
Es gibt ihn mit getrüffelten Kartoffeln in der Variante „Berny“. Es gibt ihn mit Ananas- und Apfelsalat in der Version „Kalifornien“. Oder in der Spielart „Lucullus“ mit Gänselebermus. Und als schokoliertes Gebäck, gespickt mit gestiftelten Mandeln.
Darum geht es bei der fünften Frage des BNN-Sommerrätsel 2023 aber nicht, sondern um den berühmten „Rehrücken Baden-Baden“ mit gedünsteten Birnenhälften, gefüllt mit Johannisbeergelee oder Preiselbeeren, benannt nach dem weltbekannten Kur- und Bäderort.
Wen man in Baden-Baden auch fragt: Keiner kann sich daran erinnern, wer das Gericht kreiert und so getauft hat. Kein Wunder: Die Blütezeit des Klassikers aus der Badischen Küche, der nicht nur in Brenners Park-Hotel hoch im Kurs stand, liegt schon über 50 Jahre zurück. „Und viele der damaligen Küchenchefs sind nicht mehr unter uns“, so Hans Schindler, bis April Baden-Badener Dehoga-Vorsitzender.
Vermutlich entstand die Variante sogar schon Mitte des 19. Jahrhunderts, als Baden-Baden beliebtester Treffpunkt der Adligen, Reichen, Schönen und der Eliten aus Musik, Literatur, Wissenschaft und Kunst war. Die mondäne Sommerfrische an der Oos stand für Luxus, Opulenz und Glamour.
Sommerbock für die Sommerhauptstadt Baden-Baden
Eine üppige Speise war unabdingbar: „Und was passt da besser, als der Rücken eines Sommerbockes für die Sommerhauptstadt?“, so Romeo Brodmann vom „Pauli Magazin“ – einer digitalen Fachzeitung für Köche, Gastronomie und Hotellerie.
Der Rehrücken ist das längste durchgehende Fleischstück am ganzen Reh. Seine kurzen Fasern besorgen die besonders feine Fleischstruktur – frei von Sehnen und Bindehäuten. Deshalb nennen Experten den Rehrücken auch gerne die „Königsklasse des Rehfleisches“.
Mit Speck sollte das Fleisch des Rehrückens saftig bleiben
Ursprünglich wurde das edle Teil mit Speckstreifen gespickt, damit das magere Fleisch nicht trocken wurde. Da das Spicken jedoch die feinen Fleischfasern zerstört und zum Austreten von Feuchtigkeit führt, sind die Köche von dieser Praxis abgekommen. Manche belegen den Braten ersatzweise mit Speck- oder fettreichen Schinkenscheiben, was sich Bardieren nennt.
„Oft wird ein Rehrücken Baden-Baden rosa gebraten serviert. Das ist aber gar nicht möglich, wenn er nach alter Art zubereitet wird“, so Brodmann. Das Traditionsrezept sehe vor, das Fleisch mit der Crème Fraîche zu bestreichen und während des Bratens mit Bratensaft zu übergießen.
So entstehe eine glacierende Schicht auf dem Fleisch. „Nach diesem Prozedere ist das Fleisch durchgegart“, so Brodmann weiter. Durchgaren war im 19. Jahrhundert mit seinen beschränkten Kühlmöglichkeiten auch dringend angezeigt. Wildfleisch hing zum Reifen oft sehr lange ab und wurde nah an die Entwicklung zersetzender Bakterien herangeführt.
45 bis 60 Minuten gart der Romanheld Thomas Lieven seinen Rehrücken Baden-Baden. Das mag für einen mächtigen Hirsch oder einen Gaul angehen.Samuel Herzog
Gastro-Kolumnist
Der Autor Samuel Herzog ist bekannt dafür, Lieblingsrezepte von Menschen aus der Kreativecke nachzukochen. So hat er sich auch am dreigängigen Rehrückenmenü aus Johannes Mario Simmels Roman „Es muss nicht immer Kaviar sein: die tolldreisten Abenteuer und auserlesenen Koch-Rezepte des Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven“ versucht.
Mit gutem Essen wie dem „Rehrücken Baden-Baden“ die Welt verändern
Mit katastrophalem Ergebnis: „Es war ein Desaster. 45 bis 60 Minuten gart der Romanheld Thomas Lieven seinen Rehrücken Baden-Baden. Das mag für einen mächtigen Hirsch oder einen Gaul angehen, für den kleinen Bambi-Buckel, der kaum Fett hat und mitsamt den Knochen in seiner ganzen Größe oft keine zwei Kilo wiegt, ist das eindeutig zu lang.“
Und Herzog weiter: „Das Filet war ledrig zäh und so trocken, dass auch die im Bratensaft gewendeten Ananasstücke, eingemachten Kirschen und frischen Weinbeeren, die ich buchgetreu dazu servierte, der Speise weder Frische noch Fröhlichkeit geben konnten.“
Also: Bye-bye, Baden-Baden. „Geblieben ist der schöne Glaube daran, dass man mit einem guten Essen etwas auf der Welt verändern kann. Immerhin“, so der Kolumnist, der unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung schreibt.
Als Vorspeise servierte der Privatbankier Thomas Lieven, den das Schicksal zum Spion werden lässt, tatsächlich Parmesan-Pudding. Der ihm ebenso gelingt wie seine Hammelnierenschnitten und Kalbsvögel, mit denen er die Gunst der Mächtigen gewinnt.
Der „Rehrücken Baden-Baden“ mundet der süßen Christine
Oder wie die „Eier Josephine“ und die Seezunge, mit denen er die Frauenherzen erobert. Oder wie der Plumpudding und das Zitronensoufflé, mit denen der leidenschaftliche Koch seine Gegner milde stimmt.
Auch der Rehrücken mundet der „süßen, dunklen Christine“ vorzüglich. Und die beiden landen in Lievens Bett. Typisch Simmel halt.
BNN-Sommerrätsel, Teil 5: Das sind die Gewinnerinnen und Gewinner
Der erste Preis: Hinter die Kulissen des Badischen Staatstheaters Karlsruhe blicken am Dienstag, 17. Oktober, Eberhard Kohler (Pforzheim), Claudia Holzer (Ubstadt-Weiher), Renate Koblitz (Malsch), Irmgard Baumert (Achern), Ute Pfund (Bretten) und Joachim Klopp (Linkenheim-Hochstetten) und ihre Begleitungen.
Sie können sich auf eine exklusive Führung durch das Haus am Hermann-Levi-Platz 1 freuen und dürfen die Probe der Verdi-Oper „Nabucco“ besuchen – sie feiert im Herbst Premiere. Der Preis gilt jeweils für zwei Personen.
Der zweite Preis: Auch Tobias Unger (Pfinztal) hat die Frage richtig beantwortet. Der BNN-Leser und seine Begleitung kommen in den Genuss eines Menüs im „Tawa Yama Easy“ in Karlsruhe. Zudem können sie in dem Restaurant zwei Cocktails probieren.
Herzlichen Glückwunsch und weiterhin viel Spaß beim Raten!
Dieses Mal kein Glück gehabt? Dann raten Sie weiter beim BNN-Sommerrätsel mit. Auch in der sechsten und letzten Runde werden attraktive Preise verlost.
Der sechste Teil unseres Sommerrätsels zum Thema „Typisch Baden“ erscheint am kommenden Sonntagabend, 3. September.
Das sind die Teilnahmebedingungen.