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Kaputte Reifen und Stau

Protest der Letzten Generation in Karlsruhe: Autofahrer überrollt Hand von Aktivistin

Die Klebeaktion der Letzten Generation am Freitagabend ist nicht der erste Auftritt der Aktivisten in Karlsruhe. Dieses Mal kam es zu einem Zwischenfall.

14.07.2023 Sitzblockade auf der Kriegsstraße/ECE-Center. Letzte Generation
Drei Aktivisten blockieren die Fahrbahn der Kriegsstraße. Der Mann in der Mitte klebt nicht fest, um, wie er sagte, im Notfall die Fahrbahn freigeben zu können. Foto: Rake Hora

„Macht weiter so!“, rufen die einen, „Scheiß-Kleber“ und noch deutlich derbere Kraftausdrücke die anderen. Die Aktion der „Letzten Generation“ auf der Kriegsstraße in Karlsruhe löst am Freitagabend unterschiedliche Reaktionen bei Passanten und vom kleinen Stau betroffenen Verkehrsteilnehmern aus.

Eine Stunde lang kleben zwei Aktivisten mit ihren Händen auf der Fahrbahn fest, ein dritter, normal sitzend, muss nach einem Platzverweis vorzeitig die Innenstadt verlassen.

Einen Zwischenfall gibt es. Bevor die Polizei die Durchfahrt in Höhe des Ettlinger Tor Centers in Richtung Westen sperrt, umfahren die Autos den Ort der Protestaktion rechts über den Radweg.

Dort ist genügend Platz, um weder die Aktivisten noch die stehen bleibenden Fußgänger zu gefährden. Dennoch gerät die festgeklebte Hand einer jungen Frau unter den linken Vorderreifen eines Autos. Auf ihrer Hand und auf einem Teil ihres Unterarms sind später Reifenspuren zu sehen.

14.07.2023 Sitzblockade auf der Kriegsstraße/ECE-Center. Letzte Generation
Mit einer Spachtel befreit ein Polizist die Hand eines Aktivisten. Foto: Rake Hora

Große Schmerzen spüre sie nicht, sagt die Anfang 20-Jährige aus der Nähe von Karlsruhe. Allerdings merke sie schon, dass ein Auto über ihre Hand gerollt sei. Zudem habe die Autoseite auch ihren Kopf gestreift.

„Letzte Generation“ mit Masken von Olaf Scholz, Robert Habeck und Volker Wissing

Die Klimakleber, versteckt hinter Papiermasken von Olaf Scholz, Robert Habeck und Volker Wissing, protestieren, weil sie der Bundesregierung Rechtsbruch in Sachen Klimaschutz vorwerfen. Protest sei nur wirksam, wenn er von ziviler Ungehorsamkeit begleitet werde. „Anders wird es nicht funktionieren“, sagt einer der Aktivisten.

Immer mehr Menschen bleiben am Ort des Geschehens stehen. Manche von ihnen sind geladen, weil sie die Art des Protestes nicht nachvollziehen können.

Ein älterer Mann zieht den Aktivisten die Masken vom Kopf und beleidigt eine vorbeilaufende Frau, die ihn maßregelt. Die Polizei ist zunächst nur mit einer Beamtin und einem Beamten im Einsatz. Dann kommt Verstärkung, auch ein Rettungswagen ist bald da.

Sitzblockade auf der Kriegsstraße/ECE-Center
Das bleibt nach dem Entfernen der Hand. Foto: Rake Hora

Es dauert etwa eine Stunde, dann hat ein Polizist die erste Hand mit spezieller Flüssigkeit, Spachtel und Kordel von der Straße entfernt.

Freiwillig weichen will der befreite Mann aber dennoch nicht, sodass ihn zwei Beamte kurzerhand von der Straße auf den Gehweg schleifen müssen. Der Einsatzleiter kündigte vorher an, dass die Aktivisten die Kosten für den Einsatz selbst tragen müssen.

Sitzblockade auf der Kriegsstraße/ECE-Center
Auch als die Hand nicht mehr auf der Straße klebt, will der Aktivist nicht weichen. Zwei Polizisten schleifen ihn auf den Gehweg. Foto: Rake Hora

Bereits im März blockierte die „Letzte Generation“ ebenfalls eine Kreuzung in der Karlsruher Innenstadt. Im Mai stoppte die Bundespolizei eine Aktion der „Letzten Generation“ am Bundesverfassungsgericht.

Schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag machten Klimaaktivisten auf sich aufmerksam. Rund um den Gutenbergplatz in der Weststadt ließen sie die Luft aus 26 geparkten Fahrzeugen.

Sie fokussierten sich dabei auf hochwertige SUV, wie das Karlsruher Polizeipräsidium am Freitag mitteilte. Insgesamt seien Fahrzeuge in sechs, sieben Straßen betroffen gewesen.

Die Unbekannten hinterließen demnach an einigen Fahrzeugen Flugzettel, auf denen auf die Klimaerwärmung Bezug genommen wird. Um die Luft aus den Reifen zu lassen, manipulierten die Unbekannten die Ventile.

Klimaaktivisten lassen Luft aus Reifen von SUV in Karlsruhe: Kriminalpolizei ermittelt

Die Kriminalpolizei ermittelt. Zeugen und weitere Geschädigte werden gebeten, sich unter der Telefonnummer (07 21) 6 66 55 55 zu melden.

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art in Karlsruhe in diesem Jahr. Im März hatten Klimaaktivisten die Luft aus den Reifen von 24 Autos gelassen. Damals ging auch ein Bekennerschreiben bei den BNN ein.

Demzufolge sehen sich die namentlich nicht in Erscheinung tretenden Aktivisten als Teil der Gruppe „The Tyre Extinguishers“ (Die Reifenlöscher). Diese ließ schon mehrfach in Europa und den USA Luft aus Autoreifen. In Deutschland hatte es zuvor unter anderem in Hamburg, Berlin und Bonn Vorfälle gegeben.

 

„Dies war die erste Aktion in Karlsruhe“, hieß es in der E-Mail an die Redaktion damals. Gesendet wurde sie von einem „Stadtpanzer Karlsruhe“ genannten Verteiler. „SUVs verursachen unnötige Luxusemissionen, sind reine Prestigeobjekte, welche die Klimakatastrophe anheizen, Luftverschmutzung verursachen und unsere Straßen gefährlicher machen”, stand in der Stellungnahme. 

Täter vom März sind noch nicht ermittelt

Die Gruppe forderte zudem ein „Verbot von SUVs in städtischen Gebieten und höhere emissionsabhängige Abgaben, um SUVs aus dem Verkehr zu ziehen“. Zudem wollen sie „massive Investitionen in einen kostenlosen, umfassenden öffentlichen Nahverkehr“ sehen. Bis Politiker dies in die Tat umsetzen, werde die „Tyre Extinguishers“ ihre Aktionen fortsetzen. 

Ob es im aktuellen Fall einen Zusammenhang mit der Aktion im März gibt, ist Gegenstand der Ermittlungen. Polizeisprecher Dennis Krull sagte auf Anfrage dieser Redaktion, dass man noch nicht wisse, ob eine Gruppierung für die neuerliche Tat verantwortlich ist – und wenn ja, welche. Der Polizei liege ein Schreiben „mit einem Klimabezug“ vor.

Wir gleichen die Fälle ab.
Dennis Krull
Polizeisprecher

Die Polizei konnte den oder die Täter bei den Vorfällen im März bislang nicht ermitteln. „Wir beziehen die Ereignisse im Frühjahr jedoch bei den aktuellen Ermittlungen ein und gleichen die Fälle ab, um hieraus mögliche weitere Ermittlungsansätze zu gewinnen“, sagte Polizeisprecher Dennis Krull dieser Redaktion.

Bei den Taten handele es sich zwar „lediglich“ um Sachbeschädigung. Aber da ein politischer Hintergrund nicht auszuschließen sei, habe die Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen.

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