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Ökologisch und inklusiv

München mal anders: Wo in Bayerns Hauptstadt nachhaltige Akzente gesetzt werden

Marienplatz, Schweinshaxe und Oktoberfest – so kennt man die bayrische Landeshauptstadt. Doch München kann auch anders: ökologisch, vegan und inklusiv.

Am Bahnwärter Thiel treffen Ateliers und Werkstätten auf Proberäume und Open Workspaces. Auf dem Gelände stapeln sich kunstvoll mit Graffiti bemalte Schiffscontainer und alte Bahnwaggons. Mittendrin steht ein Kran, der alles überragt.
Am Bahnwärter Thiel treffen Ateliers und Werkstätten auf Proberäume und Open Workspaces. Auf dem Gelände stapeln sich kunstvoll mit Graffiti bemalte Schiffscontainer und alte Bahnwaggons. Mittendrin steht ein Kran, der alles überragt. Foto: Renan Sarah Frankenreiter

München – fällt der Name der bayrischen Landeshauptstadt, haben die meisten direkt Bilder im Kopf. Neben dem FC Bayern ist das vor allem eines: die Großveranstaltung, die München einmal im Jahr in einen Ausnahmezustand versetzt – das Oktoberfest auf der Theresienwiese.

In diesem Jahr wurde es von 7,2 Millionen Menschen besucht, ein neuer Rekord. Sie alle wollen nicht nur trinken, sondern auch essen. Und was gibt es beim Oktoberfest? Schweinshaxe, Brathendl, Weißwurst. Alles Speisen, die man eher weniger mit Nachhaltigkeit in Verbindung bringt.

Erstmals hat es 2022 eine vegane Weißwurst aufs Oktoberfest geschafft

Greenforce-Gründer Thomas Isermann zeigt im Münchner Wirtshaus Herrschaftszeiten seine vegane Weißwurst.
Greenforce-Gründer Thomas Isermann zeigt im Münchner Wirtshaus Herrschaftszeiten seine vegane Weißwurst. Foto: Renan Sarah Frankenreiter

Dass es auch anders geht, möchte Thomas Isermann beweisen. Er sieht tierische Lebensmittel als „Durchlauferhitzer“. 2022 hat es erstmals in der Geschichte des Oktoberfestes eine vegane Weißwurst in die Zelte geschafft. Das Unternehmen, dass das möglich gemacht hat, heißt Greenforce und wurde von Isermann 2019 gegründet.

Wer diese Weißwurst abseits des Oktoberfest-Trubels probieren möchte, kann das zum Beispiel im „Herrschaftszeiten“. Das Wirtshaus, das zu Fuß nur drei Minuten vom Viktualienmarkt entfernt ist, hat bereits 500 Jahre auf dem Buckel. Vergangenes Jahr wurde es nach einer längeren Umbauphase wiedereröffnet. Neben Klassikern wie Kässpatzen und Ochsenbacken bietet die Küche auch Isermanns vegane Weißwürste an.

Die nächsten zwei, drei Milliarden Menschen werden wir mit dem Protein aus Fleisch und Fisch nicht ernähren können.
Thomas Isermann
Greenforce-Gründer
Die Weißwürste im Vergleich: oben tierisch mit zuzeln, unten vegan ohne Hülle.
Die Weißwürste im Vergleich: oben tierisch mit zuzeln, unten vegan ohne Hülle. Foto: Renan Sarah Frankenreiter

„Eigentlich würde ein Bayer sagen, die vegane Weißwurst hat hier nichts verloren“, sagt der Greenforce-Gründer. Dass sein Produkt es trotzdem ins Traditionslokal geschafft hat, liegt daran, dass Isermann die Wirte begeistern konnte.

Er selbst ist eigentlich kein Veganer – aber er will etwas ändern. „Die nächsten zwei, drei Milliarden Menschen werden wir mit dem Protein aus Fleisch und Fisch nicht ernähren können.“

Das Schlachthofviertel in München wird auch „Der Bauch der Stadt“ genannt

Für die Fleischproduktion getötet werden Tiere in München immer noch: auf dem Schlachthof in der Zenettistraße im Stadtteil Isarvorstadt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in der Innenstadt geschlachtet, das Vieh wurde durch die Stadt getrieben. Da das nicht sehr hygienisch war, wurde zwischen 1876 und 1878 der zentrale Schlacht- und Viehhof München etwas außerhalb des Zentrums errichtet.

Das Schlachthofviertel, auch „Der Bauch der Stadt“ genannt, wird seit 2017 umgestaltet und entwickelt sich zu einem neuen innerstädtischen Quartier mit lebendiger und alternativer Kulturszene.

Eine, die sich hier auskennt wie in ihrer Westentasche, ist Astrid Neubert. Die waschechte Münchnerin hat zeitweise im Ausland gelebt und doch zog es sie immer wieder zurück in die Stadt.

Hochkultur und Popkultur sind nur wenige Schritte voneinander entfernt

Erster Stopp ihrer „Viertelliebe“-Führung: das neue Volkstheater, direkt gegenüber dem Schlachthof. 2021 wurde es eröffnet, damals pandemiebedingt sogar mit zwei Premieren. Das rote Backsteinkleid fügt sich in die umliegenden Bauten aus den 1920er Jahren ein. Innen sind die Farben an die Wandtöne in Goethes Weimarer Wohnhaus angelehnt.

Das Volkstheater fügt sich mit seinem roten Backsteinkleid in die Umgebung im Schlachthofviertel ein. Es wurde 2021 eröffnet.
Das Volkstheater fügt sich mit seinem roten Backsteinkleid in die Umgebung im Schlachthofviertel ein. Es wurde 2021 eröffnet und ist der erste Stopp der Viertelliebe-Führung mit Astrid Neubert. Foto: Renan Sarah Frankenreiter

Von der sogenannten Hochkultur zur Popkultur sind es nur wenige Schritte. Zwei junge Männer stehen vor einer langen Mauer, sie haben Dosen in der Hand, und die Luft riecht nach Lösungsmitteln. „Keine Fotos bitte“, sagt der eine.

Langsam entstehen an der Wand große Buchstaben. „Die Münchner Sprayer sind für Buchstabenkunst berühmt“, sagt Neubert. Was die beiden Männer machen, ist an dieser Wand sogar legal. Direkt dahinter beginnt das Kulturprojekt Bahnwärter Thiel.

Bahnwärter Thiel ist ein kreatives Kulturprojekt mit Ateliers und Werkstätten

Auf dem Gelände stapeln sich kunstvoll mit Graffiti bemalte Schiffscontainer und alte Bahnwaggons. Mittendrin steht ein Kran, der alles überragt. Wagt man sich über eine der Wendeltreppen in die Höhe, kann man je nach Standort einen Blick auf die Alte Utting erhaschen. Das ehemalige Passagierschiff ist hier quasi gestrandet und wird nun als Gaststätte und Partylocation genutzt.

Am Bahnwärter Thiel treffen Ateliers und Werkstätten auf Proberäume und Open Workspaces. So findet man auf dem Areal unter anderem eine Polsterei, eine Schmiede und eine Bäckerei, die für ihre Zimtknoten bekannt ist.

Francesca Pellegrini setzt voll und ganz auf Second Hand

Seconda Pelle heißt der Second-Hand-Modeladen auf dem Areal Bahnwärter Thiel. Francesca Pellegrini hat ihn 2021 eröffnet.
Seconda Pelle heißt der Second-Hand-Modeladen auf dem Areal Bahnwärter Thiel. Francesca Pellegrini hat ihn 2021 eröffnet. Foto: Francesca Pellegrini

In einem Schiffscontainer hat Francesca Pellegrini ein Zuhause für ihren Secondhand-Modeladen Seconda Pelle gefunden. An langen Stangen reihen sich Jacken, Hemden und Shirts aneinander. Unterschiedlichste Accessoires haben einen Platz in dem Container, der einer der größten auf dem Gelände ist, gefunden.

Eigentlich kam die Italienerin vor vier Jahren für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Deutschland. Und ist geblieben. Seit 2021 gibt es Seconda Pelle. Pellegrini mag am Bahnwärter Thiel vor allem die Gemeinschaft.

Ich will nicht, dass andere für meine Kleidung leiden.
Francesca Pellegrini
Seconda Pelle

Sie und ihr Freund Alperen Istanbulu tragen quasi ausschließlich Second Hand. Für Istanbulu ist es auch die Suche nach den Kleidungsstücken, die den Reiz ausmacht: „Es ist nicht nur das T-Shirt, das ich trage, man ist viel mehr verbunden.“

Pellegrini möchte den Menschen, die bei ihr einkaufen, zeigen, dass die Mode aus zweiter Hand für jede Person und jeden Anlass passend ist. „Es ist einzigartig, nachhaltig und fürsorglich“, sagt sie. „Ich will nicht, dass andere für meine Kleidung leiden.“

Nachhaltigkeit ist mehr als Ökologie

Wie man in München ökologisch und sozial einkauft, darauf möchte auch Max Zeidler von Stattreisen aufmerksam machen. „München wird besser – ein öko-sozialer Spaziergang“ heißt seine etwas andere Stadtführung. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die elf Bauernmärkte, die es in München gibt. „80 Prozent von dem, was verkauft wird, muss selbst hergestellt sein.“

Für Zeidler bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur ökologische Nachhaltigkeit. Er stellt ein Dreiecksmodell vor: Ökologie, Ökonomie und Soziales. „Wir können nur in Balance kommen, wenn wir Ökologisches mit Sozialem verbinden – und an das Ökonomische denken.“ Nachhaltigkeit bedeutet also auch soziale Teilhabe.

Inklusive Kunstausstellung: Hier dürfen Bilder angefasst werden

Diesen Gedanken verfolgt die Galerie Bezirk Oberbayern im Stadtteil Altstadt-Lehel. Derzeit die Ausstellung „We Are Plants“ mit Werken von Katrin Bittl und Reiner Heidorn zu sehen.

Die Ausstellung „We Are Plants“ in der Galerie Bezirk Oberbayern vereint Werke von Katrin Bittl und Reiner Heidorn.
Die Ausstellung „We Are Plants“ in der Galerie Bezirk Oberbayern vereint Werke von Katrin Bittl und Reiner Heidorn. Foto: Bezirk Oberbayern

Wer die Galerie betritt, sieht sich Heidorns großformatigen Bildern in Grüntönen gegenüber. Ein Teil der bemalten Leinwände ist sinnlich erlebbar. Besucherinnen und Besucher dürfen ihre Hände über die Bilder gleiten lassen und den Pinselstrichen nachspüren.

„In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“, fragen sich Bittl und Heidorn. Das Thema Pflanzen verbindet sie. Als Künstlerin mit Behinderung thematisiert Bittl ihren eigenen Körper auch in Videos und Installationen. Sie verortet ihn bewusst in der Pflanzenwelt und stellt Rollenzuschreibungen infrage.

Der inklusive Gedanke zieht sich durch das Programm der Ausstellung. Es gibt Tastführungen, Führungen in leicht verständlicher Sprache. Texte werden auch in Braille-Schrift zur Verfügung gestellt und Gesprochenes in einem Video in Gebärdensprache übersetzt. Noch bis 16. Februar ist die Ausstellung zu sehen.

Eine „wunderbare Art und Weise“, die Stadt zu entdecken

Auf nachhaltige Art und Weise kann man München mit der Rikscha erkunden. Touren kann man auf der Plattform Rikschaguide buchen.
Auf nachhaltige Art und Weise kann man München mit der Rikscha erkunden. Foto: Rikschaguide.com

Wer in München unterwegs ist, hat mehrere Möglichkeiten, nachhaltig von A nach B zu kommen. Eine Option ist die Fahrt mit der Rikscha.

2017 hat Falk Hilber Rikschaguide, eine Vermittlungsplattform für Touren und Events mit dem Fahrradtaxi, gegründet. Mittlerweile haben die meisten Fahrzeuge einen elektronischen Antrieb.

Speziell ausgebildete Fahrerinnen und Fahrer kann man für Stadtführungen buchen, wie etwa eine Tour durch den Englischen Garten oder die Münchner Altstadt. „Es ist eine wunderbare Art und Weise, die Stadt zu entdecken“, sagt Hilber.

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