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Urteil gegen Yves R.

„Waldläufer von Oppenau“ zu drei Jahren Haft verurteilt

Yves R. floh im Sommer 2020 mit vier gestohlenen Polizeiwaffen in den Schwarzwald und löste einen riesigen Polizeieinsatz aus. Verteidigung und Anklage werteten den Fall völlig unterschiedlich.

Polizisten des Sondereinsatzkommandos SEK stehen in einem Wohngebiet am Rand von Oppenau.
Großfahndung nach Yves R.: Rund 2.500 Polizisten suchten im Sommer nach Yves R. in und um Oppenau. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Im Prozess um seine spektakuläre Flucht mit gestohlenen Polizeiwaffen im Schwarzwald ist der „Waldläufer von Oppenau“ zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

Geiselnahme, Körperverletzung und Gesetzesverstöße

Yves R. habe sich unter anderem der Geiselnahme schuldig gemacht, urteilte das Landgericht Offenburg am Freitag. Verurteilt wurde er tateinheitlich auch wegen gefährlicher Körperverletzung und zahlreichen Verstößen gegen das Waffengesetz.

Der 32-Jährige hörte sich die Urteilsverkündung ungerührt an. Der Richter riet Yves R., in Zukunft an sich zu arbeiten. Er hatte im Juli vergangenen Jahres bei einer Routinekontrolle in einer Hütte bei Oppenau vier Polizisten entwaffnet und war anschließend mit den geladenen Dienstpistolen in den Wald geflüchtet.

Es folgte die größte Fahndung in der Geschichte des Ortenaukreises: 2.500 Polizisten hatten in dem unwegsamen Gelände nach dem alsbald in den Medien „Waldläufer“ genannten R. gesucht, darunter mehrere Hubschrauberbesatzungen, das Spezialeinsatzkommando und Hundeführer mit Mantrailer-Hunden.

Letztlich wurde Yves R. nach fünf Tagen Flucht an einem steilen Hang direkt neben einer Straße festgenommen. Die Vermutung, dass er es, hungrig, durstig und geplagt von Schlafmangel, seine Festnahme provoziert hatte, verdichtete sich im Laufe des viertägigen Verfahrens.

Doch es bleiben Widersprüche. Wer gehofft hatte, die angesichts des im Grunde unstreitigen Tatgeschehens sehr intensive Beweisaufnahme würde auch die Frage nach den Beweggründen des Oppenauer „Waldläufers“ klären, sah sich getäuscht.

Yves R. äußerte sich in dem Verfahren nicht selbst, ließ aber seine Anwälte eine Erklärung verlesen. Danach stand die Frage im Raum, ob er es bei seiner Festnahme darauf angelegt hatte, von den Polizisten getötet zu werden. Das Gericht sah in einem vom Spezialeinsatzkommando aufgenommenen Video, wie R. sich weigert, aufzugeben, es aber gleichzeitig vermeidet, zu einer der drei scharfen Dienstwaffen zu greifen, die er zu diesem Zeitpunkt noch am Körper trug.

SEK beendete mit Elektroschockpistole die heikle Situation

Letztlich beendete das SEK mit einem so genannten Taser, einer Elektroschockpistole, die heikle Situation. Dabei verletzte R. einen der Beamten mit einem Beilhieb am Fuß. Der Mann ist heute noch dienstunfähig und absolviert gerade eine Reha-Maßnahme. Ob er ins SEK zurückkehren kann, ist offen.

So klar der Tathergang, so umstritten ist seine juristische Würdigung. Das betrifft vor allem das Geschehen in der Waldhütte, das die Staatsanwaltschaft als Geiselnahme in einem minder schweren Fall einstuft. Anklägerin Raffaela Sinz forderte dafür, für den Angriff auf den Polizeibeamten und für eine ganze Reihe von Verstößen gegen das Waffengesetz, drei Jahre und neun Monate Haft.

Doch der Begriff der Geiselnahme ist an bestimmte Abläufe gebunden, die die Verteidiger von R. in diesem Fall bestreiten. Sie deuteten das Geschehen in der Hütte als Angriff auf Vollstreckungsbeamte und plädierte für eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monate für den gesamten Tatkomplex.

Die Person von Yves R. selbst – drahtig, klein, glatzköpfig – übte auf viele Verfahrensbeteiligten und offenbar selbst auf die betroffenen Polizeibeamten, die sich durch den Verlust ihrer Dienstwaffen in der Öffentlichkeit und vor Kollegen blamiert sehen musste, allen Widersprüchen und Ungereimtheiten zum Trotz, eine auffallende Faszination aus.

Sachverständiger lobt Intelligenz von Yves R.

Der psychiatrische Sachverständige lobte seine Intelligenz und sein Potenzial, seine Verteidigerin Melanie Mast zeigte sich beeindruckt, und nicht wenige Verfahrensbeteiligte nannten ihm im Zeugenstand gar beim Vornamen.

Auch die Justiz hatten mit dem schon früh auffälligen Yves R. lange Nachsicht. Rund ein Dutzend Mal war er vor Oppenau aktenkundig geworden, immer wieder hatte es Verwarnungen und Ermahnungen gegeben. Vor etwas mehr als zehn Jahren schoss er einer Bekannten den Pfeil einer Armbrust aus nächster Nähe in die Brust, die Frau überlebte nur knapp. Dafür war er zu dreieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden.

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