Seit ihr Mann vor fünf Jahren gestorben ist, lebt Friedhilde Dietsche-Bachmann alleine. Frühstücken mit einer Freundin im Schloss Favorite, das macht die 80-Jährige leidenschaftlich gern. Doch Cafés und Restaurants dürfen wegen Corona nicht öffnen. Es sei ein Stück Lebensqualität, die ihr dadurch genommen werde, sagt die Seniorin. „Die Corona-Situation belastet mich. Wenn ich bei Sonnenschein einen Spaziergang an der Murg mache, fühle ich mich schon ein bisschen besser und freier.“
Als sie die Postkarte der Seniorenhilfe Rastatt im Briefkasten fand, habe sie es einfach ausprobieren wollen, erzählt die 80-Jährige Sarah Schereda am Telefon. Schereda arbeitet für die Seniorenhilfe im Rossi-Haus gegenüber dem Residenzschloss. Eigentlich besuchen die 55 ehrenamtlichen Helfer des Vereins die über 80-jährigen Senioren persönlich, die in Rastatt alleine leben und sich über ein Gespräch freuen.
Bisher nur wenige Rückmeldungen
Wegen der Corona-Pandemie fallen diese Zusammentreffen nun weg. „Es ist einfach zu heikel“, sagt Schereda. Treffen von zwei Haushalten sind zwar erlaubt. „Wir haben aber einige Helfer, die an die 60 Senioren betreuen. Da ist uns das Infektionsrisiko zu hoch“, erklärt sie. „Deshalb bieten wir jetzt Gespräche übers Telefon an.“ Um die 350 Postkarten mit dem Angebot schickte die Seniorenhilfe in der zweiten Novemberhälfte per Post an alle 80-Jährigen in Rastatt. Der Rücklauf war bisher mäßig: Acht Postkarten liegen bei Schereda auf dem Schreibtisch – darunter vier Frauen und ein Mann, die sich über ein telefonisches Gespräch freuen würden.
Die Corona-Situation belastet mich. Wenn ich einen Spaziergang an der Murg mache, fühle ich mich besser.Friedhilde Dietsche-Bachmann /Seniorin
Schereda nimmt sich Zeit für das Gespräch mit Friedhilde Dietsche-Bachmann. Wie es ihr geht, fragt sie. Ach, auf dem Friedhof am Grab ihres Mannes sei sie ausgerutscht und gestürzt, erzählt die Seniorin. Das sei im Sommer gewesen. Zwei Operationen mit Vollnarkose habe sie hinter sich. Ohne das Gedächtnistraining in der Kurzzeitpflege in Forbach wäre es heute schlecht um sie bestellt, ist sie sich sicher. Jetzt trainiert die 80-Jährige, die Mitglied im Bridge-Club Baden-Baden ist, beim Kartenspielen am Computer ihr Gedächtnis. Zudem liest sie ein bis zwei Stunden täglich morgens eine regionale Tageszeitung.
Einsam fühlt sich Dietsche-Bachmann nicht: „Heute Morgen war die Schwester vom Sozialen Dienst da. Sie hat mich geduscht und meine Haare gewaschen. Dann hat mir ein Mann meine wöchentliche Bestellung Mineralwasser geliefert und um kurz nach zehn kam das Essen auf Rädern. Im Laufe des Vormittags habe ich dann schon drei Leute gesehen.“ Kinder hat die Seniorin zwar keine: „Das fehlt in dieser Zeit.“ Dafür kümmern sich die Schwägerin und der Neffe um sie.
Mit meinen Freundinnen mache ich jetzt Bild-Telefon.Friedhilde Dietsche-Bachmann /Seniorin
Schereda von der Seniorenhilfe hört zu, geht auf die Seniorin ein, stellt Nachfragen, berichtet von ihren eigenen Erfahrungen mit ihrem pflegebedürftigen Vater. Das Vertrauen ist schnell aufgebaut und Dietsche-Bachmann erzählt aus ihrem Alltag.
„Mit meinen Freundinnen mache ich jetzt Bild-Telefon. Mein Neffe hat das WhatsApp mit Bild mit mir geübt. Jeder sieht dann jeden und wir reden zusammen“, sagt die 80-Jährige. Technisch am Ball bleiben, „des muss ma“, findet sie. Auch mit ihrer Schwester und ihrer Nichte kommuniziert Dietsche-Bachmann per Videotelefonie. Vom Hasenwäldchen nördlich des Residenzgartens fährt sie auch noch in die Innenstadt, um dort kleinere Einkäufe zu erledigen. Anschließend läuft sie mit dem Rollator wieder nach Hause.
Für den Geschenkekauf fehlte der Mut
Eigentlich sei es jetzt an der Zeit, Weihnachtsgeschenke für ihre Nichten und Neffen zu kaufen. Aber dafür fehle ihr einfach der Mut. Nur das Nötigste will die 80-Jährige machen. Schließlich gehört sie aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe. Spazierengehen aber ist ihr wichtig, am Rhein oder an der Murg. Dort sei die Luft immer so gut.
Wir hoffen, dass wir unsere Senioren auch bald wieder persönlich besuchen dürfen.Sarah Schereda / Seniorenhilfe Rastatt
Heiligabend wird sie diesmal nicht im großen Familienkreis feiern, sondern mit ihrer verwitweten Schwägerin und ihrem Neffen. Traurig ist Dietsche-Bachmann deshalb aber nicht. „Die anderen kann ich ja an den Feiertagen sehen. Verteilt, so dass immer nur drei Erwachsene zusammen sind.“ Für die Corona-Maßnahmen hat die Seniorin Verständnis: „Das muss sein.“ Schade sei nur, dass man nicht im Restaurant essen kann. „Gerade jetzt, da ich mit der Schulterverletzung behindert bin, kann ich nicht großartig kochen.“ Für einen der Feiertage will sie sich aber trotzdem Pastetchen mit Hähnchenbrust zubereiten.
In den Gesprächen erfahren die über 80-Jährigen Verständnis, Zuneigung und Zuspruch. „Wir hoffen, dass wir unsere Senioren auch bald wieder persönlich besuchen dürfen“, sagt Sarah Schereda. „Wenn wir die Menschen sehen, können wir ihnen noch näher sein.“
Seniorenhilfe Rastatt
Senioren ab 80 Jahren, die alleine in Rastatt leben und sich gerne hin und wieder mit jemandem unterhalten wollen, können sich an die Seniorenhilfe wenden. Die ehrenamtlichen Helfer können in der Corona-Zeit zwar keine persönlichen Besuche abstatten. Dafür bieten sie Gespräche übers Telefon an. Ansprechpartnerin ist Sarah Schereda von der Seniorenhilfe Rastatt. Zu erreichen ist sie telefonisch unter (07222) 972-9420 oder per E-Mail an sarah.schereda@rastatt.de. Um ältere Menschen aus ganz Rastatt betreuen zu können, freut sich die Seniorenhilfe auch immer über weitere ehrenamtliche Helfer.