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Bis zu 30 Euro Strafe

Baden-Württemberg schließt Zentrale Impfzentren und will Impfschwänzer zur Kasse bitten

Die bald schließenden Zentralen Impfzentren haben derzeit mit Impfschwänzern zu kämpfen. Trotz rechtlicher Hürden möchte das Land Baden-Württemberg prüfen, ob man diese an den Kosten beteiligen kann.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne).
„Das ist unsolidarisch“: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kritisiert Menschen, die ihren Impftermin nicht wahrnehmen und nicht absagen. Er spricht sich in solchen Fällen für Strafen aus. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Wer sich am Dienstag beim Zentralen Impfzentrum an der Messe Karlsruhe impfen ließ, kam um die Information nicht umhin: Eine Zweitimpfung an Ort und Stelle wird es nicht geben. Bei der Anmeldung, beim Arztgespräch, beim Impfen und auch beim Verlassen des Gebäudes wiesen Mitarbeiter darauf hin, dass das Zentrale Impfzentrum Mitte August geschlossen wird.

„Verlegung der Zweitimpfung in das Kreisimpfzentrum Karlsruhe Schwarzwaldhalle am Festplatz“ heißt es auf einem Merkblatt. Der Hintergrund ist, dass die zehn zentralen Impfzentren des Landes nach einem Beschluss des Sozialministeriums am 15. August geschlossen werden.

„Die Impfungen in Arztpraxen laufen stabil, auch in den Betrieben wird geimpft – alle Säulen sind stabil“, begründete ein Sprecher. Derzeit bleibe aber eher Impfstoff übrig. Auch gehe es den Trägern der Impfzentren natürlich darum, die Räumlichkeiten wieder für Veranstaltungen nutzen zu können.

„Alle Zweitimpftermine, die bereits für die Zeit nach dem 15. August in den Zentralen Impfzentren vereinbart wurden, werden in benachbarte Kreisimpfzentren verlagert“, teilt das Sozialministerium mit. Die Laufzeit der 50 baden-württembergischen Kreisimpfzentren wurde bis 30. September verlängert. Die mobilen Impfteams sollen ihre Aufgaben bis Mitte August weitestgehend abgeschlossen haben, aber ebenfalls bis Ende September im Einsatz bleiben.

Messe Karlsruhe: „Für uns ist es ganz neu“

„Für uns ist es ganz neu“, sagt ein Sprecher der Messe Karlsruhe. „Wir hatten September auf dem Schirm, aber jetzt ging es ganz schnell.“ Die Messe fährt ihre eigentliche Arbeit wieder hoch und hat in dem Rahmen auch zwölf neue Stellen ausgeschrieben, bestätigt der Sprecher.

Die erste Veranstaltung in der Messe sollen die „Platformers’ Days 2021“ vom 10. bis 11. September sein, eine Messe für mobile Hebe- und Höhenzugangstechnik. Von 30. September bis 3. Oktober folgt die Nutzfahrzeugmesse. Der Abbau der Impf-Infrastruktur werde Zeit benötigen, erklärt der Sprecher. „Aber wir freuen uns, dass wir wieder loslegen können.“

Wir hatten September auf dem Schirm, aber jetzt ging es ganz schnell.
Sprecher der Messe Karlsruhe

Im Zentralen Impfzentrum der Messe waren „Impfschwänzer“ zuletzt kein großes Thema. Nur zwei bis drei Prozent der Bürger würden ihren Termin ohne Absage nicht wahrnehmen, sagte der Leiter der beiden Karlsruher Impfzentren, Andreas Ruf, zuletzt. Deutlich größer ist das Problem dagegen in Freiburg. Im dortigen Zentralen Impfzentrum verfallen laut SWR drei Viertel aller Zweitimpftermine.

Land prüft härteres Vorgehen gegen Impfschwänzer

Die Landesregierung will ein härteres Vorgehen gegen sogenannte Impfschwänzer prüfen. „Das ist unsolidarisch und unverantwortlich gegenüber denen, die geimpft werden wollen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag. „Wir prüfen, ob die Impfschwänzer nicht ersatzpflichtig sind für die entstandenen Kosten, insbesondere wenn ein Impfstoff verfällt.“ Kretschmann bezifferte die Kosten für einen Impftermin mit 20 bis 30 Euro.

Der Aufwand, um die gesetzlichen Grundlagen für eine Bestrafung zu schaffen, sei gigantisch. Darum müsse sich der Bund kümmern, sagte Kretschmann. Die Landesregierung werde aber prüfen, ob Impfschwänzer nicht ersatzpflichtig seien für entstandene Kosten – insbesondere, wenn Impfstoff gegen das Coronavirus vernichtet werden müsse. Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) sprach von einem geschätzten Anteil von zwei bis fünf Prozent an Menschen, die in den vergangenen Wochen zum zweiten Impftermin einfach nicht erschienen seien.

Kretschmann und Lucha warben dafür, Impfstoff auch bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren einzusetzen. Die negativen Folgen einer Erkrankung seien in dieser Altersgruppe weit schwerwiegender als mögliche Nebenfolgen einer Impfung, sagte der Ministerpräsident.

Corona-Impfung: Zweittermin kann vorgezogen werden

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat bisher keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für 12- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen wie starkem Übergewicht, Diabetes und chronischen Lungenerkrankungen. Das Gremium begründete seine Empfehlung unter anderem damit, dass das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung für diese Altersgruppe gering sei.

Auch ohne generelle Stiko-Empfehlung sind Kinder und Jugendliche ab zwölf in die deutsche Impfkampagne eingebunden, können also unabhängig von Vorerkrankungen geimpft werden.

Den Stiko-Empfehlungen zu den Abständen zwischen Impfungen möchte das Land Baden-Württemberg folgen. Das Staatsministerium erklärt daher: „Menschen, die bereits ihre Erstimpfung mit Astrazeneca oder einem mRNA-Impfstoff erhalten haben und deren Zweitimpftermin in der Zeit ab dem 19. Juli oder später liegt, sollen die Möglichkeit bekommen, ihren Zweitimpftermin vorzuziehen.“ In diesem Fall könne ein früherer Zweittermin direkt bei der Erstimpfung im Impfzentrum vereinbart werden.

Kretschmann hat Zweifel, ob Herdenimmunität erreicht wird

Kretschmann hat unterdessen das Erreichen der Herdenimmunität in Frage gestellt – und vor bleibenden Einschränkungen für Impfverweigerer gewarnt. Aufgrund der Delta-Variante und der Tatsache, dass auch Geimpfte sich infizieren und wohl auch in geringerem Maße Infektionen weitertragen könnten, sei es fraglich, „ob wir überhaupt noch Herdenimmunität erreichen“, sagte der Grünen-Politiker. Die Delta-Variante sei erheblich ansteckender als andere Varianten des Coronavirus.

Impfen ist das einzige Mittel, das wir haben, um die Pandemie in die Knie zu zwingen.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident

Es sei deshalb wichtig, dass sich alle impfen lassen. „Sonst können wir die Pandemie gar nicht mehr beenden“, sagte Kretschmann. „Impfen ist das einzige Mittel, das wir haben, um die Pandemie in die Knie zu zwingen.“ Das Testen ist aus Sicht von Kretschmann auch nicht zwangsläufig ein vollwertiger Ersatz fürs Impfen. Die Ergebnisse der Antigentests würden bei der Delta-Variante unsicherer. „Da muss jeder damit rechnen, wenn er nicht geimpft ist, dass er bestimmte Erleichterungen einfach nicht mehr wahrnehmen kann.“ Das prüfe man derzeit.

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