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27-Jähriger lebensgefährlich verletzt

„War klar, dass etwas passiert”: Nachbar kritisiert nach Unglück in Industrieruine die Gemeinde Forbach

Nachdem ein 27-jähriger Mann beim Sturz in einer Forbacher Industrieruine lebensgefährliche Verletzungen erlitten hat, erhebt ein Nachbar schwere Vorwürfe gegen die Gemeinde. Er habe sie mehrfach über das gefährliche Treiben auf dem Areal informiert.

Andreas Mantei, Schlosser aus Forbach
Andreas Mantei kritisiert die Gemeinde Forbach. Er hat sie nach eigenen Angaben mehrfach auf das gefährliche Geschehen in der alten Holtzmann-Fabrik hingewiesen. Foto: Dominic Körner

Er suchte das Abenteuer und verlor beinahe sein Leben. Ein 27-Jähriger ist vor einigen Tagen in einer Forbacher Industrieruine in die Tiefe gestürzt und hat sich lebensgefährlich verletzt. Der junge Mann war zum Fotografieren in die stillgelegte Papierfabrik eingestiegen. Der Fall zeigt: Der gefährliche Hype um sogenannte „Lost Places” ist ungebrochen. Bei den vergessenen Orten handelt es sich um leerstehende Gebäude – zum Beispiel Industrieanlagen, Hotels oder Kliniken.

Nachbar habe Gemeinde auf Gefahren hingewiesen

Das frühere Holtzmann-Areal in Forbach gilt in der Szene als Hotspot. Ein Nachbar will Polizei und Gemeinde mehrfach auf die Gefahren hingewiesen haben. Nach dem tragischen Unglück bleiben Fragen offen. Hätte es durch eine bessere Sicherung des Grundstücks verhindert werden können? Zahlt die Krankenkasse? Und warum ziehen Lost Places so viele Menschen an?

Andreas Mantei ist fassungslos – aber nicht überrascht: „Mir war klar, dass bald etwas passiert“, sagt er. Der 57-Jährige betreibt eine Schlosserei in der Fabrikstraße. 4.500 Quadratmeter auf drei Stockwerken, 14 Mitarbeiter. Die mächtige Holtzmann-Ruine wirft ihren Schatten auf seine Werkshalle.

Täglich beobachtet Mantei Menschen in der alten Fabrik. Sie nennen sich Urban Explorers, Stadtentdecker, und sind fasziniert von zerfallenen Bauwerken. Manche kommen von weit her: aus ganz Deutschland, aus England und den Niederlanden.

Rucksack, Kamera, Stativ – man erkennt sie sofort. Auch während der BNN-Recherche vor Ort schleicht ein junger Mann um die alte Fabrik. Mantei sieht ihn und schüttelt gequält den Kopf: „Da ist schon wieder einer.“

Ich habe die Gemeinde Forbach mehrfach darauf aufmerksam gemacht, was hier los ist.
Andreas Mantei, Nachbar

Der Schlosser ist wütend. „Ich habe die Gemeinde Forbach mehrfach darauf aufmerksam gemacht, was hier los ist“, schimpft er, „aber sie tut einfach nichts dagegen.“

Er habe auch die Polizei gerufen. „Ich wollte, dass die Vorkommnisse amtlich sind. Damit die Gemeinde nicht sagen kann, sie habe von nichts gewusst.“

27-Jähriger bei Sturz durch Metallplatte lebensgefährlich verletzt

Jetzt ist eingetreten, was Mantei schon lange befürchtet hat. Ein 27-Jähriger aus dem Mannheimer Raum ist durch eine korrodierte Metallplatte gebrochen und sieben Meter tief gestürzt. Er ging ein hohes Risiko ein. Freiwillig.

Die Gefahr nimmt täglich zu.
Andreas Mantei, Nachbar

Deshalb ist Mantei davon überzeugt, „dass man gerade die Jungen vor sich selbst schützen muss.“ Er selbst habe schon Jugendliche verscheucht, die in die alte Fabrik wollten. „Mit der Zeit wird das Material brüchig“, sagt Mantei. „Die Gefahr nimmt täglich zu.“

Im aktuellen Fall wurde der junge Mann nach der Erstversorgung vor Ort in eine Offenburger Klinik geflogen. Auch die Feuerwehr war im Einsatz. Auf den Kosten für Rettung und Behandlung bleibt der 27-Jährige trotz seines Leichtsinns voraussichtlich nicht sitzen.

Krankenkassen tragen Kosten

„Wir fragen bei Unglücken nicht nach der Ursache“, betont Daniel Caroppo, baden-württembergischer Pressesprecher der DAK Gesundheit, auf BNN-Anfrage. Das heißt: Die Krankenkasse würde zahlen – auch wenn der Zutritt zum Grundstück illegal ist.

„Generell übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung alle Kosten, die sich mit den Folgen eines Unfalls verbinden“, teilt auch die AOK Baden-Württemberg mit. „Insofern tragen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Rettungs- und Behandlungskosten, die Folge eines Unfalls sind, wie er sich in einem Lost Place ereignen kann.“

Eine Einschränkung gibt es allerdings: „Stellt sich nachträglich heraus, dass dieser Unfall die Folge einer Straftat oder eines vorsätzlichen Vergehens des Betroffenen war, haben die Krankenkassen die Möglichkeit, ihn in angemessener Höhe an den Kosten der Leistungen zu beteiligen.“ Dies müsse im Einzelfall genau geprüft werden.

Andreas Mantei sieht nach dem Unglück die Gemeinde Forbach in der Pflicht: „Sie kann sich nicht weiter aus der Verantwortung stehlen und den Kopf in den Sand stecken.“

Eigentümer kommt aus dem Iran

Bürgermeisterin Katrin Buhrke will sich auf Nachfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Die Gemeinde ist nicht Eigentümerin des Grundstücks.

Wenn die Anlage nicht vernünftig gesichert wird, passiert hier bald wieder etwas.
Andreas Mantei, Nachbar

Der Besitzer, ein in Bayern wohnhafter Iraner, zeigt offenbar kaum Interesse an der Industriebrache. Laut Mantei hat der Mann die Fabrik vor 25 Jahren gekauft, ausgeschlachtet und sich dort lange nicht mehr blicken lassen.

Mantei fordert die Kommune dazu auf, dem Eigentümer Druck zu machen: „Wenn die Anlage nicht vernünftig gesichert wird, passiert hier bald wieder etwas.“

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