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Mancher letzte Wunsch bleibt unerfüllt

In der Salzurne ins Meer vor Mallorca? Daniel Izquierdo-Hänni managt Seebestattungen

Alternative Bestattungsformen, bei denen die Menschen in der Natur ihre letzte Ruhe finden, werden immer häufiger gewählt. Daniel Izquierdo-Hänni organisiert seit 2012 Seebestattungen im Mittelmeer vor Spanien. Doch rasch für eine Abschiedszeremonie ein paar Tage nach Spanien zu fliegen ist in Corona-Zeiten nicht ganz so einfach.

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Abschied auf dem Wasser: Eine Seebestattung vor Mallorca wünschen sich häufig Deutsche, die einen besonderen Bezug zu der Ferieninsel haben. Foto: ad mediterraneum

In die Friedhofserde, im Wald oder die Asche in alle Winde verstreuen? Die Frage, wo ein Mensch seine letzte Ruhe finden soll, stellte sich in Deutschland lange gar nicht. In den meisten Bundesländern gilt nach wie vor die Friedhofspflicht, die nur wenige Ausnahmen vorsieht: Friedwald oder Seebestattung, wenn der Verstorbene dies wünschte.

„In Spanien ist das anders“, erklärt Daniel Izquierdo-Hänni, der in Valencia lebt. Verstreuen dürfe man dort die Asche Verstorbener überall in der Natur – tabu seien nur öffentliche Plätze und Wege. Auf dem Wasser sind drei Seemeilen Abstand zum Land obligatorisch.

Letzte Ruhe an dem Ort, an dem man sich einst verliebte

Der Sohn eines Spaniers und einer Schweizerin organisiert seit acht Jahren Naturbestattungen. Am häufigsten möchten seine Klienten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, dass die Asche ihres verstorbenen Angehörigen ins Meer bei der Urlaubsinsel Mallorca kommt.

„Es sind Menschen, die selbst hier in Spanien lebten oder immer gerne hier Urlaub gemacht haben“, schildert der 55-Jährige via Skype. Oft gebe es konkrete geografische Wünsche; etwa den Ort, an dem man sich einst verliebt hat. „Oder es sind Menschen, die etwas Exotisches wollen – eine Gegend, in der es meist warm und sonnig ist“, fügt er an.

Wie jene alte Dame, die sich im Friedwald bei Frankfurt ihre letzte Ruhestätte aussuchen wollte und dann arge Zweifel bekam: „Du bist so eine Sonnenanbeterin – was willst du in dem verregneten Wald?“, soll sie sich gefragt haben. Heute ist ihre Asche in Izquierdo-Hännis Orangenhain beigesetzt – unter einem Baum, den ihre Tochter und ihre Nichte gepflanzt haben.

Blütenblätter und die Lieblingsmusik begleiten die Asche

Meist aber fährt der schweizerisch-spanische Doppelbürger mit den Angehörigen aufs Wasser. Morgens, wenn das Meer eher ruhig ist und die Sonne auf der Wasseroberfläche glitzert, ist der richtige Moment. Ausgesucht wird eine Stelle, von der man vielleicht einen schönen Blick auf eine Landmarke hat oder auf einen Ort, an den der Verstorbene schöne Erinnerungen hat.

Dann wird der Motor, der das Segelboot unterstützt, abgestellt und die Asche dem Meer übergeben. Meist wird sie von Blütenblättern begleitet, auch mal von Papierschiffchen mit guten Wünschen, vielleicht wird die Lieblingsmusik des Verstorbenen gespielt, vielleicht werden ein paar Worte gesprochen. „Das ist ganz individuell, wie es sich die Angehörigen wünschen“, sagt Izquierdo-Hänni.

Niemand trägt Schwarz

Bei Bedarf filmt oder fotografiert er, sorgt für Essen und Trinken, stellt Musik an. „Es ist sehr informell“, sagt er, „und niemand trägt Schwarz“. Auch einen professionellen Sänger, der das Lieblingslied seiner verstorbenen Mutter übers Wasser schmetterte, hatte er schon an Bord.

Gebetet wird nicht – aber oft gab es die kirchliche Trauerfeier für den Verstorbenen bereits in der Heimat. Die Seebestattung findet mit zeitlichem Abstand und im kleinsten Kreis statt. „Dann ist der erste Schock überwunden, die Angehörigen hatten schon Zeit zum Trauern und nehmen in ganz anderer Stimmung Abschied“, so Izquierdo-Hänni.

Die Urne ist aus gepresstem Salz - aus gutem Grund

Nicht immer aber mögen die Angehörigen die Asche sehen oder gar selbst dem Wind übergeben. Alternative ist eine in Spanien hergestellte Urne aus gepresstem Salz, die sich im Wasser nach und nach auflöst. Andere Seeurnen kommen dem 55-Jährigen nicht mehr an Bord.

Sein schrägstes Erlebnis war nämlich, als ein anderes Modell sich öffnete und die darin enthaltene Aschekapsel sofort wieder nach oben kam. „Wir haben sie dann rausgefischt, und ich habe die Asche verstreut“, schildert er. „Zum Glück haben es die Angehörigen locker genommen.“

Die Angehörigen hatten schon Zeit zum Trauern und nehmen in ganz anderer Stimmung Abschied.
Daniel Izquierdo-Hänni, Seebestatter

Dass Trauernde sich lieber für die Urne entscheiden, kann er gut verstehen: „Als meine Tanten problemlos in die Kapsel mit der Asche meines Vaters fassten, war ich schockiert“, räumt er ein. Sein Vater hatte sich in der Nähe der Strandwohnung der Familie, wo er noch im hohen Alter gerne spazieren ging und eine schöne Aussicht hatte, eine Pinie ausgesucht.

„Unter diesem Baum soll einmal meine Asche verstreut werden“, hatte er häufig gesagt. Die Familie erfüllte ihm diesen Wunsch. Die Umgebung und auch der vierwöchige Abstand waren bei aller Trauer wohltuend, sagt Daniel Izquierdo-Hänni. Und doch trug der Marketing-Fachmann die Idee, solch individuelle Beisetzungen zu organisieren, noch zwei Jahre mit sich herum, ehe er sein Unternehmen „ad mediterraneum“ („Hin zum Mittelmeer“) gründete.

Mancher letzte Wunsch bleibt unerfüllt

Mit Bestattern in Deutschland kooperiert er, 80 Prozent seiner Klienten aber finden ihn direkt über seine Webseite. Ein Nebenerwerb ist es; sein Geld verdient Daniel Izquierdo-Hänni als Journalist und mit Marketing für Zahnarztpraxen. Etwa zehn Seebestattungen organisiert er jedes Jahr – wenn nicht Corona sein Business lahmlegt.

Mal eben nach Spanien zu reisen, ging monatelang gar nicht, und aktuell schotten sich in Spanien auch die einzelnen Provinzen ab, erzählt der Unternehmer. Manchmal sind sich aber auch die Angehörigen nicht einig und entscheiden letztlich, den Wunsch des Verstorbenen nach einer Seebestattung nicht zu erfüllen – aus moralischen oder gesellschaftlichen Gründen, so seine Erfahrung.

Die Urne kommt per Post nach Spanien

Ab 1.452 Euro gibt es die Seebestattung mit bis zu sechs Angehörigen. Begleitet niemand aus der Familie den Toten auf der letzten Reise, schlägt die Organisation mit mindestens 617 Euro zu Buche.

In jedem Fall kommt die Kapsel mit der Asche per Post nach Spanien – dass die Angehörigen sie selbst transportieren, ist in Deutschland verboten. „Es gibt extra Verpackungen, die oben und unten mit einer Plastikmembran gepolstert sind“, erklärt Izquierdo-Hänni.

Letzte Reise: Wer sich dies wünschte, im Meer beigesetzt werden.
Letzte Reise: Wer sich dies wünschte, im Meer beigesetzt werden. Foto: ad mediterraneum

Gründe dafür, dass kein Hinterbliebener mitfährt, gibt es viele. „In einem Fall war die Witwe gesundheitlich nicht in der Lage, wollte aber den letzten Wunsch ihres Mannes erfüllen“, schildert er. „In einem anderen Fall war die Tochter zu mitgenommen. Dafür reiste sie später an die Stelle der Seebestattung. Deren GPS-Koordinaten stehen im Zertifikat, das die Hinterbliebenen nach jeder Seebestattung bekommen.

Aber auch der Marketingmann nimmt von den Fahrten aufs Meer etwas mit. „In den Agenturen ging es um immer höhere Ziele und immer mehr Arbeit“, sagt er. „Dies hier bremst mich immer wieder und hilft mir, innezuhalten und alles zu relativieren.“

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