Um Skifahrer für die Wintersaison fit zu machen und dadurch Verletzungen auf der Piste vorzubeugen, schlug der Bayerische Rundfunk 1977 einen neuen Weg ein. Bei der Fernsehsendung Tele-Ski gaben weltbekannte Wintersportler wie Franz Klammer, Hansi Hinterseer oder Rosi Mittemaier Tipps für das zielgerichtete Training der Oberschenkelmuskulatur. Vor allem bei der zweiminütigen Simulation einer Abfahrt kamen die Hobby-Skiläufer auch im heimischen Wohnzimmer vor dem Fernseher ins Schwitzen.
Große Sportvereine bieten Online-Kurse an
Seine Mitglieder vor dem Bildschirm zum Schwitzen bringen, ist auch das Ziel des Polizeisportvereins Karlsruhe (PSV) während des November-Lockdowns in der Corona-Krise. Montags und freitags gibt es etwa auf der Videokonferenz-Plattform „Zoom“ Kurse im schweißtreibenden lateinamerikanischen Tanz, außerdem können auf der Homepage noch zahlreiche Videos mit Trainingsübungen für zu Hause angeschaut werden.
„Unsere Übungsleiter haben das ja schon im März gemacht und deshalb ging es dieses Mal sehr schnell“, sagt PSV-Geschäftsführer Attila Horvat. Virtuelle Trainingseinheiten seien derzeit schließlich fast der einzige Weg, um den Mitgliedern etwas Anleitung beim Sporttreiben zu bieten.
Bewegungspäckchen als Ersatz fürs Eltern-Kind-Turnen
Auch andere große Mehrspartenvereine halten ihre Mitglieder während des zweiten Lockdowns mit Online-Kursen und selbst produzierten Trainingsvideos in Bewegung und bei Laune. Der SSC bietet virtuelle Übungseinheiten an und hat einen Youtube-Kanal mit Fitnesstipps eingerichtet. Außerdem können Anleitungen für die Wirbelsäulengymnastik von der Homepage kostenfrei heruntergeladen und zum Nachturnen ausgedruckt werden.
Der PS Karlsruhe hat auch die kleinsten Mitglieder im Blick. Als Ersatz fürs Eltern-Kind-Turnen wird jeden Montag ein so genanntes Bewegungspäckchen mit Krabbelspielen fürs Wohnzimmer geschnürt. Als besonderes Schmankerl haben die Übungsleiter noch ein Stadtspiel mit Bewegungsspielen an verschiedenen Stationen in Rüppurr konzipiert.
„Diese Rallyes werden super angenommen. So langsam kommen wir mit dem Produzieren der Übungen nicht mehr hinterher“, freut sich PSK-Geschäftsführer Felix Banz über die positive Resonanz auf das interaktive Angebot Außerdem machten die Jugendbetreuer in den einzelnen Abteilungen noch eigene Angebote und hielten ihre Schützlinge mit Aufrufen in sozialen Netzwerken wie Whatsapp zusammen.
„Wir müssen die Leute in Bewegung halten“
„Wir müssen die Leute irgendwie in Bewegung halten. Aber das ist beim zweiten Lockdown nicht einfach“, weiß Banz. Denn während nach dem Beginn der Corona-Krise im März die Tage länger wurden und die wärmere Witterung den Sport im Freien begünstigte, verhält es sich dieses Mal umgekehrt. „Die Weihnachtszeit wird komplett ohne Sport ewig lang“, sagt Banz. Vor allem Kinder und Jugendliche könnten unter dem Mangel an Bewegung leiden.
Eine Stunde Sport in der Woche ist besser als gar nichts.Felix Banz, Geschäftsführer PS Karlsruhe
Deshalb plädiert der PSK-Geschäftsführer für eine schnelle Wiederöffnung der Sportanlagen im Dezember. Die Vereine hätten schließlich bereits im Frühjahr bewiesen, dass Sport in Kleingruppen ohne größeres Ansteckungsrisiko möglich sei. „Geschulte Übungsleiter kriegen das problemlos hin“, sagt Banz. „Und eine Stunde Sport in der Woche ist besser als gar nichts.“
Sitzzeiten vor den Bildschirmen nehmen zu
Unterstützung erhalten die Sportvereine von Alexander Woll. „Es ist zu befürchten, dass es im Winter eine Inaktivitätspandemie kommt“, sagt der Leiter des Instituts für Sport und Sportwissenschaft am KIT. Laut einer wissenschaftlichen Studie birgt der zweite Lockdown vor allem für Kinder aus den innerstädtischen Wohngebieten das Risiko von zu wenig Bewegung.
„Meistens nehmen gleichzeitig auch die Sitzzeiten vor den Bildschirmen zu“, so Woll. Während des Frühjahrs hätte dieser Trend noch abgefedert werden. Teilweise hätten sich Kinder während des ersten Lockdowns sogar mehr bewegt als üblich.
Angst vor Mitgliederschwund
Wird die gesetzlich verordnete Schließung der Hallen verlängert, droht den Sportvereinen zudem ein Mitgliederschwund. „Wir haben durch den ersten Lockdown schon zehn Prozent der Mitglieder verloren“, sagt Horvat. Vor allem Nutzer des Fitnessstudios und die Teilnehmer der Kampfsportkurse hätten von dem Kündigungsrecht zum Quartals- oder Jahresende Gebrauch gemacht. „Die Leute suchen sich dann eine andere Betätigung“, so Horvat. „Und nicht alle, die jetzt Radfahren oder Joggen, werden wieder zu ihrem Sportverein zurückkehren.“