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Auch frische Fische

600 Kilometer zurückgelegt: Bietigheimer sammelt säckeweise achtlos weggeworfenen Müll

Über 600 Kilometer hat Hermann Fritz aus Bietigheim zu Fuß schon zurückgelegt, um achtlos weggeworfenen Müll zu sammeln und in Säcken zu verstauen. Er bezeichnet sich als Landschaftsschützer und erhielt vor zwei Jahren auch den Bietigheimer Bürgerpreis.

Müllsäcke, Mann
Abfall-Präsentation: Seinen 222. blauen Müllsack füllte Hermann Fritz am 22.2.2022. Der Landschaftsschützer hofft, auch Nachahmer zu finden. Foto: Hans-Jürgen Collet

Wenn er läuft, ist sein Blick meist auf den Boden gerichtet. Vor der Ampel an der B3, bei der Kreuzung in Höhe von Muggensturm, verharrt er kurz. Neben dem Radweg liegen Dutzende von Zigarettenkippen: „Wenn ich sie sehe, räume ich sie weg, mit bloßen Händen“, sagt Hermann Fritz.

Nicht weit davon entfernt hat er so etwas wie eine kleine Ausstellung aufgebaut. Sie besteht nur aus 40 blauen Säcken. Fritz hat sie so angeordnet, dass sie das Datum 22.2.2022 ergeben – jener Tag, an dem er die Säcke ausgelegt hat, die noch einige Zeit dort zu sehen sein sollen.

Deren Inhalt besteht nur aus Müll, und es ist das Ergebnis aus einer rund zweimonatigen ehrenamtlichen Arbeit. Denn: Hermann Fritz hat es sich zur Aufgabe gemacht, Abfall zu sammeln, und zwar vorwiegend an Straßenrändern. „Ich bin aber nur außerhalb von Ortschaften unterwegs, weil in den Orten ja meist der Bauhof zuständig ist.“

600 Kilometer zu Fuß hat Fritz beim Sammeln von Müll zurückgelegt

Die Idee entstand 2019 nach einem Urlaub in den italienischen Abruzzen, wo ihm der viele Müll entlang der Straßen schon aufgefallen war. Auch am Rande des Radwegs, auf dem er immer zur Arbeit fuhr, stach ihm der viele, achtlos weggeworfene Unrat ins Auge.

Geärgert habe er sich darüber aber nicht. „Denn ich habe nur positive Gefühle“, verrät er über seine Lebenseinstellung. Gleichwohl fühlte er sich angesprochen, wie er sagt. Fortan graste der gebürtige Lichtenauer, der mittlerweile in Bietigheim wohnt, viele Straßen in der ganzen Region ab, von Durmersheim bis Rheinau-Freistett.

Ich habe über 2.000 Kilogramm getragen und über 600 Kilometer zurückgelegt.
Hermann Fritz, Landschaftsschützer

Rechtzeitig bis zum Beginn seiner Müll-Präsentation am 22. Februar hatte er seinen insgesamt 222. Müllsack gefüllt. Zugleich zieht er Bilanz: Seit 2019 war er rund 1.000 Stunden mit den blauen Müllsäcken unterwegs, die er vom Bietigheimer Bauhof kostenlos für seine Arbeit in freier Natur überlassen bekommt. „Ich habe über 2.000 Kilogramm getragen und über 600 Kilometer entlang von Wegen zu Fuß zurückgelegt.“ Fritz schätzt, dass er im Laufe seinen Touren über 100.000 weggeworfene Artikel aufgehoben hat.

Träger des Bietigheimer Bürgerpreises legt Müllsäcke an Ortsschildern ab – mit einer Karte

Und was macht er mit den vollen Müllsäcken? Anfangs habe er sie auf Verkehrsinseln abgelegt: „Aber das war zu gefährlich“, sagt er. Nun sei er dazu übergegangen, die Säcke an den Ortsschildern zu postieren, wo sie dann von Mitarbeitern der Straßenmeisterei oder des Bauhofes abgeholt werden könnten.

Damit nicht der Verdacht einer wilden Müllablagerung aufkommt, versieht er jeden gefüllten blauen Sack mit einer Art Visitenkarte, verbunden mit einem Hinweis auf seine Homepage vonwegen-warten.de. Zudem ist die Abbildung einer Wegwarte darauf zu sehen: Das ist eine Pflanze, die mir besonders gut gefällt“, sagt Fritz, der sich selbst als Landschaftsschützer bezeichnet.

Er ist jemand, der nicht jammert, sondern anpackt.
Thomas Kölmel, Chef der Dr. Jakob Kölmel-Bürgerstiftung

Vor zwei Jahren war der 61-Jährige mit dem Bietigheimer Bürgerpreis ausgezeichnet worden. „Er ist jemand, der nicht jammert, sondern einfach mal anpackt“, hatte damals Thomas Kölmel, Vorsitzender der Dr. Jakob Kölmel-Bürgerstiftung in seiner Laudatio betont.

Schnapsflaschen, Fische und ein Schild hat Fritz schon entfernt

Und welche Art von Müll beseitigt Fritz am häufigsten? Zigarettenschachteln und Plastikverpackungen von Süßigkeiten, Folien, aber auch Karosserieteile von Lkw zählt er auf.

Bei den Schutzmasken kenne ich mittlerweile alle Verknotungstechniken.
Hermann Fritz, Landschaftsschützer

Natürlich seien in letzter Zeit auch immer mehr weggeworfene Schutzmasken zu sehen: „Da kenne ich mittlerweile alle Verknotungstechniken.“ Und: Kleine, leere Schnapsflaschen, „Flachmänner“ also, finden sich zu seinem Erstaunen auch ziemlich oft: „Da kann man doch davon ausgehen, dass sie beim Autofahren getrunken werden.“

Was waren denn die ungewöhnlichsten Fundstücke, die er bisher aufgesammelt hat? Fritz braucht nicht lange zu überlegen: „Es waren noch ziemlich frische Fische, die am Straßenrand lagen und bei denen noch kein Madenbefall zu erkennen war. Auch ein großes, schon völlig überwuchertes Verkehrsschild habe ich mal bei Ötigheim entdeckt“.

Besonders achtet Fritz zudem auf Glassplitter auf Radwegen, die er sofort entfernt: „Wenn dadurch ein Reifen platzt, kann das ja sehr gefährlich werden.“

Fritz hofft, weitere Ehrenamtliche zu finden

Fritz begrüßt auch Initiativen wie die Aktion „Möbs räumt auf“, die alljährlich von den Gemeinden Muggensturm, Ötigheim, Bietigheim und Steinmauern organisiert wird. „Allerdings ist das ja nur einmal im Jahr und das reicht nicht. Man muss ständig unterwegs sein“, meint er.

Fritz möchte künftig noch mehr für den Umweltgedanken werben und hofft darauf, dass sich noch andere Menschen finden, die auf eine ähnliche Weise arbeiten wollen wie er. Der Bietigheimer selbst bevorzugt es allerdings, alleine unterwegs zu sein: „Da muss ich nicht auf Absprachen Rücksicht nehmen, sondern ich entscheide mich intuitiv, wann ich wieder den Dreck der anderen aufhebe.“

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