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Landtagswahl im Ortenaukreis

Die Volkspartei SPD ist seit der Jahrtausendwende im freien Fall

Die einstige Volkspartei SPD spielt im Ortenaukreis praktisch keine Rolle mehr. Was ist mit der traditionsreichen Partei geschehen? Hat sie sich aufgerieben in der Großen Koalition in Berlin? Seit der Jahrtausendwende geht es steil bergab.

Symbolbild SPD Sozialdemokratische Partei Deutschland
Wohin geht es mit der SPD? Am vergangenen Sonntag hat sie bei der Landtagswahl im Ortenaukreis ihr ohnedies schlechtes Ergebnis von 2016 nochmals unterboten. Die ehemalige Volkspartei hinkt hinterher. Foto: Ralph Peters

Ist dies das Ende einer Volkspartei? Die Landtagswahl am vergangenen Sonntag war für die Sozialdemokraten im Ortenaukreis eine ausgewachsene Katastrophe. Die einst gewichtige politische Kraft im Kreis, über Jahrzehnte hinweg wichtigster Gegenspieler der lange mit absoluter Mehrheit agierenden CDU, ist auf dem Weg zur Splitterpartei.

9,3 Prozent sind nicht nur das erste einstellige Ergebnis für die Sozialdemokraten im Kreis, sie finden sich in der Wählergunst inzwischen teilweise hinter FDP oder AfD.

Eine weitere Delle, ausgelöst durch die Frustration der Menschen in der Corona-Pandemie? Eher nicht, glaubt der Kreisvorsitzende Karl-Rainer Kopf, der am Sonntag selbst in seinem Heimatwahlkreis Lahr angetreten war und es mit Ach und Krach über die Zehn-Prozent-Hürde geschafft hatte. „Es gibt“, so die bittere Bilanz des Kreisvorsitzenden, „keine Wählergruppe, die uns mal gewählt hat, und die wir nicht in irgendeiner Weise verprellt haben“.

2016 kam der tiefe Einbruch

Tatsächlich befinden sich die Sozialdemokraten im Ortenaukreis seit der Jahrtausendwende im freien Fall. 2001 konnten sie kreisweit noch 32,4 Prozent der Stimmen erzielen, nicht genug, um die absolute Mehrheit der CDU zu brechen, aber immerhin. Dann ging es bergab: Fünf Jahre später waren es noch 22,8 Prozent, 2011 dann noch 21,4 Prozent und 2016 nur noch 11,9 Prozent.

Kaum zu erwarten, dass man dieses verheerende Ergebnis noch unterbieten könnte, doch am Sonntag ist es gelungen. 8,6 Prozent im Wahlkreis Offenburg, 8,7 in Kehl und, immerhin knapp zweistellig, 10,4 Prozent für den Kreisvorsitzenden Karl-Rainer Kopf in Lahr. Eine desaströse Entwicklung, die auch, aber nicht nur, mit dem gleichzeitigen Erstarken der Grünen einherging.

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Weitere 7.000 Stimmen verloren

Kreisweit verlor die SPD am Sonntag weitere 7.000 Stimmen gegenüber 2016 und landete bei 9,3 Prozent. Anders gesagt: Um die Jahrtausendwende herum konnte die SPD noch mehr als 55.000 Menschen für sich gewinnen, bei der Landtagswahl am Sonntag waren es noch etwas mehr als 17.000.

Haben die Grünen die Rolle der Sozialdemokraten als Volkspartei übernommen? „Wenn man sich die Wahlergebnisse anschaut, ist das nichts, um das man dreimal herumreden muss“, sagt Kai-Achim Klare, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, die übrigens auch schon mal größer war. Die große Herausforderung für die Partei werde jetzt sein, ihr Profil zu schärfen, ergänzt Klare, der darauf hinweist, dass nicht nur die Sozialdemokraten mit dem Erstarken der Grünen zu kränkeln begonnen haben: „Man sieht auch, dass die CDU, die von Werten um 50 Prozent hergekommen ist, jetzt zu knabbern hat“.

Neidischer Blick über den Zaun

Ist einfach der Trend der Zeit mit den Grünen? Einen neidischen Blick über den politischen Zaun wagt Parteichef Kopf: „Was unterscheidet uns umweltpolitisch von den Grünen?“ Doch die SPD müsse um jede Stimme kämpfen, „während die Grünen sich eigentlich zurücklehnen können“.

Wie also herauskommen aus dem Tief? „Wir müssen“, sagt Kopf, „wieder die Partei werden für Menschen, die arbeiten, arbeiten wollen oder mal gearbeitet haben“. Eine Forderung, die nicht neu ist. Schon der frühere Kehler Oberbürgermeister Günther Petry hatte nach seinem Parteiaustritt 2018 auf die entfremdende Wirkung der Agenda 2010 hingewiesen – und kritisiert, dass sich die SPD letztlich widerstandslos dem Prinzip der Profitmaximierung ergeben habe.

Ist die GroKo in Berlin schuld?

War es die Agenda 2010? Oder hat sich die SPD in Koalitionen aufgerieben, in denen sie nicht gewinnen konnte? Das jedenfalls vermutet der politische Gegner: „Die SPD“, so die Analyse des CDU-Kreisvorsitzenden Volker Schebesta, „hat das Problem, dass sie auf Bundesebene Bestandteil der Großen Koalition ist und dass sie sich immer wieder als Opposition innerhalb der Regierung definiert“. Ähnliches sei von 2011 bis 2016 in der Koalition mit den Grünen auf Landesebene geschehen.

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