glauben, dass die Entwicklung nachhaltig ist. Nach dem ersten Lockdown waren die Infektionszahlen sehr gering, trotzdem war der Onlinehandel gefragter als vor der Pandemie.

Einige ältere Menschen haben Online neu für sich entdeckt. Und bestehende Online-Shops wenden sich neuen Produktsegmenten zu, etwa Waren des täglichen Bedarfs, Hundefutter oder Wein. Immer mehr Händler bieten Ihre Waren jetzt auch online an.“

Umwelt leidet darunter

Tatsache ist jedoch, dass die Retourenberge mit dem Anwachsen des Onlinehandels zunehmen. Patric Klumpp, Pächter der Poststelle in der Aral-Tankstelle in Ottersweier geht diese Tendenz gehörig gegen den Strich. „Den Umweltaspekt hat man völlig aus den Augen verloren“, erklärt er.

Auch sonst kann er über das deutsche Recyclingsystem wenig gutes berichten: das System versage nicht nur bei den Retouren, sondern auch beim Plastikmüll. „Hier fließt auch nur ein kleiner Teil in den normalen Kreislauf zurück. Der große Rest wird in Kraftwerken verbrannt oder, was noch schlimmer ist, in arme Länder exportiert“, sagt Klumpp.

Viele Missstände kommen in diesem Gespräch noch auf den Tisch: von Umweltbelastungen durch Altbatterien, Kobaltförderung und Kinderarbeit in den Minen für unseren Wohlstand. Beim Thema Retouren bei Hermes ist ihm eines aufgefallen: „Alles was Hermes an Retouren zurücknimmt, geht ohne Umweg nach Polen oder Slowenien.“

Nimmt man Produktionskosten, Arbeitszeit und Transportkosten zusammen, ist man erstaunt, dass die Großzahl der Retouren immer noch kostenlos sind. Für Doris Theurer kommen die finanziellen Verluste des heimischen Einzelhandels zum Umweltaspekt noch erschwerend hinzu. „Die Post ist zwar eines meiner Standbeine, aber ich wünsche mir trotzdem, dass mehr Menschen den hiesigen Einzelhand unterstützen“, betont sie.

„Immer wieder haben mich die Bühler Geschäftsleute mit ihren kreativen Ideen und neuen Verkaufsstrategien überrascht. So viel Engagement sollte jeder unbedingt unterstützen“, appeliert die Geschäftsfrau und stellt mit Nachdruck fest: „Ein tolles Einkaufserlebnis vor Ort ist nämlich unbezahlbar.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang