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Europäisches Feuerkugelnetz

Nach 50 Jahren ist Schluss: Wie eine Gernsbacher Meteor-Kamera Feuerkugeln aufgespürt hat

Die Meteor-Kamera auf dem Albert-Schweitzer-Gymnasium in Gernsbach wird Mitte des Monats abgestellt, weil das Überwachungsnetz im Zeitalter digitaler Satellitenbilder nicht mehr gebraucht wird – tatsächlich war die Kamera bei einigen Meteoriteneinschlägen im Südwesten ein wichtiger Zeuge.

Meteor-Kamera ASG Gernsbach
Dem Himmel so nah: Die Sternfreunde Jürgen Linder und Thomas Felgner zusammen mit ASG-Schulleiter Stefan Beil an der analogen Meteor-Kamera. Foto: Swantje Huse

Es sieht ein wenig wie eine kleine Rakete aus, das dreibeinige, weiß gestrichene Metallgestell auf dem Dach des Albert-Schweitzer-Gymnasiums in Gernsbach. Und irgendwie passt das auch gut: Denn auch wenn das Raketentürmchen nicht ins All abheben wird, hat die kleine Kamera an seinem oberen Ende den nächtlichen Himmel doch ständig im Blick – auf der Suche nach Meteoriten und anderen Feuerbällen.

Doch nun soll die Meteor-Kamera abgeschaltet werden. „Eigentlich wäre ja schon am 1. Juni Schluss gewesen“, erzählt Thomas Felgner. Der Lautenbacher gehört zu den Sternfreunden Durmersheim und betreut die Kamera seit mehr als 30 Jahren. Es ist eine Kleinbildkamera aus vor-digitalen Zeiten, mit klassischer Filmrolle in schwarz-weiß.

Und genau das ist auch der Grund, weshalb ihr Aus noch ein wenig hinausgezögert wird. Felgner lacht: „Der Film reicht noch bis zur Monatsmitte, also bleibt sie so lange noch in Betrieb.“

2018 kam in Renchen eine Feuerkugel runter

Die Gernsbacher Kamera ist Teil des sogenannten „Feuerkugelnetzes“, das in den frühen 60er-Jahren in Tschechien entstanden ist und Ende der 60er-Jahre auf Deutschland ausgeweitet wurde – damals noch unter der Führung des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg und nur im Süden der damaligen BRD.

25 Meteor-Kameras gibt es zu jener Zeit allein in Süddeutschland, mittlerweile erstreckt sich das gesamte Netz über Tschechien, Deutschland, Belgien, Luxemburg die Niederlande und Österreich und umfasst fast 40 Kameras. Kurz vor der Übernahme des Feuerkugelnetzes durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) 1988 kamen die Heidelberger auf die Sternfreunde zu.

Deren Vorsitzender Jürgen Linder erinnert sich: „Wir hatten damals ein Mitglied, das war Schüler in Gernsbach.“ Und so stand der Standort für die neue Kamera fest, die bei der Suche nach Feuerkugeln und Meteoriten unterstützen soll.

Dabei geht es übrigens nicht darum, mögliche Einschläge vorherzusehen und zu verhindern. „Das wäre ja auch gar nicht möglich, schließlich belichten wir ja erst den ganzen Film, bevor der eingeschickt und ausgewertet wird“, so Kamera-Betreuer Thomas Felgner.

Die Fotos der Kameras werden vielmehr im Nachhinein wichtig – etwa, wenn es darum geht, den Transit einer Feuerkugel oder sogar ihren Einschlag zu dokumentieren. Auf der Homepage des DLR-Instituts für Planetenforschung wird schnell deutlich: So häufig fliegen dann doch keine Feuerkugeln oder Meteoriten am Himmelzelt entlang.

Meteor-Kamera ASG Gernsbach
Ihre Tage sind gezählt: Derzeit werden die letzten Aufnahmen des Sternenhimmels auf dem Film der alten Leica gebannt. Sie fotografiert nach unten auf einen gewölbten Spiegel. Foto: Swantje Huse

Unter der Rubrik „Vergangene Highlights“ sind in den vergangenen 20 Jahren gerade mal zwei Feuerkugeln, ein Meteorit und ein Meteor aufgeführt. Insgesamt habe das Netz mehr als 2.000 Feuerkugeln aufgezeichnet, sagt Thomas Felgner. Die Gernsbacher Kamera sichtete im Jahr zwischen zwei und sechs solcher Ereignisse.

Und gleich beim ersten gelisteten „Meteoritenfall Neuschwanstein“ hat die Kamera auf dem Dach des ASG eine Rolle gespielt. „Das war der erste große Erfolg des Kameranetzes“, erinnert sich Felgner an den 7. April 2002. Dabei wiegt er ein „fast“ 1:1-Modell des Meteoriten in der Hand, der damals bei besagtem Schloss vom Himmel gestürzt ist.

Die Bilder haben dann den letzten Schliff gegeben.
Thomas Felgner, Betreuer der Meteor-Kamera

„Es ist magnetisch, wie das Original. Und mit Blei gefüllt. Aber der Kunststoff ist etwas geschrumpft.“ Während bei Neuschwanstein insgesamt zehn Kameras den „außergewöhnlich hellen Meteor“ gesichtet haben, spielt die Gernsbacher Kamera bei der Feuerkugel von Renchen eine ausschlaggebende Rolle. Denn zur Ortung eingeschlagener Brocken aus dem Weltall braucht es die Daten von mindestens drei Kameras, um das Streufeld bestimmen zu können.

Zwar liefert Felgner seinen Film mit etwas Verspätung zur Auswertung ab – „doch die Bilder haben dann den letzten Schliff gegeben“. So seien weitere Brocken des Meteoriten gefunden worden. Insgesamt fünf oder sechs Teile. Jürgen Linder: „Das ist selten.“

Meteor-Kamera soll digital werden

Damit ist es nun allerdings vorbei: Die DLR stellt das analoge Kameranetz ab, das bisher eine Fläche von etwa einer Million Quadratkilometer abgedeckt hat. Linder von den Sternfreunden vermutet Kostengründe. „Über Satelliten ist das heutzutage sowieso einfacher.“

Sorgen, dass Feuerkugeln künftig unentdeckt bleiben könnten, machen sich Linder und Felger allerdings keine: „Es gibt genügend Leute wie uns, die den Himmel weiter beobachten und das auch melden.“ Und so ist auch der Plan der Durmersheimer Sternfreunde, den Standort auf dem Dach des Albert-Schweitzer-Gymnasiums weiterhin zu nutzen: mit einer digitalen 180°-All-Sky-Kamera.

Was auch den Charme hat, dass der inzwischen 68-Jährige Thomas Felgner nicht mehr ein Mal im Monat die steile Leiter auf das Dach hochkraxeln muss, um den Film zu sichern. „Dann haben wir alles auf dem Rechner und können das abrufen.“

Das kann durchaus zur AG, einem Seminarfach oder Orchideenkurs in der Kursstufe werden.
Stefan Beil, Schulleiter des Albert-Schweitzer-Gymnasiums Gernsbach

Schuldirektor Stefan Beil will die Pläne unterstützen – wenn die Stadt als Schulträger zustimmt. Zwar hänge es sehr von den Lehrkräften ab, ob und welche Rolle Astronomie im Unterricht spiele: „Aber das kann durchaus zur AG, einem Seminarfach oder Orchideenkurs in der Kursstufe werden“, sagt Beil.

Zumal mit der digitalen Technik auch ganz andere Möglichkeiten der Auswertung gegeben wären, wie Jürgen Linder schwärmt. Planetenbewegungen etwa, oder Sternbilder im Jahresverlauf. Und auch Schulleiter Beil sagt: „Wenn es einen Anlass gibt, dann ist es schon toll, wenn man jemanden wie die Sternfreunde hat.“

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