Skip to main content

Vom 27. bis 29. Mai

Jubiläum im Schatten des Ukraine-Krieges: 190 Jahre Hambacher Fest

Längst gilt das Hambacher Fest von 1832 als wichtiger Schritt auf dem langen Weg zur Demokratie. An diesem Wochenende wird Jubiläum gefeiert – in unruhigen Zeiten.

Blick auf das Hambacher Schloss, das 1832 Ziel eines Aufmarschs der liberalen Bewegung der damaligen Zeit war.
Blick auf das Hambacher Schloss, das 1832 Ziel eines Aufmarschs der liberalen Bewegung der damaligen Zeit war. Foto: Uwe Anspach Uwe Anspach/dpa

Es ist 190 Jahre her und war doch selten so aktuell wie in diesen Tagen. Das zeigt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der nur knapp drei Flugstunden entfernt die Frage nach dem Wert der Freiheit neu aufgeworfen hat. Vor diesem unruhigen Hintergrund wird an diesem Wochenende in Rheinland-Pfalz des Hambacher Festes von 1832 gedacht – einer Sternstunde der Demokratie.

Etwa 25.000 bis 30.000 Menschen kamen damals auf dem Schlossberg bei Neustadt zusammen, vom Turm wehte die schwarz-rot-goldene Fahne. Mutige Männer und Frauen seien für politische Grundrechte, ein geeintes Deutschland und ein solidarisches Europa eingetreten, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor wenigen Tagen. „Dieses Erbe ist für uns bleibende Verpflichtung.“

Das Hambacher Fest vom 27. bis 29. Mai 1832 in der damals bayerischen Pfalz gilt als eine der ersten Massenveranstaltungen der deutschen Demokratiegeschichte. Die Teilnehmer forderten die nationale Einheit Deutschlands und ein Ende der Fürstenherrschaft und sprachen sich für Meinungs- und Versammlungsfreiheit aus. „Die freie Meinungsäußerung war keineswegs gesichert“, sagt der Historiker Andreas Wirsching.

 Zeitgenössischer Stich vom Zug der Demonstranten am 27. Mai 1832 zum Hambacher Schloss. Dort fand die erste deutsche demokratisch-republikanische Massenversammlung statt, die als Hambacher Fest in die Geschichte einging.
Zeitgenössischer Stich vom Zug der Demonstranten am 27. Mai 1832 zum Hambacher Schloss. Dort fand die erste deutsche demokratisch-republikanische Massenversammlung statt, die als Hambacher Fest in die Geschichte einging. Foto: --- ---/dpa

Liberale Redner mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. „Georg August Wirth und Philipp Jakob Siebenpfeiffer, die Organisatoren und Hauptredner, wurden sofort nach dem Fest verhaftet“, erinnert der Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Uni München.

Hambach ist ein großes Symbol für das friedliche Miteinander der Nationen im Zeichen der Freiheit.
Andreas Wirsching, Historiker

Die Anwesenheit von Frauen sei ein Novum gewesen. „Sie waren zahlreich vertreten, stickten unzählige schwarz-rot-goldene Fahnen und unterstützten nach dem Fest die Familien der Festgenommenen“, sagt Wirsching. Für ihn gehört das Treffen zu den wichtigsten demokratischen Erinnerungsorten der Deutschen. „Hambach ist ein großes Symbol für das friedliche Miteinander der Nationen im Zeichen der Freiheit“, betont der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte.

Hambacher Jubiläum findet unter dem Motto „Mut zur Freiheit“ statt

Das Fest gilt als Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie. Das Jubiläum wird groß gefeiert. Unter dem Motto „Mut zur Freiheit“ laden die Stiftung Hambacher Schloss und Neustadt an der Weinstraße zum Demokratiefest an den Originalorten von 1832 ein. Geplant sind Wort- und Kunstbeiträge und ein musikalisches Programm. Ein „Freiheitsweg“ führt vom Marktplatz über die Hambacher Höhe zum Schloss und zurück.

Doch der Blick soll auch auf das Hier und Heute gerichtet sein. Demokratie, Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Völker würden auch im Europa des 21. Jahrhunderts in Frage gestellt und sogar attackiert, wie Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zeige, sagte Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) vor kurzem anlässlich der neuen Dauerausstellung im Hambacher Schloss. Die Schau würdige die frühen wichtigen Stimmen, die für eine demokratische Entwicklung in Deutschland eingetreten seien, unterstrich Roth.

Eingebettet in die Feiern ist die erstmalige Verleihung des Hambacher Freiheitspreises an den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck. Zur Begründung hieß es, Gauck und sein öffentliches Wirken zeichneten sich in herausragender Weise durch „Mut zur Freiheit“ aus. Gauck war mehrfach im Hambacher Schloss, unter anderem als Bundespräsident.

„Ich gehöre ja, wie sie alle wissen, einer Minderheit der Deutschen an, zu der nämlich, für die die Freiheit das Wichtigste im politischen Zusammenleben der Menschen ist“, sagte er 2012. Einige fänden das gut, einige nicht. „Das wird sich aber nicht mehr ändern.“

Vorstandsvorsitzender der Stiftung Hambacher Schloss ist der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz. Der SPD-Politiker wendet sich scharf gegen „eine Vereinnahmung dieser demokratiegeschichtlichen Tradition durch Rechtskonservative“ – etwa durch ein „Neues Hambacher Fest“, bei dem auch Redner wie etwa Jörg Meuthen (AfD) oder der Buchautor Thilo Sarrazin auftraten. Kritiker werfen den Organisatoren vor, sie stellten zu Unrecht einen Bezug zum historischen Ereignis im Mai 1832 her.

„Dem Versuch, die Erinnerung in ein rechtspopulistisches „Neues Hambacher Fest“ umzudeuten, muss energisch entgegengetreten werden“, meint auch Wirsching. Die Ereignisse vor 190 Jahren seien ein historisches Zeugnis davon, dass entscheidende bürgerliche Freiheiten nicht selbstverständlich seien und immer wieder erkämpft werden müssten. „Zugleich“, betont der Historiker, „unterstreicht die Erinnerung an das Hambacher Fest die Hoffnung auf die friedliche Koexistenz der Völker in Europa.“ Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine sehen viele die Botschaft von 1832 zeitgemäßer denn je.

Neustadt an der Weinstraße lädt zum Fest der Demokratie

Vom 27. bis 29. Mai dürfen sich Besucherinnen und Besucher unter dem Motto „Mut zur Freiheit“ auf ein buntes Mitmachangebot, Wortbeiträge, Diskussionen, Musik und Unterhaltung in Neustadt an der Weinstraße freuen.

In der Stadt, auf dem Weg zum Schlossberg sowie auf dem Hambacher Schloss, laden Programmangebote von rund 40 Vereinen, Institutionen, Privatpersonen und Künstlerinnen und Künstler zum Mitmachen, Diskutieren und Genießen ein.

nach oben Zurück zum Seitenanfang