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160 Restaurants in Karlsruhe machen mit

So funktioniert das Geschäftsmodell von Lieferando

Als sie wegen Corona ihre Restaurants schließen mussten, wandten sich tausende Gastronomen hilfesuchend an Lieferando. Der Dienst hat in Deutschland eine Monopolstellung. Dabei ist das Ausfahren von Speisen gar nicht Lieferandos Kerngeschäft.

Der Fahrer eines Lieferdienstes wartet vor einem Restaurant im Zentrum der Stadt.
Ungefähr 100 eigene Fahrer beschäftigt Lieferando in Karlsruhe. Dazu kommen zahlreiche Zusteller, die bei Restaurants direkt angestellt sind. Foto: Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/dpa

Ob foodora.de, lieferheld.de oder pizza.de: Viele Wege führen zu Lieferando. Der niederländische Konzern Takeaway.com hat sie längst alle geschluckt. Mit deliveroo hat vor einem Jahr der letzte Konkurrent sein Deutschland-Geschäft aufgegeben. Seither fahren auch in Karlsruhe nur noch orange-leuchtende Liefer-Radler durch die Straßen – neben den Austrägern einzelner Restaurants, die bei den Betrieben selbst angestellt sind.

Ungefähr 160 Restaurants aus Karlsruhe sind bei Lieferando gelistet. Seit Juli 2018 ist der Dienst mit eigenen Fahrern in der Fächerstadt vertreten, erklärt Managing Director Katharina Hauke. Wie viele Bestellungen in Karlsruhe täglich getätigt werden, kann sie nicht sagen. „Karlsruhe ist aber nicht anders als andere Städte”, sagt Hauke. Und meint damit: Das Geschäft wächst.

Mehr Bestellungen und neue Restaurant-Partner durch Corona-Lockdown

Die Corona-Pandemie hatte zunächst kurzzeitig zu einem Einbruch der Bestellungen geführt. Dann aber wendete sich das Blatt: Im April und Mai gab es 48 Prozent mehr Bestellungen als im gleichen Zeitraum 2019. „Deutschlandweit haben sich tausende Restaurants neu bei uns gemeldet, weil Liefern die einzige Chance war, das Geschäft aufrechtzuerhalten”, erzählt Hauke.

Auch nach den Lockerungen der Corona-Regeln und der Wiedereröffnung der Restaurants sei die Anzahl der Bestellungen „nicht so stark zurückgegangen, wie man vielleicht annimmt.” Das liege zum Beispiel daran, dass Gastronomen noch nicht alle Tische belegen und daher noch nicht die volle Auslastung fahren können.

„Wir wissen nicht, ob und wann eine zweite Welle kommt”, sagt Katharina Hauke. „Da ist es auf jeden Fall vernünftig, das Liefergeschäft aufrecht zu erhalten.”

Lieferando verkauft eigentlich kaum Lieferungen

Dabei ist das Liefergeschäft gar nicht Lieferandos Kerntätigkeit – obwohl man in Städten wie Karlsruhe scheinbar mit jedem Wimpernschlag irgendwo einen orangenen Radler vorbeirasen sieht. Was der Mutterkonzern „Just Eat Takeaway” eigentlich verkauft, ist Sichtbarkeit. Und die ist für Restaurantbetreiber zunächst einmal kostenlos.

„Grundsätzlich zahlt das Partner-Unternehmen nichts, bis eine Bestellung reinkommt”, stellt Managing Director Hauke klar. Lieferando zeige dem Kunden alle teilnehmenden Gastronomen gleichberechtigt an. „Dann geht es darum, durch gute Bewertungen der Konsumenten immer neue Bestellungen zu generieren.”

Schickt der Gastronom das bestellte Essen mit eigenem Personal zum Kunden nach Hause, zahlt er an Lieferando eine Provision von 13 Prozent. Greift er auf die Lieferando-Fahrer zurück, kostet es ihn 30 Prozent. Gastronomen und Branchen-Experten aus Karlsruhe kritisieren, dass kein Restaurantbetreiber diese Abgabe kostendeckend erwirtschaften kann.

Vielleicht nutzen auch deswegen deutschlandweit nur zehn Prozent der Restaurants den Lieferando-Lieferdienst. Die anderen 90 Prozent beschäftigen eigene Fahrer. „Unser Fokus liegt durchaus auf diesen sogenannten Marktplatz-Restaurants”, erklärt Katharina Hauke. „Weil wir dadurch ein größeres Angebot für den hungrigen Konsumenten bieten können.”

Lieferando liefert nur, wo es sich lohnt

Insbesondere in Kleinstädten oder auf dem Land würde es sich für Lieferando schlicht nicht lohnen, einen eigenen Fuhrpark zu unterhalten und Personal zu bezahlen. In Großstädten, wo zahlreiche Bestellungen zu erwarten sind, befördert Lieferando die Einnahmen gerne mit eigenen Fahrern. Auf dem Land hingegen lässt man die Gastronomen die Lieferung selbst organisieren.

„Dadurch erreichen wir 95 Prozent der Deutschen”, betont Hauke nicht ohne Stolz. Obwohl es ausschließlich die Betriebe selbst sind, die ihre Kunden erreichen. Der Unterschied zu früher: Während die Dorfpizzeria Bestellungen damals kostenlos per Telefon entgegennahm, erhält sie sie heute aus dem kleinen schwarzen Kästchen, das die Lieferando-Aufträge ausspuckt. Und das für 13 Prozent der Bonsumme.

Tatsächlich können sogar Einwohner von kleinen oder abgelegenen Orten in der BNN-Region bei Lieferando bestellen. Liefernde Restaurants werden beispielsweise gelistet in Forbach (ein Restaurant), Bad Herrenalb-Rotensol (2), Dobel (3), Zaisenhausen (7), Rheinmünster-Greffern (9) und Bühl-Neusatzeck (12). Die Gemeinde Mulfingen im Hohenlohekreis hingegen ist ein Beispiel für einen Ort, dessen Einwohner gänzlich ohne Lieferando auskommen müssen.

Ganz anders ist die Lage in Karlsruhe, wo Lieferando rund 100 eigene Fahrer beschäftigt. Sie sind regulär angestellt und verdienen im Schnitt 10,50 Euro pro Stunde, plus Bonus für jede ausgelieferte Bestellung. Sie seien außerdem versichert und bekämen im Urlaub und bei Krankheit Lohnfortzahlung, betont Katharina Hauke. Sie muss das so betonen, weil Mitbewerber in der Vergangenheit mit deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen negative Schlagzeilen gemacht haben.

Bekommen Lieferando-Fahrer zu wenig (Trink-)Geld?

Allerdings stand auch Lieferando in den vergangenen Monaten in der Kritik. Einem bento-Bericht zufolge hätten etliche Fahrer in Deutschland mehrere Wochen auf ihr Trinkgeld oder den Lohn warten müssen, Abrechnungen sollen zum Teil falsch oder unvollständig gewesen sein. Aus Karlsruhe sind Katharina Hauke keine derartigen Fälle bekannt. „Jede Gehaltsabrechnung ist korrekt”, sagt sie. „Wo Fehler passieren, kann sich wie in jedem Unternehmen jeder Mitarbeiter beschweren und nachfragen.”

Das gilt freilich nur für die Fahrer, die bei Lieferando direkt angestellt sind. Alle anderen bekommen ihr Geld von den Restaurants, für die sie arbeiten. Hier gibt es keine einheitlichen Konditionen und auch keine einheitliche Ausstattung. Manche Auslieferer nutzen ihre privaten Fahrzeuge. Restaurantbetreiber können die typisch orangenen Pedelecs, Rucksäcke und Klamotten aber auch bei Lieferando bestellen. Nicht jeder Fahrer, der wie ein Lieferando-Angestellter aussieht, ist also einer.

Typisch orange: Die auffälligen E-Bikes der Lieferando-Fahrer lagern im sogenannten „Hub“ in Karlsruhe-Mühlburg.
Typisch orange: Die auffälligen E-Bikes der Lieferando-Fahrer lagern im sogenannten „Hub“ in Karlsruhe-Mühlburg. Foto: Julia Weller

Das kann besonders beim Thema Trinkgeld problematisch werden: Seit der Corona-Pandemie haben Kunden die Möglichkeit, nach Erhalt ihrer Lieferung in der App digital ein Trinkgeld von fünf, zehn oder 15 Prozent zu geben. Bei jeder zehnten Bestellung würde die digitale Trinkgeldfunktion genutzt, so Katharina Hauke, die durchschnittliche Höhe liege bei zwei Euro.

Lieferando-eigene Fahrer bekommen die gesamte Summe direkt über ihre Lohnabrechnung. Bei Restaurants angestellte Fahrer müssen auf die Großzügigkeit ihrer Chefs hoffen. „Wir appellieren an die Partner-Restaurants, dass sie den Fahrern das Trinkgeld weitergeben”, sagt Katharina Hauke. Eine Garantie, dass sie es auch erhalten, gibt es nicht. Schon gar nicht, wenn Kunden nicht erkennen können, welche Art von Fahrer vor ihnen steht.

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