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Eine von 40 Pilotschulen im Land

Merkurschule in Gaggenau sagt Mobbing den Kampf an

Die Merkurschule in Gaggenau ist eine von nur 40 Schulen, die landesweit für ein neues Programm zu Mobbingprävention ausgesucht wurden. Die Lehrer hoffen gleich auf mehrere positive Effekte.

HANDOUT - ILLUSTRATION - Ein Mädchen steht im Hof einer Schule und schaut auf ihr Smartphone, während im Hintergrund zwei andere Mädchen lachen - Illustration  zum Thema Cybermobbing. Am 7. Februar 2017 findet der internationale Safer Internet Day statt. In Deutschland lautet das Schwerpunktthema "Cybermobbing". ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der Berichterstattung und nur mit Nennung "Foto: klicksafe/Maribelle Photography/dpa" Foto: klicksafe/Maribelle Photography +++(c) dpa - Bildfunk+++ |
Mobbing auf dem Schulhof und im Netz: Die Betroffenen leiden oft monatelang und in allen Lebensbereichen unter psychischen Beschwerden. Foto: klicksafe/Maribelle Photography picture alliance

Früher hieß es verniedlichend „Hänseln“. Heute ist klar: Mobbing ist alles andere als harmlos.

Das weiß auch Barbara Fischer. „Wir haben immer wieder mit Situationen von Mobbing in minderem oder großem Ausmaß zu tun“, sagt die Leiterin der Merkurschule in Ottenau. „Und dabei haben wir festgestellt: Wir haben zwar Ansätze zur Prävention, aber eben nur Ansätze.“ Meist habe das Schulteam nur reagieren können. Und das soll sich nun ändern.

Merkurschule in Gaggenau will eine offene Schulkultur

Auf der Suche nach einem passenden Konzept ist die Schule auf „Mobbing&Du“ gestoßen. 40 Schulen können bei dem neuen Programm der Baden-Württemberg-Stiftung und des Universitätsklinikums Heidelberg mitmachen: Die Merkurschule ist dabei. Zur großen Freude von Schulsozialarbeiterin Rita Ludäscher. „Das Programm klingt toll. Auch nach richtig viel Arbeit, aber eben richtig gut.“

Was Fischer und Ludäscher – und dann auch das gesamte Lehrerkollegium überzeugt hat: „Das Programm ist präventiv und zwar für die ganze Schule. Es geht darum, dass eine neue Schulkultur hochgezogen wird.“ Seit Anfang März wird das sogenannte „Kernteam“ inzwischen geschult. Nach den Sommerferien werden die Schüler ab Klasse fünf einbezogen, später sollen auch die Grundschüler ab Klasse drei mitmachen.

Schon jetzt gab es eine Umfrage unter den Schülern. „Das war eine Art Bestandsaufnahme, etwa, ob es Orte gibt, die Mobbing-belastet sind“, erklärt Vanessa Jantzer. Sie leitet gemeinsam mit Franziska Neumayer die Begleitstudie zu „Mobbing&Du“ und ist dazu auch immer wieder an den teilnehmenden Schulen. Heute stellt sie die Umfrageergebnisse im Lehrerzimmer vor.

Pausen sind Mobbing-Hotspot

Details will Jantzer vor der Presse nicht an die große Glocke hängen – daran werde schließlich demnächst gemeinsam gearbeitet. Aber so viel ist klar: „Die Merkurschule ist eine ganz typische Schule. Wie meist sind die Pausen ein ,Mobbing-Hotspot’.“ Und noch eine Erkenntnis hat die Umfrage bestätigt: Mobbing ist – aller Wahrnehmung von außen zum Trotz – auch im digitalen Zeitalter kein reines Online-Phänomen.

Die Betroffenen sind in allen Lebensbereichen belastet.
Vanessa Jantzer, Studienleiterin

Egal ob an der Merkurschule oder anderswo: „Die Schüler berichten viel stärker von Face-to-Face-Mobbing.“ Reines Cyber-Mobbing sei die absolute Ausnahme. Oft gehe die eine Form aber auch in die andere über. „Schüler grenzen das gar nicht so ab wie wir Erwachsene“, ist Jantzers Erfahrung. Und das Ergebnis sei immer dasselbe: Die psychische Belastung für betroffene Kinder und Jugendliche sei groß. Und beschränke sich nicht nur auf die Schule. „Die Betroffenen sind in allen Lebensbereichen belastet“, betont Jantzer. Und genau das soll sich künftig verbessern.

Weniger Mobbing = mehr Zeit für Unterricht

Die Erwartungen bei den Lehrern der Merkurschule sind vielfältig: „Wir erhalten mehr Handlungssicherheit“, sagt etwa Lisa Wagner. Dadurch erhielten automatisch auch die Schüler mehr Struktur.

Ich habe schon ganz oft gemerkt, dass mir das Handwerkszeug fehlt.
Verena Butzke, Lehrerin an der Merkurschule

Zumal Mobbing nach wie vor im Studium „viel zu wenig und zu theoretisch“ thematisiert werde. „Ich habe schon ganz oft gemerkt, dass mir das Handwerkszeug fehlt“, erzählt Verena Butzke. Sie freut sich darauf, diese Wissenslücke durch Lernvideos, Gesprächsleitfäden und Coaching schließen zu können.

Franziska Neumayer, Vanessa Jantzer, Rita Ludäscher und Barbara Fischer halten das Schild zum Mobbing-Präventionsprojekt in die Kamera
Auch mit einem Schild macht die Merkurschule künftig auf das Mobbingprogramm aufmerksam. Hier halten es Franziska Neumayer und Vanessa Jantzer von der Uniklinik Heidelberg und Rita Ludäscher und Barbara Fischer von der Merkurschule in die Kamera. Foto: Swantje Huse

Vom ganz offensichtlichen Vorteil, dass es weniger psychischen Druck geben wird, einmal abgesehen, haben die Lehrer der Merkurschule auch noch eine andere Hoffnung: Wenn das Mobbing abnimmt und sich das – eigentlich durchaus gute, wie Schulleiterin Fischer betont –Schulklima nochmal verbessert, dann bleibt am Ende auch wieder mehr Zeit für den Unterricht.

Betroffene sollen in speziellen Klassenstunden gehört werden

Damit der Unterricht tatsächlich frei von den Auswirkungen schwelender Konflikte bleibt, wird es künftig sogenannte Klassenstunden geben. Sie sind, so Studienleiterin Jantzer, neben den Schulungen für die Lehrer das „Herzstück“ auf der Schülerseite. Denn um eine Mobbingspirale zu unterbrechen, ist es besonders wichtig, dass sich Betroffene überhaupt wagen, sich mit ihrem Problem jemandem anzuvertrauen.

Die Klassenstunden stehen unter dem Motto „erleben, ausprobieren und erfahren“ und thematisieren Fragen wie: Wie fühlt es sich an, gemobbt zu werden? Was kann ich tun, wenn ich gemobbt werde? Was ist Mobbing überhaupt? Wo fängt es an und wo hört der Streit oder der Spaß auf?

Mobbing lässt sich nicht vollständig vermeiden.
Franziska Neumayer, Uniklinik Heidelberg

Zwei Jahre lang werden die Schulen von Jantzer und ihrer Kollegin auf dem Weg zu einer neuen Schulkultur begleitet. Danach sollen sie fit sein, um alleine mit dem Thema Mobbing umgehen zu können. Das Ziel ist klar: „Jeder soll sich wohl und sicher fühlen an der Schule.“

Doch weil sich das Lehrerkollegium und vor allem die Schülergruppen ständig verändern, wird es immer ein Thema bleiben. Auch das machen die beiden Studienleiterinnen klar und schulen deswegen auch das Eingreifen in vorhandene Konflikte. „Mobbing lässt sich nicht vollständig vermeiden“, sagt Franziska Neumayer. „Das ist eine Illusion.“

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