Endspurt im Bundestag: Diese Woche standen noch einige Entscheidungen an, bevor das Parlament in die Sommerpause wechselt und in dieser Konstellation nicht mehr zusammen kommt.
Olav Gutting sitzt für den Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen seit fast 20 Jahren im Bundestag. War Corona die schwerste Herausforderung bisher? Und was hat es mit seinen Aserbaidschan-Kontakten auf sich?
Im Gespräch mit Christina Zäpfel zieht der CDU-Politiker Bilanz.
Seit Corona scheint alles anders. War die vergangene Legislaturperiode die schwierigste?
Olav GuttingDie letzten anderthalb Jahre waren schon eine Herausforderung. Das hat einiges durcheinander gewirbelt. Wir Abgeordnete sind auf die Rückkoppelung der Menschen vor Ort, die Begegnungen angewiesen. Das war schwierig. Nicht alle Bürgern haben Zugang zu digitalen Kanälen.
Über Monate dominierte nur ein Thema. Vom Parlament war nicht viel zu hören. Viele Entscheidungen wurden auf Länderebene getroffen oder in der Ministerpräsidenten-Runde. War das aus Ihrer Sicht richtig?
Olav GuttingIch glaube, es war in den ersten Monaten absolut richtig. Die Landesregierungen konnten agieren. Wir haben dann auch mehrmals nachgebessert beim Infektionsschutzgesetz, um die Leitplanken zu setzen. Und bei der Bundesnotbremse habe ich ja dann auch nicht zugestimmt.
Warum eigentlich?
Olav GuttingWeil mir die Maßnahmen zu übergriffig wurden. Und was wir nicht vergessen sollten, auch wenn in den Medien Corona die Hauptrolle gespielt hat, wir haben ja im Parlament normal weiter gearbeitet. Die Agenda aus dem Koalitionsvertrag, die wir uns vorgenommen hatten, wurde parallel weiter abgearbeitet.
Was waren für Sie die wichtigsten Projekte der vergangenen Legislatur?
Olav GuttingDa denke ich zum Beispiel an die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für über 90 Prozent der Bürger. An dem Thema habe ich über Jahre gearbeitet. Die vollständige Abschaffung findet sich in unserem neuen Wahlprogramm. Aber auch an den Rückgang der kalten Progression und steuerliche Verbesserungen für Familien. Viele haben da auf dem Lohnzettel eine Veränderung gemerkt.
Wie haben die Bürger in Ihrem Wahlkreis konkret profitiert?
Olav GuttingIch denke zum Beispiel an das Thema Digitalisierung und an den Breitband-Ausbau. Das hat die letzten Jahre viel Raum eingenommen. Hier spreche ich in Teilen von einem Marktversagen der kommerziellen Anbieter. Umso wichtiger ist es jetzt, dass wir den Kommunen mit sehr guten Fördermöglichkeiten helfen, auch abgelegenere Bereiche mit Glasfaser zu versorgen. Mir ist es gelungen, nennenswerte Mittel in den Wahlkreis zu lenken. Das summiert sich auf über zehn Millionen Euro in den vergangenen zwei bis drei Jahren.
Wie steht Ihr Wahlkreis nach der Krise da?
Olav GuttingWir hatten hier ja quasi Vollbeschäftigung. Aber die Krise hat sich im Bereich Gastronomie oder Kultur schon bemerkbar gemacht. Allerdings merkt man jetzt wieder, dass es anzieht. Es fehlen in vielen Branchen qualifizierte Arbeitskräfte. Das ist ein Zeichen dafür, dass es brummt. Wir erwarten einen spürbaren Wachstumsschwung. Wir haben den Vorteil, dass wir im Wahlkreis nicht an einem großen Arbeitgeber hängen, sondern dass wir eine gesunde mittelständische Struktur haben. Selbst wenn einer ausfällt - Beispiel Goodyear in Philippsburg - schaffen wir es dennoch, das aufzufangen. Wir haben eine bemerkenswerte Resilienz in der Region.
Corona hat den Fokus stärker auf die Schwachen gerichtet, Menschen, die vorher schon unter prekären Bedingungen gelebt haben ...
Olav GuttingDas beschäftigt mich unheimlich. Gerade bei Kindern und Jugendlichen wurden einige abgehängt. Dazu haben wir im Bund ein Zwei-Milliarden-Programm aufgelegt, um Versäumnisse zu kompensieren. Man muss aber dazu sagen, dass damit nicht alle Lücken geschlossen werden können und dass Bildungspolitik in erster Linie in der Hoheit der Länder liegt.
Der Sommer wird Wahlkampf-Zeit. Zuletzt standen Sie in der Kritik wegen ihres Aserbaidschan-Engagements. Warum überhaupt der Einsatz für dieses Land?
Olav GuttingIch war zwei Legislaturperioden lang Mitglied in der deutsch-südkaukasischen Parlamentariergruppe. Wir stehen im Bundestag mit allen Ländern der Welt im Austausch, auch mit Aserbaidschan. Es ist unsere Aufgabe, Kontakte zu pflegen und diese Länder in ihrer Entwicklung, soweit es geht, zu unterstützen. Einiges, wie etwa das Selfie mit dem aserbaidschanischen Staatschef 2014, wurden vom politischen Mitbewerber und Koalitionspartner ausgeschlachtet, aus dem Zusammenhang gerissen. Man spricht von „seltsamen Selfies - Mehrzahl - mit Diktatoren“. Das ist einfach nicht die Wahrheit. Das ist schon ein starkes Stück.
Immerhin waren Sie nicht der einzige innerhalb der Union mit teils fragwürdigem und ja auch justiziablem Einsatz für dieses Land. Gegen Ihren Kollegen Axel Fischer etwa ermittelt die Staatsanwaltschaft. In der Rückschau: Hätte man im Umfang nicht sensibler sein müssen?
Olav GuttingDa gibt es bei mir nichts Fragwürdiges. Wenn der politische Mitbewerber einen Satz, den ich über Aserbaidschan gesagt habe, immer wieder wider besseren Wissens aus dem Kontext reißt, dann ist das schlicht unterste Schublade. Es ist völlig normal, dass Abgeordnete internationale Beziehungen pflegen. Da können sich die Regionen auch mal ändern. Wenn da übliche Kontakte einfach per se in ein negatives Licht gerückt werden, dann schadet das Deutschland und der Politik insgesamt. Was Axel Fischer und den Europarat anbelangt, da läuft ein Ermittlungsverfahren, und so lange gilt die Unschuldsvermutung.
Wie gehen Sie damit im bevorstehenden Wahlkampf um? Ein Wahlkampf im Übrigen, der auch wieder in Teilen unter Corona-Bedingungen stattfinden wird.
Olav GuttingDer Wahlkampf läuft ohnehin jetzt schon viel stärker über Online-Medien. Die Kanäle, das reicht von Facebook über Instagram bis zu Abgeordnetenwatch haben sich vervielfältigt. Darauf muss man reagieren. Aber natürlich wird ein Teil auch „auf der Gass“ stattfinden. Das direkte Gespräch mit dem Bürger ist unersetzlich.