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„Heimspiel“

So überrascht die Musikerin Clara Vetter das klag-Publikum in Gaggenau

Clara Vetter ist als Landesjazzpreisträgerin bekannt. Auf der klag-Bühne liefert sie taufrische Kostproben aus ihrem nächsten Album.

Musiker stehen auf einer Bühne.
Durch die Welt der griechischen Mythologie: Clara Vetter auf der klag-Bühne mit Max Treutner, Mario Angelov und Felix Schrack (von links). Foto: Joachim Eiermann

Jazz in Mittelbaden? Es gibt ihn, wenn auch nur in homöopathischer Dosis. Da ist das Frühlingserwachen mit Marc Marshalls „Mr. M’s Jazz Club“ in Baden-Baden. Die Stadt Bühl kann mit „Brass & Fun“ eine hochklassige Bigband vorweisen, doch das Jazztival ist Geschichte.

Stattdessen ist ein neues, kleines Festival mit Potenzial in Rastatt entstanden. In Gaggenau hat der Jazz im Sommer 2022 Wurzeln geschlagen, als Clara Vetter zusammen mit ihrem Freund Max Treutner das Haus ihrer Großeltern in Bad Rotenfels bezogen hat.

klag-Bühne in Gaggenau ist für Clara Vetter ein Heimspiel

Die klag-Bühne ist für die 27-jährige Landesjazzpreisträgerin seither ein „Heimspiel“ – Bezeichnung auch eines beliebten Konzertformats des städtischen Kulturamts in Zusammenarbeit mit dem Rantastic.

Von Zuhause zu Fuß zur Location gehen zu können, ist für die Pianistin eine neue, freudige Erfahrung. Am Freitagabend war sie im klag in einem brillanten Auftritt zusammen mit ihrem Trio zu erleben, eigentlich ein Quartett, gesellte sich doch ihr Lebensgefährte hinzu, ein auch international gefragter Saxofonist und früherer Preisträger bei „Jugend jazzt“.

Das Licht geht aus, gespannte Erwartung im Saal. Die „Ouvertüre“, auch so benannt, macht sogleich deutlich: Das wird kein plauschiges Easy Listening, sondern ein Jazzabend mit dem Ansporn, fernab des Mainstreams musikalisches Neuland zu erforschen.

Melodie und Rhythmus lösen sich nach wenigen Takten auf, formen sich gänzlich neu, um wieder in sich zusammenzufallen. Ein Auf und Ab wie eine Meeresbrandung. Ein fortwährendes Wechselspiel, das der Band-Chefin und ihren interagierenden Männern hohe Konzentration abverlangt.

Ich finde es sehr spannend und erfrischend, atonale Improvisationen im harmonischen Kontext erscheinen zu lassen.
Clara Vetter
Jazzpianistin

„Harmonie ist ein Konzept, an das man gewohnt ist, aber auch aufbrechen sollte, um offener für Neues zu werden“, erklärt Clara Vetter später im Gespräch. „Ich finde es sehr spannend und erfrischend, atonale Improvisationen im harmonischen Kontext erscheinen zu lassen.“

Inspiration findet sie unter anderem in der Malerei, die sie für sich als Hobby entdeckt hat. Das ist nicht die schlechteste Ausgangslage, haben doch auch Miles Davis und Joni Mitchell, um nur zwei große Namen zu nennen, neben der Musik zum Pinsel gegriffen.

Clara Vetters Musik ist geprägt von traditionellem Jazz

Die Affinität von Farbgebung und Klangformung zeigt sich am Beispiel eines Landschaftsbildes des Amerikaners Bob Ross. Das Motiv hat Clara Vetter zu einer Melodie mit vier Tönen transkribiert, auf der ihr Stück „Kraut“ aufbaut. „Ein bisschen Kraut und Rüben“, wie sie dem erheiterten Publikum erklärt. Ein Stück, das mit längeren Swing-Passagen, aber auch gelassen groovt.

Vor 150 Jahren bereits hatte Debussy damit begonnen, impressionistische Farbwirkungen in der Musik abzubilden. Daran knüpft auch die Wahl-Gaggenauerin an, die in Sinzheim aufwuchs, in Bühl die Musikschule besuchte und in Stuttgart und Kopenhagen Jazz-Klavier studierte.

Ihre Musik ist – bei aller Experimentierfreude – geprägt vom traditionellen Jazz. Dafür steht im klag insbesondere das Stück „Tranesphere“, eine Hommage an John Coltrane.

Ausdrucksstarke und empathische Improvisationen in Gaggenau

Ihre Band spielt rein akustisch und ohne technische Verfremdung. Auch ohne Show-Elemente oder persönliche Extravaganzen. Die solistischen Freiräume wissen Max Treutner sowie Mario Angelov (Bass) und Felix Schrack (Schlagzeug) vielmehr für ausdrucksstarke, empathische Improvisationen zu nutzen. Nichts Aufgesetztes hat auch das Spiel von Clara Vetter am Flügel.

Das Publikum, das mit Zwischenapplaus nach den Soli nicht geizt, kommt in den Genuss, taufrische Kostproben aus ihrem nächsten Album zu hören, das im Mai erscheinen soll: „Fabulae“ ist eine Reise durch die Welt der griechischen Mythologie mit Sternbildern wie Aquila, Lyra und Pegasus.

Man spürt förmlich den Hufschlag des geflügelten Pferds und hört den Donner, den der Adler dem Blitze schleudernden Zeus zurückbringt.

Wie kam sie darauf? Sie zeichnete die „visuellen Reflexe“ ihres Klavierspiels auf. Die Berührungspunkte der Tasten glichen, als geometrische Formen und Linien dargestellt, den Sternbildern. Was sie auf die Idee brachte, die Ergebnisse mit digitalen Mitteln in Melodien zu überführen. „Aus jenen, die mir gefielen, habe ich die Stücke komponiert.“

Nach dem Flug zu den Sternen kündigt Clara Vetter als Zugabe ein „Schlaflied“ an. In Relation zur Rasanz davor beamt das elegische „Nocturne“ ihre Zuhörer sanft auf die Erde zurück. Am 18. Januar tritt sie erneut im klag auf, dann im Rahmen des von ihr initiierten Projekts „Collectivity“.

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