Skip to main content

Nilkreuzfahrt

Eine Reise in Ägyptens große Vergangenheit

Die Pyramiden von Gizeh oder die Tempel von Abu Simbel kennt jeder von Bildern, aber in natura sind sie erst richtig beeindruckend. 

Blick auf die Sphinx und die Pyramiden von Gizeh
Blick auf die Sphinx und die Pyramiden von Gizeh, die zu den sieben antiken Weltwundern zählen. Foto: Robert Harding/Imago

Die Nase der Sphinx, das wissen Asterix-Leser schon lange, hat Obelix ungefähr im Jahr 50 vor Christus unabsichtlich abgetreten. Dem vollschlanken Gallier unterlief das Missgeschick im zweiten Band „Asterix und Kleopatra“, als er auf die Sphinx kletterte.

Nicht sein Gewicht war das Problem, sondern: „Der Schwachpunkt aller Statuen sind die Nasen“, sagt Ägyptologe Fikry Alim über die monumentalen Figuren, die ab 4800 vor Christus in dem Land am Nil geschaffen wurden.

Die alten Ägypter wussten um die drei Schwachpunkte ihrer steinernen Pharaonen und Götter, aber für Hals und Hände hatten die Baumeister Lösungen: „Die Darstellungen haben immer Bärte, um den Nacken zu stabilisieren. Und in die Hände gab man den Pharaonen Papyrus und Stempel als Zeichen ihrer Macht“, erläutert Reiseführer Alim.

Der große Tempel von Abu Simbel
Der große Tempel von Abu Simbel mit den vier überlebensgroßen Steinstatuen von Ramses II. zählt zu den großen Besucher-Attraktionen Ägyptens. Er befindet sich im Süden des Landes, am Nassersee. Foto: Robert Harding/Imago

Die Steinmetze waren gleichzeitig Schönheitschirurgen. Ramses II. beispielsweise ließ seine Hakennase durch eine schönere ersetzen, weil die Ägypter glaubten, dass man im Jenseits so aussehe, wie es die Figuren zeigen.

Der eitle Ramses (1303–1213 v. Chr.) „gilt unter den mehr als 500 Pharaonen als einer der sieben wichtigsten“, ordnet Alim ein. „Er hielt auch selbst viel von sich.“ Immerhin herrschte in 50 seiner 66 Regierungsjahre Frieden, und er führte Ägypten zur größten Blüte.

Der Gottkönig vergötterte unter seinen drei Hauptfrauen Nefertari besonders und ließ sie daher im kleinen Tempel von Abu Simbel so groß wie sich selbst darstellen. Mit Kopfschmuck ist sie sogar größer als er. „Die Arbeiten wirken damenhafter. Man gewinnt den Eindruck, die Arbeiter hatten hier mehr Spaß“, ordnet Alim die filigrane Umsetzung ein.

Die Tempel von Abu Simbel mussten dem Stausee weichen

Unter all den vielen Bauten und Tempelerweiterungen unter Ramses dem Großen ist Abu Simbel mit seinen Felsentempeln am berühmtesten. Der Pharao wird hier stolz nach einem Sieg über die dort lebenden Nubier gezeigt. Die Außenwand des größeren Tempels mit den vier überlebensgroßen Sitzstatuen von Ramses II. und mehreren kleineren seiner Frauen und Kinder zählt zu den größten Attraktionen.

Das Pferd, das den Wagen des Pharaos zieht, wirkt „noch stolzer“, hebt der Reiseführer hervor. Unter dem Pferd ist zur Abschreckung noch ein Löwe zu entdecken. „Der ist nur gegenüber dem Pharao friedlich“, betont Alim.

Die Tempel von Abu Simbel liegen am Westufer des Nassersees. Ursprünglich befanden sie sich an einer anderen Stelle. Doch wären sie nicht ab- und wieder aufgebaut worden, wären sie im Wasser des Nils verschwunden. Denn als der Fluss in Assuan gestaut wurde, entstand hier, ganz im Süden des Landes, der größte künstliche See der Welt.

Rund 240 Kilometer sind es von Abu Simbel nach Assuan. Den massiven Staudamm dort wegzusprengen, wäre ein enormer Aufwand. Und doch: „Der Staudamm ist der strategische Schwachpunkt Ägyptens“, weiß Alim. Strömte nämlich das Wasser aus dem Nassersee, „würde binnen 18 Stunden 90 Prozent allen Lebens in Ägypten ausgelöscht.“

Wie sicher ist Ägypten für Touristen?

Das Auswärtige Amt hält die Sicherheitslage in Ägypten derzeit für „insgesamt weiterhin stabil und ruhig“. Touristen wird unter anderem geraten, sich vom ägyptisch-israelischen Grenzgebiet fernzuhalten. 

Assuan ist Ziel- und Wendepunkt von Kreuzfahrten auf dem Nil. Die Reisen starten flussabwärts in Luxor. Selten ist das weit entfernte Kairo der Ausgangspunkt – vor den Toren der Hauptstadt befindet sich die bekannteste Sehenswürdigkeit Ägyptens.

Auch wenn Obelix beim Anblick der Pyramiden dem begeisterten Druiden Miraculix entgegnet: „Pah! Nichts gegen einen schönen Hinkelstein!“, muss man ausnahmsweise widersprechen: Selbst im Vergleich zu den schönsten Obelisken, die Napoleon nach Frankreich entführte, sind die Pyramiden von Gizeh im Licht der Morgendämmerung ein grandioser Anblick.

Jeder Betrachter fragt sich, wie derlei prachtvolle Bauwerke vor fast 5.000 Jahren ohne Zaubertrank, beziehungsweise ohne modernes Gerät, entstehen konnten. Meisterwerke aus Menschenkraft und Architektenkunst.

Der Darstellung, dass die Bauten durch Sklavenarbeit und viele Opfer teuer erkauft wurden, widerspricht Alim. Für die Arbeiter seien die Pyramiden ein Segen gewesen – zwar eine Schufterei und eine Qual, aber außerhalb der wichtigen Erntezeit entlang des Nils habe den Bauern das gottgefällige Werk ein Einkommen und eine gute Nahrungsversorgung beschert. Nach Angaben des ägyptischen Chefarchäologen Zahi Hawass aßen die Arbeiter sogar Büffelfleisch, das für sie zu den Baustellen transportiert wurde.

Vor den Pyramiden von Gizeh wollen Männer zum Kamelritt animieren. „So günstig wie bei Obi und Aldi!“, ruft einer. Doch Alim warnt vor Abzocke. Statt wie bei Obi und Aldi mit festen Preisen für Andrang und gute Geschäfte zu sorgen, gebe es hier zu viele schwarze Schafe.

Kairo rückt den Pyramiden immer näher

Manche Geschichten machen auf einer Nil-Kreuzfahrt die Runde. Etwa, dass wehrlose Touristinnen erst wieder von den Tieren herunterkamen, nachdem sie horrende dreistellige Euro-Summen berappt hatten. So bleiben den Kamel-Eigentümern Einnahmen und den Fremden unvergessliche Bilder verwehrt, mit Kamel im Vordergrund und genialen Pyramiden-Bauten dahinter.

Lagen diese bis vor Kurzem noch fünf Kilometer von Kairo entfernt, rückt die Zehn-Millionen-Metropole zusehends an die Cheops-Pyramide heran. Letztere ist die größte der drei großen Pyramiden von Gizeh und der insgesamt 118 Pyramiden in Ägypten. Mittlerweile existieren schon Hotels, von denen aus man dieses Weltwunder der Antike sehen kann. „Und bald stehen die Monumente in der Stadt“, ahnt Alim die weitere Ausdehnung von Kairo voraus.

Wer eine Nilkreuzfahrt bucht, beschäftigt sich automatisch mit dem Klassiker „Tod auf dem Nil“. Der Film zum Buch von Agatha Christie wurde unter anderem mit Peter Ustinov als Meisterdetektiv Hercule Poirot in Karnak gedreht. Zudem wird Roger Moore als James Bond in der größten Tempelanlage Ägyptens vom legendären „Beißer“ verfolgt.

Nilkreuzfahrt-Schiff liegt in Karnak am Ufer
Die Nilkreuzfahrt-Schiffe können in Karnak, das nahe bei Luxor liegt, direkt bei der größten Tempelanlage Ägyptens am östlichen Ufer anlegen. Foto: Hartmut Metz Foto: Hartmut Metz

Karnak grenzt an Luxor und liegt wie dieses direkt am Nilufer. Die Stadt beeindruckt nicht nur mit dem rund 30 Hektar großen Amun-Re-Tempel. Noch mehr als der Sonnengott fasziniert die Sphinx-Allee. Die 3.000 Jahre alte Allee verbindet Karnak und die Tempel in Luxor über 2,7 Kilometer. Seit 2021 ist sie wieder zu bewundern. 1.300 der Wächter und Beschützer, die über Jahrzehnte verschüttet waren, gibt es inzwischen zu bestaunen.

Wie bei allen Sehenswürdigkeiten in Ägypten beginnt „das Spießrutenlaufen“, wie es Alim lachend mit Blick auf die fliegenden Händler nennt, spätestens am Ausgang. Entrinnen gibt es keines. Augen zu und schnell durch, rät Alim.

Freiwillig begeben sich die Reisenden dagegen in die Fänge von Hussein Ibrahiem. In seinem Geschäft verkauft der 37-Jährige Parfüm. Mischungen, die klingende Namen wie Kleopatra, Tutanchamun oder Harem tragen. Ibrahiem weiß, welche Essenzen den bekannten Marken von Opium bis Chloé ihre Noten verleihen. Am Schluss bewirbt er noch einen Zaubertrank, den jede ägyptische Familie immer im Hause habe: „Schwarzkümmel hilft gegen alles – außer gegen den Tod“, ulkt Ibrahiem.

Den Galliern und Obelix machen die Ägypter übrigens keine Vorwürfe wegen der Sphinx-Nase. Mehr belastet das Verhältnis zu den Franzosen ein anderer Grund, den Alim in Luxor mit Blick auf die Jahre 1798 bis 1801 andeutet: „Die Franzosen waren nur drei Jahre hier, haben uns aber unter Napoleon mehr geprägt als die Engländer in 40 Jahren – und auch mehr mitgenommen.“

Der 230 Tonnen schwere Luxor-Obelisk, der in Paris auf dem Place de la Concorde thront, ging allerdings als Geschenk des ägyptischen Vizekönigs an den französischen König. „Nur den schiefen Obelisken haben sie hier in Luxor stehen lassen“, stellt Alim mit Blick auf die gewaltigen Monolithen fest, die Sonnenstrahlen von Re symbolisieren.

Und in Gallien, fast ganz Gallien, würden heute noch mehr Obelisken stehen, wäre Napoleon länger in Ägypten auf Raubzug geblieben – und hätte Häuptling Majestix nicht nach der Rückkehr seiner tapferen Krieger ein Machtwort gesprochen und zum verdutzt dreinschauenden Obelix gesagt: „Die Form, die du neuerdings deinen Hinkelsteinen gibst, gefällt mir nicht. Bleiben wir doch gallisch!“

nach oben Zurück zum Seitenanfang