Der Julius-Hirsch-Platz auf den Illenau-Wiesen ist in der ehemaligen Reithalle festlich eröffnet worden. Rund 200 Bürger der Stadt, darunter viele Gemeinderäte, Schulleiter und Vertreter der Kirchen zählten zu den Gästen der Gedenkveranstaltung. Zuvor wurde im strömenden Regen eine von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebene Stele der Öffentlichkeit übergeben.
Das aus Cortenstahl gefertigte Denkmal komplettiert die „Orte des Gedenkens“, die im Bereich der Illenau auf die Opfer der NS-Gewaltherrschaft hinweisen. Die Aufschrift der Stele informiert über den Lebensweg von Julius Hirsch, der vor 130 Jahren in der Illenau geboren und 1943 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurde.
Bei der Begrüßung erklärte Oberbürgermeister Klaus Muttach (CDU), dass der beim Julius-Hirsch-Platz entstehende Landschaftspark „die Schönheit der Illenau und das frühere Männerbad der Heilanstalt“ erneut sichtbar machen soll. Schülerinnen der Klasse 9b des Gymnasiums Achern erarbeiteten ein mit vielen historischen Fotos illustrierte Präsentation, die das Leben von Julius Hirsch nachzeichnete.
Sieben Spiele für die Nationalmannschaft
Hirsch, der zur Jugendmannschaft des Karlsruher Fußballvereins (KFV) gehörte, bestritt seit seinem 19. Lebensjahr sieben Spiele im Trikot der Deutschen Nationalmannschaft. Der erfolgreiche Stürmer wurde bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1912 aufgestellt und errang mit dem KFV und der SpVgg Greuther Fürth die nationale Fußballmeisterschaft.
Im Ersten Weltkrieg kämpfte Hirsch im deutschen Heer und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten bemühte sich der zuvor im Textilgeschäft tätige Geschäftsmann um eine Anstellung als Trainer.
Nachdem ein Engagement in Paris scheiterte, unternahm Hirsch einen Selbstmordversuch. Nach Aufenthalten in einer französischen Heilanstalt wurde er von Mai bis September 1939 in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau behandelt.
Seine hier gemachten Erfahrungen behandelt Werner Skrentny in seinem umfangreichen, 2012 veröffentlichen Buch „Julius Hirsch. Nationalspieler. Ermordet. Biografie eines jüdischen Fußballers“. Der als Redner in Achern vorgesehene Autor erkrankte und musste kurzfristig absagen.
Die Schülerinnengruppe berichtete abschließend, dass der von den Nazis in den Arbeitsdienst gepresste Hirsch auf einen Karlsruher Schuttplatz qualvoll schuften musste und im März 1943 nach Auschwitz deportiert wurde. An der Rampe des Vernichtungslagers endete die Spur des im Mai 1945 für tot erklärten jüdischen Mitbürgers.
Enkel und Urenkel waren vor Ort
Dem auch von den Ehrengästen Andreas und Mathias Hirsch, den Enkeln des Ermordeten, sowie Urenkelin Julia Hirsch kräftig beklatschte Vortrag folgte eine Podiumsdiskussion.
Unter dem Titel „Gesellschaftlicher Ausschluss, Werte des Sportes, Integration“ interviewte Moderatorin Nina Reip die zum Präsidium des jüdischen Sportverbands Makkabi gehörende Keren Vogler, Ex-Fußball-Nationalspieler Jimmy Hartwig und Ronny Zimmermann, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes.
Hartwig bezeichnete dabei „gerade den unterschwelligen Rassismus als besonders gefährlich“. Wenn es um Ausgrenzung und Diffamierungen gehe, „muss die Jugend losgehen und sagen: ‚Erzähl keinen Blödsinn‘“, forderte Hartwig.
Neben einigen musikalischen Beiträgen von Jens Weber (Piano), Mona Metzinger (Querflöte) und Luis Gronmeier (Klarinette) erschütterte Keren Vogler mit einer Darbietung des Klagelieds „Unter dayne vayse shtern“. Die Verse des großen jiddischen Dichters Avraham Sutzkever entstanden in der Hölle des Wilnaer Ghetto aus dem nur wenige der hier von den Nazis gefangen gehaltenen Juden entkommen konnten.