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Sommerrätsel 2022 - Auflösung 3

Die Firma Gebrüder Bruder exportierte ihre Jahrmarktorgel auf die Halbinsel Coney Island

Im dritten Teil des BNN-Sommerrätsels zum Thema „Geheimnisvolle Schätze“ ging es um eine Orgel aus dem Deutschen Musikautomaten-Museum im Bruchsaler Schloss. Der deutschstämmige Hotdog-Erfinder Charles Feltman kaufte sie für einen Vergnügungspark in den USA.

Jahrmarkt-Orgel mit Militärkapelle
Nach einem langen Ausflug in die USA kehrte die Jahrmarkt-Orgel mit Militärkapelle in das Herstellerland zurück. Jetzt erklingt sie nicht mehr auf Coney Island, sondern im Schloss Bruchsal. Foto: Badisches Landesmuseum/Th. Goldschmidt

Wie von Zauberhand setzt sich die im wilhelminischen Stil gewandete Militärkapelle in Marsch. Die Herren mit ihren rot-blauen Stoffuniformen und den exzessiven Schnurrbärten bewegen ihre behüteten Köpfe, ihre Augen, Arme und Hände. Der Dirigent der scheinbar lebendigen Kapelle gibt den Takt vor und das Konzert der 15 Puppen kann beginnen: Es ertönt der amerikanische Militärmarsch „The Stars and Stripes“.

„Achtung, es wird laut!“, sagt Andreas Seim. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutschen Musikautomaten-Museums im Bruchsaler Schloss übertreibt nicht. 90 Dezibel bringt die neobarock gestaltete automatische Orgel auf die Ohren. Damit liefert das Prachtstück aus dem Hause Gebrüder Bruder in Waldkirch einen Musikeffekt von annähernd 80 Musikern.

Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Freizeitparks und Jahrmärkte immer mehr in Mode – und mit ihnen die großen Konzertorgeln. Die spielten die beliebtesten Musikstücke der damaligen Zeit. Zu den mitreißenden Klängen vergnügte sich die einfache Bevölkerung, die sich die Karten für ein richtiges Konzert nicht leisten konnte. Kräftig wurde zu den „Karaoke-Maschinen“, die zu rund 80 Prozent aus Holz bestanden, mitgesungen.

Charles Feltman bot Erlebnisgastronomie mit Musik und Karussellen

Eine solche Attraktion schwebte auch dem deutschstämmigen Auswanderer Charles Feltman vor, der in New York den amerikanischen Traum lebte. Er führte auf der Vergnügungsmeile von Coney Island, einer zum Stadtteil Brooklyn gehörenden Halbinsel, ein XXL-Restaurant.

Der vermeintliche Erfinder des Hotdogs bot seinen Gästen „Erlebnisgastronomie“ mit Musik, Karussellen und Kegelbahn. Selbst der damalige US-Präsident William Howard Taft speiste bei Feldman einmal pro Woche.

Putte von Jahrmarktorgel
Vor den Schallöffnungen der Jahrmarktorgel aus dem Schwarzwald sitzen Putten. Foto: Konrad Stammschröer

In dieses Szenario passte eine voluminöse automatische Kapelle wie angegossen. So bestellte der gelernte Metzger im Jahre 1912 ein solches Prachtstück im Orgelbau-Mekka. Seine Holzfassade im weißgoldenen Stil des Neobarocks trägt Goldverzierungen und Blumendekor. Vor den Schallöffnungen sitzen zwei Putten.

Eine große Schmuckkartusche präsentiert das Firmenlogo: „Gebr. Bruder Waldkirch – Germany“. Die englische Bezeichnung zielte auf den internationalen Markt, den das Schwarzwaldstädtchen ja über lange Zeit bediente. „Die Musikanten fertigte vermutlich die Deutsche Automaten-Gesellschaft. Gegründet wurde sie vom Kölner Schokoladenfabrikanten Stollwerk, der den Süßigkeitenverkauf aus Automaten vorantrieb“, so der kürzlich verstorbene Karlsruher Technikhistoriker Herbert Jüttemann.

Orgel gegen Mehl: Die Schwarzwälder ließen sich mit Lebensmitteln bezahlen

28.000 Mark kostete das Prachtstück – soweit feststellbar ein Unikat. Die Hersteller lehnten jedoch vor Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg die Annahme von Geld ab. Vielmehr baten sie den Käufer um Mehl, das in der Kriegszeit immer knapper wurde. So gelangte Mehl im Wert von 11.000 US-Dollar in den Schwarzwald, berichtet Jüttemann.

Nach kurzer Blütezeit als Bestandteil eines Kinderkarussells auf Coney Island sank der Stern der wohl schönsten Jahrmarkt-Orgel, die je in Deutschland fabriziert wurde. Ständig wechselten die Besitzer, die Dekor-Figuren gingen verloren und auch von den 15 Musikanten-Androiden blieb nicht viel übrig.

Selbst die Faltkartons oder Notenbücher, die als Toninformationsträger dienten, ließen sich nicht mehr auffinden. „In der Kriegs- und Nachkriegszeit mochte es schwer gewesen sein, aus Deutschland Ersatzteile zu beschaffen“, blickt Jüttemann entschuldigend zurück.

1985 kam die Jahrmarktorgel nach Karlsruhe

Doch der Musikinstrumentensammler Jan Brauers aus Baden-Baden erlöste die kostbare Selection. Er vermittelte 1985 das lädierte Stück an das Badisches Landesmuseum in Karlsruhe, wo es aufwändig restauriert wurde.

Wolfgang Heck etwa, ein Hobbyrestaurator von Schwarzwalduhren, puzzelte die wenigen zerbrochenen Überreste zusammen und sorgte mit Ersatzteilen für die Wiedergeburt der unverzichtbaren kleinen Musikanten. Seit 20. Oktober 1989 steht die automatische Kapelle nun in voller Pracht und spielbereit im Deutschen Musikautomaten-Museum.

Die Mechanik muss regelmäßig in Gang gesetzt werden.
Andreas Seim, wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutschen Musikautomaten-Museums

Jede Aufsichtsperson ist so geschult, dass sie die Automaten vorführen kann. „Das ist auch Konzept der Restaurierungsmaßnahmen“, sagt Seim, „denn die Mechanik muss regelmäßig in Gang gesetzt werden.“ Das heißt: Wer ein Instrument hören will, darf die Musikführer im Bruchsaler Schloss ruhig ansprechen.

Lochkartenbücher
Viele Lochkartenbücher für die Jahrmarktorgel lagern in Bruchsal. Foto: Konrad Stammschröer

So bringt der Elektromotor ab und an auch die stattliche „Militär-Kapelle“ der ehemaligen Rummel-Sensation in Schwung. 426 Pfeifen in 23 Registern, ein Glockenspiel mit 22 Metallplatten und einem Schlagzeug mit Pauke, Trommel und Becken sowie 94 Schlaghölzchen (Claves) freuen sich darauf, nicht wieder einzustauben.

Das Repertoire der Violinisten, Posaunisten, Cellisten und Flötisten ist beachtlich. Im Lager des Museums schlummern etliche Lochkartenbücher ihrem nächsten Einsatz entgegen. Mehrere Hersteller produzierten neue Notenbücher für das einmalige Stück.

Abwechselnd können jetzt der „Einzug der Gladiatoren“ von Fucik, der Luna-Park-Marsch von Frei, die „Leichte Kavallerie“ von Suppé oder „In the good old summertime“ von Evans-Shields erklingen. Und natürlich der Marsch „The Stars and Stripes“, bei dem die Gedanken an die amerikanische Atlantikküste schweifen, nach Coney Island.

Das sind die Gewinnerinnen von Teil 3 des Sommerrätsels

Sophia Haag
Sophia Haag kann sich auf den Erlebnispark Tripsdrill freuen. Foto: privat

Sophia Haag und ihr Mann raten seit vielen Jahren begeistert mit. „Wir warten immer darauf, dass das Sommerrätsel wieder startet“, sagt die 66-Jährige.

Dass die beiden dieses Mal nicht nur die richtige Antwort wussten, sondern ihre Einsendung auch aus dem Lostopf gezogen wurde, freut Sophia Haag sehr. Der Hauptpreis der dritten Runde geht somit nach Philippsburg.

Die Haags können mit ihrer Familie nach Tripsdrill fahren. Der Gewinn beinhaltet neben dem Eintritt in den Erlebnispark im Landkreis Heilbronn auch eine Übernachtung für vier Personen in einem Schäferwagen im Natur-Resort Tripsdrill. Das ausgefallene Quartier wird vor allem den Enkeln gefallen, zumal es an das Wildparadies von Tripsdrill und seinen Streichelzoo angrenzt.

Ein besonderer Kaffeegenuss erwartet Ulla Mader aus Ottersweier. Sie hat den zweiten Preis bei der dritten Runde des BNN-Sommerrätsels gewonnen und erhält nun ein halbes Jahr lang einmal im Monat 250 Gramm Kaffee von Ettli. Jedes Mal wird sie eine andere Sorte probieren.

Den dritten Preis, das Baden-Paket aus dem BNN-Lesershop, bekommt Anneliese Burmester aus Karlsruhe. Es enthält das Buch „Badisch für Anfänger“, ein Baden-Memory und eine badische Flagge mit Wappen.

Das sind die Teilnahmebedingungen.

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