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Meinung

von Martin Ferber

Klage gegen Verfassungsschutz

Mit dem Gang durch die Instanzen spielt die AfD auf Zeit

Vor Gericht wehrt sich die Partei, vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft zu werden. Solange es kein Urteil gibt, kann sie frei agieren

Delegierte stimmen auf dem Landesparteitag der AfD Sachsen-Anhalt in Magdeburg ab.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz will die AfD als Ganzes zum rechtsextremen Verdachtsfall erklären. Dagegen wehrt sich die Partei mit juristischen Mitteln. Foto: Peter Gercke/dpa

Eine Überraschung ist die Zahl nicht. Vielmehr belegt sie, was viele längst vermutet haben. Die 78 Abgeordneten der AfD beschäftigen nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Organisationen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden.

Die Fraktion, ein Sammelbecken von Rechtsextremen?

Die AfD-Fraktion im Bundestag, ein Sammelbecken und Tummelplatz von bekennenden Rechtsextremisten? Die Meldung könnte brisanter und für die AfD gefährlicher kaum sein. Denn gleichzeitig verhandelt das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen über die Klage der Partei gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. Auf juristischem Wege will sie verhindern, dass die Gesamtpartei von der Kölner Behörde als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Das würde dem Amt erlauben, auch nachrichtendienstliche Methoden anzuwenden.

In der ersten Instanz hat die AfD verloren. Und an Material, das die völkisch-nationalistische, rassistische und im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehende Gesinnung und Denkweise von Mandatsträgern, Funktionären und Mitgliedern belegen soll, mangelt es nicht. Allein in jüngster Zeit legten die Verfassungsschützer dem Gericht 4.200 Seiten an Dokumenten und 116 Stunden Videomaterial vor.

Ein Urteil beendet den Rechtsstreit nicht

Klar ist, auch ein Urteil aus Münster beendet den Rechtsstreit nicht, im Falle einer erneuten Niederlage wird die AfD mit Sicherheit das Bundesverwaltungsgericht und in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht anrufen. Dabei ist die Frage, ob die Partei ein Verdachtsfall ist, im Grunde schon gar nicht mehr relevant. Vielmehr geht es längst darum, ob die AfD als Ganzes als gesichert rechtsextremistische Bestrebung gilt – so wie die Jugendorganisation JA sowie die drei ostdeutschen Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.

So nutzt die AfD den langen Rechtsweg, um auf Zeit zu spielen. Solange die Frage nicht geklärt ist, ob sie als Verdachtsfall gilt, sind dem Verfassungsschutz die Hände gebunden. Die Gesamtpartei kann somit weiter frei agieren, wird nur beobachtet, aber nicht überwacht, und bekommt Gelder aus der staatlichen Wahlkampffinanzierung, womit sie ihre politischen Aktivitäten und ihr Personal finanzieren kann.

Das ist das Dilemma der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des Rechtsstaates. Sie schützen auch die, die offen andere Vorstellungen haben. So reicht es nicht, die Auseinandersetzung allein dem Verfassungsschutz und den Gerichten zu überlassen. Die Hunderttausende, die in den letzten Wochen auf die Straßen gegangen sind, haben verstanden: Es kommt auf jeden einzelnen an.

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