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Corona-Lage in Karlsruhe

Gesundheitsamt Karlsruhe fordert Unterstützung der Bundeswehr an

„Wir können nicht warten, bis wir die 35 reißen,“ sagt Landrat Christoph Schnaudigel - das Gesundheitsamt wird wegen schnell steigender Infektionszahlen daher Soldaten um Unterstützung bitten.

31.07.2020 Reportage aus dem neuen Gesundheitsamt in der Wolfartsweierer Straße Karlsruhe. So sieht es aus, das erwartete die Bürger, hier können Gutachten oder Untersuchungen gemacht werden. Rundgang und Blick hinter die Kulissen.
Angesichts steigender Infektionszahlen steht das Gesindheitsamt Karlsruhe unter Druck. Foto: Rake Hora

Die Prognose für den Stadt- und Landkreis Karlsruhe zeichnet ein ernstes Bild. Steigen die Corona-Fallzahlen weiter wie in den vergangenen Tagen an, ist der Warnwert von 35 Infizierten pro 100.000 Einwohner bereits in weniger als einer Woche erreicht. Die Zahlen statistisch zu verfolgen, sei inzwischen Routine, sagt Landrat Christoph Schnaudigel. Wie sich diese jedoch auf die Arbeit des Gesundheitsamtes auswirken, stünde auf einem anderen Blatt. Daher befürworte er auch neue Regelungen, wie etwa die Maskenpflicht im Schulunterricht.

Die Stadt Karlsruhe liegt derzeit (Stand Freitag, 16. Oktober) bei einer 7-Tage-Inzidenz von 23,4, der Wert im Landkreis liegt mit 20,2 etwas darunter. „Wir können nicht warten, bis wir die 35 reißen, und dann erst reagieren“, sagt Schnaudigel bei der Pressekonferenz am Freitag.

Je stärker die Infektionen steigen, desto mehr steigt auch die Arbeit des Gesundheitsamtes.
Christoph Schnaudigel / Landrat des Kreises Karlsruhe

Bis entsprechenden Regelungen, die das Geschehen eindämmen sollen, umgesetzt sind, brauche es zwei bis drei Tage Vorlaufzeit. „Je stärker die Infektionen steigen, desto mehr steigt auch die Arbeit des Gesundheitsamtes“, so Schnaudigel.

Die Belastung im Stadt- und Landkreis Karlsruhe steigt an: Über den Sachstand zu Corona informierten am Freitag Ulrich Wagner (von links), Peter Friebel, Christoph Schnaudigel und Knut Bühler.
Die Belastung im Stadt- und Landkreis Karlsruhe steigt an: Über den Sachstand zu Corona informierten am Freitag Ulrich Wagner (von links), Peter Friebel, Christoph Schnaudigel und Knut Bühler. Foto: Christian Bodamer

Über 1.300 Kontakte verfolgte das Gesundheitsamt alleine in der vergangenen Woche. Im Sommer waren es lediglich zwischen 300 und 400. Der Landkreis rechnet damit, dass sich dieser Wert auf 2.000 und mehr Anrufe und Nachverfolgungen erhöhen wird. „Wir sprechen hier von einer gewaltigen Herausforderung für Gesundheitsamt“, betont Schnaudigel.

Gesundheitsamt hat personell enorm aufgerüstet

Mit Blick auf den anstehenden Herbst habe man bereits zu Beginn der Pandemie das Personal gestärkt, erklärt Peter Friebel, Leiter des Gesundheitsamtes. „Denn bis alle Stellen aufgefüllt sind, dauert das“, sagt er. Außerdem hätte man nicht Unmengen von Menschen heranführen können, die dann bei einer niedrigen Infektionslage nicht ausgelastet seien.

An manchen Gutachten hängt beispielsweise die Rentenzahlung eines Menschen.
Peter Friebel / Leiter des Gesundheitsamtes Karlsruhe

Das Sachgebiet Covid besteht aus rund 80 Mitarbeitern, davon sind 40 Stellen neu hinzugekommen. Diese seien fast alle besetzt, so Friebel. „Das ist eine Basis, mit der wir glauben, den Andrang zu bewältigen.“ Zum Vergleich: Vor der Pandemie zählte das Gesundheitsamt insgesamt 120 Personen.

Mit dem heutigen Personal könne man neben den Corona-Themen auch noch andere zwingende Dienstaufgaben erledigen. Im Frühjahr mussten diese ausgesetzt werden. Das wolle man im Herbst verhindern, so Friebel. „An manchen Gutachten hängt beispielsweise die Rentenzahlung eines Menschen.“

Landkreis Karlsruhe fordert Unterstützung durch Bundeswehr an

Das Gesundheitsamt zieht aufgrund der steigenden Fallzahlen erneut Mitarbeiter der Verwaltung aus Stadt- und Landkreis Karlsruhe in die Teams hinzu. Auch auf Unterstützung durch die Bundeswehr hofft man: Hierzu forderte der Landkreis zehn Soldaten an, auf die Entscheidung des Bundes wartet man noch. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir weiteres Personal brauchen“, vermutet Friebel.

Das Vorhaben, das Gesundheitsamt mit mehr Mitarbeitern für die Situation zu wappnen, stoße aber irgendwann an seine Grenzen. „Diese müssen sich untereinander vernetzen und austauschen, um die komplexen Nachverfolgungen von Kontakten zu bewerkstelligen“, erklärt Friebel. „Das funktioniert ab einer bestimmten Größenordnung nicht mehr.“

Ich mache mir ernsthaft Sorgen um mein Team.
Peter Friebel / Leiter des Gesundheitsamtes Karlsruhe

Sorgen bereiten Friebel aber nicht nur die steigenden Fallzahlen: „Ich mache mir ernsthaft Sorgen um mein Team.“ Er beobachte einen großen Druck aufgrund der Auslastung und ein erhebliches Maß an Erschöpfung.

400 bis 500 Personen pro Tag kontaktiert das Gesundheitsamt, sagt Ulrich Wagner, stellvertretender Leiter und Zuständiger für das Covid-Sachgebiet. Um die reinen Fakten abzuklären, würden wenige Minuten ausreichen. Meistens dauern die Anrufe aber wesentlich länger, erklärt er. „Die Menschen haben viele Fragen und Sorgen.“

Die Maskenpflicht in Schulen ist für Wagner ein sinnvolles Instrument, um die Zahl an Kontaktpersonen und damit auch die Belastung des Gesundheitsamtes zu minimieren. „Das ist eine längst überfällige Entscheidung“, sagt er. Seit September waren etwa 35 Schulen von Corona betroffen. „An der darauf folgenden Quarantäne hängt sehr viel mehr“, so Wagner. Ein Kind, das nicht in die Schule dürfe, müsse wiederum zuhause betreut werden. Das hat Auswirkungen auf die meist berufstätigen Eltern.

Weihnachtsmärkte sind nur eingeschränkt denkbar

Bislang müsse man bei einem positiv getesteten Corona-Fall die ganze Klasse und Lehrer in Quarantäne schicken. Mit der Maskenpflicht werde das nicht mehr die Regel sein. In Folge gibt es weniger Kontaktpersonen nachzuverfolgen und Schulunterricht wird stabiler.

Auch zur Diskussion um mögliche Weihnachtsmärkte positioniert sich Wagner deutlich: „Aus infektiologischer Sicht können wir die derzeitige Lage nicht in Einklang bringen mit dem Bild eines Weihnachtsmarktes, wie wir ihn kennen.“ Kunsthandwerkliche Stände, organisiert wie ein Wochenmarkt, seien denkbar. „Aber kein Mensch kann Glühwein trinken, ohne die Maske abzusetzen.“

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