Sie schweigen wieder vor Gericht. Die beiden Brüder, heute 27 und 24 Jahre alt, die für ihre Gleisattacke von Waghäusel bereits verurteilt wurden. Doch waren sie bei der Tat womöglich in einer akuten Phase einer paranoiden Schizophrenie?
Hörten sie Stimmen? Waren sie in ihrer Steuerung eingeschränkt, als einer von ihnen einen wehrlosen Mann vor einen einfahrenden Güterzug stieß und der andere nicht einschritt? Das Opfer überlebte nur knapp.
Die grausame Tat ereignete sich im Sommer 2020 am Waghäuseler Bahnsteig. Seit gut einem Jahr sitzt einer der Angeklagten im Karlsruher Gefängnis. Ihm warf das Landgericht versuchten Mord vor und verurteilte ihn zu zehn Jahren Haft. Der andere erhielt eine Bewährungsstrafe von neun Monaten wegen unterlassener Hilfeleistung. Er lebt mittlerweile in Halle.
Mann in Waghäusel vor Zug gestoßen: Ablauf der Tat scheint im Prozess unstrittig
Nun trafen die Brüder an diesem Mittwoch vor einer anderen Schwurgerichtskammer unter Vorsitz des Richters Ralf Kraus erneut aufeinander. Der Bundesgerichtshof hatte den Revisionen der beiden in Teilen stattgegeben und das Landgericht beauftragt, besser zu prüfen, welche Rolle eine mögliche krankhafte seelische Störung bei der Tat gespielt hat.
Doch auch bei der Wiederauflage haben sich die beiden syrischen Brüder entschieden, keine Aussage zu machen. Das Gericht muss sich also auf Zeugen und Gutachter verlassen, um Licht in die Hintergründe der Tat zu bringen. Der Ablauf der Tat selbst gilt als weitgehend unstrittig.
Mit vier Geschwistern sind die Brüder in Syrien aufgewachsen. Während der mutmaßliche Haupttäter A. sein Abitur ablegte und studierte, wurde die schulische Laufbahn des Jüngeren durch den Bürgerkrieg abgebrochen. Die Familie lebt heute verstreut in der halben Welt. So schilderte es einer der Richter des ersten Prozesses am ersten Prozesstag der Neuauflage.
Opfer leidet nach Tat in Waghäusel unter Panikattacken
Nach ihrer Flucht durch halb Europa landeten die zwei schließlich mit einem bewilligten Asylantrag in einer Unterkunft in Oberhausen-Rheinhausen.
Für Mittwoch werden weitere Zeugenaussagen erwartet, unter anderem des Geschädigten Werner S. Der Karlsruher war schon vor der Tat schwerbehindert und hatte im ersten Prozess die schlimmen Folgen der Attacke geschildert. Sichtlich gezeichnet trug er einige Dinge vor, wirkte aber extrem labil und verließ am Ende unter Tränen den Gerichtssaal.
Nicht nur hatte er sich bei der Tat schwer verletzt, einen Krankenhauskeim eingefangen, sondern er litt noch Monate danach unter Alpträumen und Panikattacken. Bis heute wirkt die Tat nach. Nach dem gewaltsamen Stoß vor den Zug, klemmt sich Werner S. in eine 19. Zentimeter große Lücke zwischen Zug und Bahnsteig und konnte so überleben.