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Kulturbetrieb in Corona-Not

2G-plus-Regelung macht Theater und Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim zu schaffen

Im September startete die Pforzheimer Kulturszene mit Zuversicht in die Saison. Mit steigenden Inzidenzen und schärferen Regeln haben sich die Aussichten aber verschlechtert.

Katharina Kepler, Theater Pforzheim
Erfolgsstück: Die Musical-Oper „Katharina Kepler“ (das Foto zeigt Lukas Schmid Wedekind und Elisandra Melián) ist ein Besuchermagnet. Doch bei 2G-Plus muss vielen Zuschauern wieder abgesagt werden. Foto: Sabine Haymann

„Dunkle Wolken“ am Horizont beschrieb Verwaltungsdirektor Uwe Dürigen kürzlich im Kulturausschuss, dem er mit seinem Stellvertreter Manfred Selzer den Abschlussbericht des Stadttheaters für die Spielzeit 2020/21 vorlegte.

Was die Finanzen angeht, sei man unterm Strich zufrieden, habe durch Kurzarbeit sogar einen kleinen Puffer erarbeitet, zogen Dürigen und Selzer ein positives Resümee, das angesichts der Pandemie nicht unbedingt zu erwarten war.

In künstlerischer Hinsicht sieht es anders aus. Wieder sind Pforzheims Kulturträger im Schwebezustand angesichts der an diesem Freitag erwarteten neuen Landesvorgaben, die weitere Einschränkungen bringen könnten – bis hin zum Lockdown.

Nächste Woche soll Entscheidung zu „Winterträumen“ in Pforzheim fallen

Weil sich manches schon jetzt nicht mehr rechnet, zieht das Kulturhaus Osterfeld die Reißleine und sagt die meisten kommenden Veranstaltungen ab. Abzuwarten bleibt, was das für das Varietétheater „Winterträume“ bedeutet, das am 18. Dezember starten würde. „Wir sind in Beratungen“, sagt Kulturhaus-Leiter Bart Dewijze und verweist auf eine Entscheidung nächste Woche.

Einen vielversprechenden Saisonstart legte das Theater hin. Produktionen wie „Titanic“, „Katharina Kepler“ und die Songrevue „Freedom“ füllten nach langer Zeit wieder die Säle. Entsprechend gut lief der Vorverkauf.

Das nährte am Waisenhausplatz Hoffnungen auf einen halbwegs erfolgreichen Spielbetrieb im Herbst und Winter. Dank einer „extrem hohen Impfquote“ des Publikums habe es mit der Einführung von 2G im Grunde kaum Probleme gegeben, sagt Verwaltungschef Dürigen.

Doch 2G plus erschwere den Theatergang. Dass immunisierte Besucher nun auch ein negatives Testergebnis vorlegen müssen, kritisieren laut Dürigen vor allem diejenigen aus dem ländlichen Raum – weil gerade an Wochenenden zu wenige Teststellen zur Verfügung stünden. Das wirke sich hemmend auf den Vorverkauf aus.

Kulturhaus Osterfeld ist bislang glimpflich durch die Pandemie gekommen

Schmerzhaft trifft das Theater die Kapazitätsbeschränkung auf 50 Prozent. „Die nächsten Vorstellungen von ,Titanic’ sind allesamt ausverkauft. Wie müssen schweren Herzens einem Teil der Kunden eine Absage erteilen“, erklärt Dürigen. Höchste Priorität genössen die Abonnenten. Im Freiverkauf erworbene Karten würden nach zeitlichem Eingang der Buchung gewertet, und man versuche, Ersatztermine zu finden.

Wie müssen schweren Herzens einem Teil der Kunden absagen.
Uwe Dürigen, Theater Pforzheim

Einigermaßen glimpflich ist auch das Kulturhaus Osterfeld durch die Pandemie gekommen. Durch Kurzarbeit, Corona-Hilfen und vorübergehende Einsparungen von Personalstellen habe man einen Puffer gehabt, erklärt Bart Dewijze.

„Als wir im September die Saison eröffneten, glaubten wir, es gäbe ein Licht am Ende des Tunnels.“ Inzwischen ist es so finster geworden, dass es nach dem Auftritt von Pe Werner an diesem Donnerstag nur noch eine Aufführung von „Woyzeck“ am Samstag geben wird. „Es ergibt keinen Sinn, wenn mehr Leute auf der Bühne stehen, als im Zuschauerraum sitzen“, sagt Dewijze zu dieser Produktion des Amateurtheatervereins. Eine kleine Chance sieht er derzeit noch für „Plattenklatsch“ am kommenden Donnerstag.

Potenzielles Publikum wegen Corona zurückhaltend

Neue Produktionen liefen zu schlecht, besser sehe es aus bei schon einmal wegen Corona verschobener Aufführungen – wie der Abend mit Pe Werner. Entsprechend der 2G-plus-Regelung mit halbierten Zuschauerzahlen verkaufte das Kulturhaus für deren Auftritt im großen Saal nur 180 von 480 Tickets. „Wir wollten auf der sicheren Seite sein“, erklärt Dewijze. Wie viele Zuschauer es tatsächlich waren, ließ sich bis Redaktionsschluss nicht eruieren.

Jüngste Erfahrungen haben gezeigt, dass sich das Publikum zurückhält: Nur zwei Drittel von aktuell 50 Prozent zur Verfügung stehenden Tickets seien zuletzt verkauft worden.

Für Bodo Wartkes Auftritt im Congresscentrum seien es knapp 1.000 Tickets gewesen, aber nur 560 Zuschauer seien gekommen. „Früher konnten wir bei solchen Veranstaltungen Rücklagen bilden. Diese Planungssicherheit ist nicht mehr gegeben“, schildert Dewijze. Nun handle man nach drei Prioritäten: Erstens müsse die Sicherheit für Mitarbeiter, Zuschauer und Künstler gewährleistet sein. „Zweitens müssen wir, so gut wie möglich, Kultur anbieten.“ Schließlich gehe es darum, inwieweit schlecht besuchte Veranstaltungen noch wirtschaftlich sind.

„Winterträume“ rechnen sich mit halber Zuschauerzahl nicht

Das wirft die Frage nach den „Winterträumen“ auf. Theoretisch sei das Varietétheater mit halbierter Zuschauerzahl möglich, so Dewijze. Bei 2G plus könnten pro Show 185 Plätze verkauft werden.

Rechnen würde sich das freilich nicht. Dewijze beschreibt ein Dilemma: Kultur sei relevant, andererseits finde sie nicht statt. „Es ist eine Abwägung, inwieweit wir unseren Auftrag ernst nehmen, aber wir dürfen nicht finanziell ins offene Messer laufen.“

Nicht abgesagt ist das A Capella-Weihnachtskonzert von „Onair“ am 12. Dezember in der Schloßkirche. „Wenn kein Lockdown kommt, kriegen wir das hin“, meint Dewijze.

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