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Staatsanwaltschaft zieht Bilanz

Zahl der Kinderporno-Verfahren in Offenburg verdoppelt sich fast

Auch Kinder tauschen Kinderpornografie. Mit Hilfe aus den USA hat die Staatsanwaltschaft in Offenburg ihre Ermittlungen wegen solcher Taten massiv ausgeweitet.

Ein Mann bedient einen Laptop.
Das Internet als Tummelplatz: Die Bekämpfung von Kinderpornografie läuft ebenso international wie die Taten selbst. Die Zahl der Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Offenburg hat deutlich zugenommen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Wer oder was ist NCMEC? Die Organisation aus den USA ist der Grund dafür, dass die Offenburger Staatsanwaltschaft 2020 den Kampf gegen Kinderpornografie zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht hat. Denn sie tut, was eigentlich Sache der Staaten wäre.

Sie spürt Tauschbörsen von Kinderpornografie im Internet auf und setzt die Ermittlungsbehörden auf der ganzen Welt ins Bild. Auch in Deutschland. Ergebnis: In Offenburg liefen im vergangenen Jahr 159 Verfahren vor allem gegen Internetnutzer, die Filme und Bilder mit einschlägigem Inhalt ausgetauscht und gehandelt haben. 2019 waren es nur 87.

Die Ermittler in der Offenburger Moltkestraße wissen um die Tragweite der Taten, denn oft geht es eben um mehr als nur um Bilder. „Eine wichtige Frage ist für uns immer, ob ein tatsächlicher Missbrauch stattfindet“, sagt Staatsanwältin Raffaela Sinz. Zunächst werde daher geprüft, ob der Täter tatsächlich Kontakt zu Kindern hat.

Messenger als Tatwerkzeug

Provider in den USA seien verpflichtet, kinderpornografische Inhalte zu melden. Die Daten werden dann vom National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) an andere Staaten weitergeleitet. Nicht nur das Geschäft mit der Kinderpornografie, auch deren Bekämpfung ist damit international geworden.

Im vergangenen Jahr seien auf diese Weise vor allem Tätergruppen aufgedeckt worden, die mit Messengerprogrammen wie WhatsApp arbeiten. Bisweilen aber tauschen auch Kinder selbst Kinderpornografie. „Es gibt auch, wenn nur zu einem geringen Anteil, Schulhofgruppen“, sagt Sinz. Es drohen erhebliche Strafen, und, was beispielsweise bei Jugendlichen als besonders schmerzlich empfunden werden mag, der Einzug des Tatwerkzeugs, also in der Regel des Mobiltelefons.

Wie stehen da vor schwierigen Abwägungsfragen.
Raffaela Sinz, Staatsanwältin

Die Ermittlungen seien allerdings schwierig: „Das Problem ist die juristische Abgrenzung, also ob und ab wann ein Besitz gegeben ist“. Wie steht es um gelöschte Dateien auf einer Festplatte? Wie um Bilder, die online hinterlegt sind oder im Browsercache auftauchen? „Wir stehen da vor schwierigen Abgrenzungsfragen“, sagt Sinz, die darauf verweist, dass die gesetzlichen Vorgaben verschärft werden sollen.

Bislang würden solche Taten oft mit einem Strafbefehl geahndet, und meist seien die Betroffenen auch interessiert daran, das auf diesem Wege, also ohne öffentliche Hauptverhandlung, zu regeln. Das werde sich ändern, Kinderpornografie werde bald als Verbrechen eingestuft. Dann sei ein Prozess zwingend, nicht selten sogar vor dem Schöffengericht.

Arbeit wurde durch Corona nicht weniger

Die Offenburger Staatsanwaltschaft legte in ihrer Jahrespressekonferenz eine von Corona geprägte Bilanz vor. „Die Arbeit ist nicht weniger geworden“, sagt Behördenleiter Herwig Schäfer. Dennoch sei es gelungen, auch durch eine Aufstockung bei den Staatsanwälten, die Zahl der offenen Verfahren um fast ein Fünftel zu reduzieren. „Das schafft Luft“, sagt Schäfer. Die Zahl der Straftaten insgesamt sei trotz Lockdowns sogar leicht angestiegen, das Allzeithoch des Vorjahres sei nochmals überschritten.

Und doch sind die Corona-Folgen spürbar: Eigentumsdelikte, insbesondere Ladendiebstahl, waren deutlich seltener zu bearbeiten, auch die Wohnungseinbrüche gingen zurück. Dafür gab es viele Betrugsfälle, vor allem über das Internet, ferner einen massiven Zuwachs der unerlaubten Einreisen. Der freilich ist auf die Verstärkung der Grenzkontrollen wegen der Pandemie und die bessere Personalausstattung der Bundespolizei zurückzuführen.

Ermittlungen gegen drei Ärzte

Eher selten hatte die Anlagebehörde mit Verstößen gegen Corona-Regeln zu tun, da dies meist auf der Ebene von Verwarnungsgeld oder Bußgeldbescheid gelöst wird. Erst wenn Widerspruch eingelegt wird, kommt die Staatsanwaltschaft ins Spiel. Ergebnis: Im vergangenen Jahr gab es in Offenburg lediglich 77 Fälle wegen Verstößen gegen die Corona-Auflagen wie das Maskengebot oder die Beschränkung von Treffen zu behandeln. 20 Verfahren wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angestrengt, in zwei Fällen stand am Ende ein Strafbefehl, einer wird vor Gericht landen.

Drei Ermittlungsverfahren richteten sich gegen Ärzte wegen der Ausstellung „unrichtiger Gesundheitszeugnisse“, wie es im Juristendeutsch heißt. Es geht um die Befreiung von der Maskenpflicht, gerne per Post mit frankiertem Rückumschlag. Ein Verfahren wurde inzwischen mit einem Antrag auf Strafbefehl abgeschlossen, zwei weitere laufen noch.

Corona hat auch damit die Staatsanwaltschaft vor ungeahnte Herausforderungen gestellt. Ermittlungen wegen falscher Atteste waren vor der Pandemie eher exotisch: Die könne man, so Behördenchef Herwig Schäfer, „in den vergangenen Jahren an einer Hand abzählen“.

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