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„Fischer erhielt Bestechungslohn“

Sensation in Aserbaidschan-Affäre: Anklage gegen Karlsruher CDU-Politiker und weitere Angeschuldigte

Haben sich deutsche Politiker von einem ausländischen Regime bestechen lassen? Mehrere Jahre ermittelten Staatsanwälte unter anderem gegen den Karlsruher CDU-Politiker Axel E. Fischer. Jetzt haben sie Anklage erhoben.

Axel E. Fischer, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Karlsruhe, spricht im Jahr 2018 im Bundestag. Aserbaidschan-Affäre
Axel E. Fischer (Archivbild) war von 1998 bis 2021 Bundestagsabgeordneter im Landkreis Karlsruhe. Jetzt hat die Generalstaatsanwaltschaft München Anklage gegen ihn und weitere Angeschuldigte in der Aserbaidschan-Affäre erhoben. Foto: Michael Kappeler/dpa

Der Verdacht wiegt schwer: Haben sich deutsche Volksvertreter von einer ausländischen Macht schmieren lassen? Haben sie sich an Geschenken und Geldzuwendungen bereichert und im Gegenzug die Menschenrechtslage in einem Unrechtsregime beschönigt?

Mehrere Jahre ermittelten Staatsanwälte unter anderem gegen den Karlsruher CDU-Politiker Axel E. Fischer und den ehemaligen CSU-Staatssekretär Eduard Lintner. Die Generalstaatsanwaltschaft München, bei der die Verfahren zuletzt gebündelt wurden, sieht den Verdacht gegen die ehemaligen Bundestagsabgeordneten nun erhärtet und erhebt Anklage wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und der Bestechung von Mandatsträgern.

Diesen Bestechungslohn erhielt Axel E. Fischer laut Staatsanwalt

Die Anklageerhebung gleicht einer juristischen Sensation. Denn die Voraussetzungen für eine Strafverfolgung beim Thema Abgeordnetenbestechlichkeit sind vom Gesetzgeber, also dem Bundestag, sehr eng gesetzt. Zudem fällt ein Teil der Vorgänge, die als Aserbaidschan-Affäre bekannt wurden, in eine Zeit, in der nach deutschem Recht viele in Rede stehenden Sachverhalte noch gar nicht strafbar waren.

Die Aserbaidschan-Affäre erschütterte die Glaubwürdigkeit europäischer Politik viele Jahre.
Generalstaatsanwaltschaft München
Mitteilung zur Aserbaidschan-Affäre

Die Strafverfolgungsbehörde teilte am Montagvormittag in München mit: „Die Aserbaidschan-Affäre erschütterte die Glaubwürdigkeit europäischer Politik viele Jahre.“ Man könne nachweisen, dass Fischer Bestechungslohn erhalten habe. Andere Geldzuwendungen seien inzwischen verjährt.

Die Vorwürfe richten sich auch gegen Ex-Staatssekretär Eduard Lintner (CSU), der bis zu seinem Ausscheiden 2009 mehr als drei Jahrzehnte im Bundestag saß. In dem Verfahren geht es auch um die CDU-Politikerin Karin Strenz, die 2021 überraschend auf der Rückreise aus dem Urlaub gestorben war.

Alle drei Unionspolitiker hatten einst wichtige Rollen als deutsche Delegierte im Europarat.

Generalstaatsanwalt: Anklageschrift umfasst 160 Seiten

In einer am Montagvormittag vorgestellten schriftlichen Erklärung geht Klaus Ruhland, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München, auf die lange Verfahrensdauer ein: „Die Ermittlungen gestalteten sich, insbesondere aufgrund des konspirativen Vorgehens der Angeschuldigten, sehr komplex und zeitaufwendig. Es wurden unter anderem bundesweit rund 20 Objekte durchsucht, darunter Abgeordnetenbüros im Deutschen Bundestag, hierbei Schriftstücke und Speicherdaten in großem Umfang beschlagnahmt und vom Bundeskriminalamt ausgewertet.“

Hinzu seien eine Vielzahl von Durchsuchungen im Ausland gekommen. „Insgesamt wurden zirka 15 Europäische Ermittlungsanordnungen oder Rechtshilfeersuchen gestellt, so nach Zypern, Liechtenstein, Belgien, Estland, Lettland und Aserbaidschan sowie in die Schweiz und in die Türkei. Die Ermittlungsakten umfassen 46 Ordner, die Anklageschrift 160 Seiten.“

Der Sprecher erklärte mit Blick auf Fischer: „Er erhielt dafür im Jahr 2016 einen Bestechungslohn in Höhe von 21.800 Euro. Hinsichtlich weiterer Zahlungen in Höhe von 4.500 € im Jahr 2015 ist zwischenzeitlich das Strafverfolgungshindernis der Verjährung eingetreten.“ Dafür soll er im Europarat „nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans“ abgestimmt haben.

Fischers inzwischen verstorbene Fraktions- und Europaratskollegin Strenz soll „149.900 Euro als Bestechungsgeld“ erhalten und dafür „in den Jahren 2015 und 2016 zugunsten Aserbaidschans“ abgestimmt haben, so heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Aserbaidschan-Affäre: bnn.de berichtete zuerst über Abschluss des Verfahrens

BNN.de berichtete bereits vergangene Woche vorab von dem Abschluss des Verfahrens.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen insgesamt vier Beschuldigte abgeschlossen. Neben Fischer und Lintner sind zwei Personen betroffen, denen laut Staatsanwaltschaft „im Wesentlichen Beihilfe zu den vorgenannten Taten mit jeweils unterschiedlichen Tatbeiträgen vorgeworfen wird“. Den Angaben zufolge geht es unter anderem um „Kontaktaufnahme/Anbahnung bis zur Zahlungsabwicklung“.

Sie alle werden nun als Angeschuldigte geführt. Ob es zu einem Gerichtsverfahren kommt, ist noch unklar. Bis zu einer etwaigen Verurteilung gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.

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Axel E. Fischer wies die Vorwürfe der Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dieser Redaktion als „haltlos“ zurück und reagierte zudem mit einer persönlichen Erklärung.

Der CDU-Politiker aus Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe hatte in der Vergangenheit stets seine Unschuld betont und zuweilen von einer Kampagne gegen sich gesprochen.

Korruptionsexpertin spricht von „Paukenschlag“

Als eine der ersten Institutionen reagierte am Montag die Organisation „Transparency International“. Der Verein, der sich der weltweiten Korruptionsbekämpfung verschrieben hat, hatte die juristische Aufarbeitung der Aserbaidschan-Affäre mit ins Rollen gebracht. Am Anfang stand eine zunächst abschlägig beschiedene Strafanzeige gegen Lintner und Strenz im März 2019. Die Staatsanwaltschaft Rostock hatte damals noch entschieden, keine Ermittlungen einzuleiten.

Dazu erklärt Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Die Anklage ist ein Paukenschlag. Wir begrüßen, dass zu den Korruptionsvorwürfen in der Aserbaidschan-Affäre umfassend ermittelt und jetzt Anklage erhoben wurde. Seit den ersten Enthüllungen haben wir Justiz und Politik zur Aufklärung gedrängt.“

Herzog erinnerte zudem an die erfolglose Strafanzeige gegen Lintner und Strenz von 2019 und gab sich zurückhaltend: „Wir sind gespannt, ob es jetzt angesichts des löchrigen Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung zu einer Verurteilung kommt.“

„Deutschland muss sich besser gegen Gefahr durch Autokratien wappnen“

Die Nachricht von der Anklageerhebung verdeutliche einmal mehr, „dass Deutschland sich besser gegen die Gefahr der Einflussnahme durch autokratisch geführte Staaten mittels strategischer Korruption wappnen muss. Dazu gehört, dass die Lücken im Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung endlich geschlossen werden.“

Die Ampel-Koalition habe dies im Koalitionsvertrag versprochen und muss es nun zügig umsetzen. „Außerdem zeigt der Fall, wie umfangreich die Ermittlungsarbeiten bei komplexen internationalen Korruptionsfällen sind. Hierfür müssen die Strafverfolgungsbehörden deutlich besser ausgestattet und transnationale Ermittlungskooperationen gestärkt werden.“

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