Skip to main content

Letztes Heimspiel

Tränen-Alarm in Baden-Baden: Handball-Quartett macht Schluss

Markus Koch, Johannes Henke und vor allem Jonas Schuster sowie Christian Fritz haben beim TVS Baden-Baden Legendenstatus erreicht. An diesem Samstag bestreitet das Quartett sein letztes Heimspiel.

Nach fast 1.700 Toren für den TVS ist Schluss: Christian Fritz (am Ball).
Nach fast 1.700 Toren für den TVS ist Schluss: Christian Fritz (am Ball) Foto: Frank Seiter

Via Instagram hat der TVS Baden-Baden seinen Anhängern folgenden Tipp für das letzte Heimspiel dieser Drittliga-Saison an die Hand gegeben: Die Handball-Fans sollten doch an diesem Samstag (20 Uhr) gegen die Bundesliga-Reserve der Rhein-Neckar Löwen Taschentücher bereithalten. „Das wird mit Sicherheit ein sehr emotionaler Abend“, sagt Simon Riedinger, der Sportliche Leiter des TVS. Große Gefühle in der Sandweierer Rheintalhalle.

Die Partie steht ganz im Zeichen des Abschieds. Der seit dem vergangenen Wochenende tabellarisch zementierte Abstieg nach nur einem Jahr spielt in diesem Zusammenhang allerdings fast keine Rolle. Vielmehr werden gleich acht Leistungsträger des Vereins verabschiedet.

Fünf Neuzugänge sollen Lücken füllen

„Die Zahl acht hört sich erst mal erschreckend an, aber uns war klar, dass der große Umbruch irgendwann kommen wird“, sagt Riedinger. Daher habe man nicht nur in den vergangenen Jahren sukzessive talentierte Akteure verpflichtet, sondern auch aktuell bereits fünf Neuzugänge nach Sandweier geholt.

Die Neuen müssen nicht nur in nominell viele, sondern auch qualitativ große Fußstapfen treten. Das gilt für Han Völker, den es beruflich Richtung München und daher zum TuS Fürstenfeldbruck zieht, für Thilo Hafner, der künftig bei der SG Muggensturm/Kuppenheim das Tor hüten wird, sowie für Matthias Meßmer und Jascha Lehnkering, die den Harztopf vorerst gänzlich in die Ecke stellen werden.

Ein Jahrzehnt „die Knochen für den Club hingehalten“

Eigentlich nicht zu ersetzen sind Johannes Henke, Markus Koch, Jonas Schuster und Christian Fritz, die teilweise mehr als ein Jahrzehnt „die Knochen für den Club hingehalten haben, durch dick und dünn gegangen sind und große Erfolge gefeiert haben“, sagt Riedinger und denkt dabei in erster Linie an die Aufstiege in Liga drei in den Jahren 2018 und 2022. „Die Jungs haben fast schon Legendenstatus beim TVS.“

Seit genau zehn Jahren trägt Christian Fritz das grün-weiße Trikot, bisher genau 274 Mal. Nach bis dato 1.689 Toren – TVS-Chronist Daniel Merkel hat akribisch Buch geführt – ist für den 31-Jährigen nach der Runde Schluss. „Ich mache bewusst einen harten Cut“, sagt der dreifache Jugendnationalspieler aus Forbach, der vor dem TVS zwei Jahre beim Zweitligisten in Herrenberg eingenetzt hat.

Christian Fritz ist kein Typ für Tränen

Nach mittlerweile 25 Jahren mit vier bis fünf Abenden in der Halle pro Woche – nicht zu vergessen die verplanten Wochenenden – sei es Zeit, ein „neues Kapitel zu öffnen“. Wie wird er das füllen? „Die Frage habe ich für mich noch nicht beantwortet“, sagt Fritz, der zuletzt immer wieder über Wehwehchen klagte. In erster Linie freue sich der Mann mit dem feinen linken Händchen auf die bisher nicht gekannte Flexibilität. Ein Typ für Tränen sei er prinzipiell nicht, „aber es wird definitiv emotional, darauf stelle ich mich ein“, sagt Fritz.

„Wenn die Tränen kommen, kommen sie“, sagt derweil Jonas Schuster über seine emotionale Verfasstheit angesichts des nahenden Abschieds vom Ball: „Ich muss mich auf jeden Fall zusammenreißen, meine ganze Familie kommt.“ Mit dem 32-Jährigen verliert der TVS nach elf Jahren, 253 Spielen und 987 Toren seinen weiteren stilprägenden Linkshänder. Zusammen mit Fritz war das Duo für Teammanager Riedinger „mit die beste rechte Seite in Baden-Württemberg“.

Riedinger: „Beste rechte Seite in Baden-Württemberg“ bricht weg

Diese bricht nun komplett weg. Bei Schuster sind es neben dem sechs Monate alten Söhnchen Samuel vor allem gesundheitliche Gründe, die ihn dazu bewogen haben, nach 26 Jahren, „in denen ich Handball gelebt habe“, Schluss zu machen.

Lädierte Füße, Knie, Schultern und immer wieder ausgekugelte Finger haben den Steinbacher, der nach der Jugendzeit drei Jahre – eines davon in Liga zwei – beim Leichlinger TV in NRW verbracht hat, ausgebremst. Am Samstag will er sich aber „gebührend verabschieden. Mit viel Ehrgeiz“. Und im besten Fall mit einem Sieg und vielen Toren.

Auch Markus Koch „will unbedingt nochmal punkten. So viele Möglichkeiten gibt es ja nicht mehr“, sagt der 29-Jährige und schmunzelt. Für den Rechtshänder ist nach sieben Jahren in Sandweier Schluss, 509 Treffer in 144 Spielen hat der Rückraumakteur in dieser Zeit erzielt.

Beim Steinbacher schwingt durchaus ein wenig Wehmut mit. Schon gegen Pforzheim hat er darüber sinniert, wie es wohl werden wird, ein letztes Mal „vor diesen Rängen zu spielen. Das ist etwas ganz besonderes“, sagt Koch. Daher werde es sicherlich ein paar Tränchen in den Augen geben.

Markus Koch freut sich auf Roadtrip durch die USA

Mit Vorfreude blickt er indes auf die Zeit nach der Karriere, besonders auf die dreiwöchige USA-Tour mit Frau Nadine im September. „Ganz ohne schlechtes Gewissen“, sagt Koch. Unter anderem werden die beiden beim Diamond-League-Wettkampf von Johannes Vetter in Eugene vor Ort sein.

Der Ex-Speerwurf-Weltmeister ist nicht nur Kochs bester Kumpel, sondern war lange auch sein Trainingspartner bei der LG Offenburg. „Bei mir kam zum Handball ja immer die Doppelbelastung mit dem Speerwerfen dazu. Da musste meine Frau die vergangenen zehn Jahre zurückstecken.“ Das soll sich nun ändern. Ein Comeback? „Stand jetzt: ausgeschlossen!“

Das gilt auch für Johannes Henke. Allerdings nicht wirklich frei-, sondern eher widerwillig. „Es macht einfach keinen Sinn mehr“, sagt das Sandweierer Urgestein, das lediglich von der C- bis zur A-Jugend mal nicht das grün-weiße Trikot getragen hat, sondern das von Phönix Sinzheim.

Schulterverletzung zwingt Johannes Henke zum Karriereende

Nach Bandscheibenvorfällen im Jahr 2019 hatte sich der Linksaußen wieder mühsam zurückgekämpft und war in der vergangenen Saison mit seinen charakteristischen Trippelschritten im Eiltempo über die Platte gepest. Im November 2021, acht Saisonpartien waren gerade absolviert, verletzte sich der jüngere Bruder von TVS-Kapitän Franz Henke so schwer an der linken Schulter, dass er einige Monate später operiert werden musste. Noch immer lässt das Gelenk keinen Handball zu. Das zwangsweise Karriereende, es hatte sich abgezeichnet.

„Das macht es auf der einen Seite einen Tick einfacher, weil das Ende nicht plötzlich kommt, andererseits ist es tragisch, weil ich es nicht selbst in der Hand hatte. Vor allem, weil ich ja erst 29 bin und gerne noch weitergemacht hätte“, sagt Henke und spricht von einer „Vernunftsentscheidung“.

Langweilig wird ihm trotzdem nicht: Henke wird im Mai zum ersten Mal Papa. Und er bleibt dem Verein nicht nur in der Sportlichen Leitung erhalten: „Ich habe beim TVS mit Tennis angefangen. Mit der rechten Schulter geht das, und es klappt auch ganz gut.“

Am Samstagabend geht es aber nochmal um Handball. „Das wird auch für mich ziemlich emotional werden“, sagt Henke: „Dieser Verein ist ein einziges Highlight.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang