Am Thema Klimawandel und seinen Folgen kommt in Deutschland politisch niemand mehr vorbei. In der Pandemie ist der Klimaschutz für 70 Prozent der Bundesbürger genauso wichtig geblieben, für 16 Prozent spielt er sogar noch eine größere Rolle. Doch jeder Zweite lehnt zusätzliche Kosten für Klimaschutz ab und möchte, dass die Wirtschaft mehr leistet.
In diesem Spannungsfeld bieten alle größeren Parteien in ihren Wahlprogrammen unterschiedliche Ansätze, um Ökologie, Gerechtigkeit, Konkurrenzfähigkeit und Wohlstand unter einen Hut zu bringen.
Unser Redaktionsmitglied Alexei Makartsev vergleicht die Ideen, mit denen um die Wählergunst geworben wird.
SPD verspricht niedrigere Stromrechnungen
Die SPD bezeichnet in ihrem Programm das klimaneutrale Deutschland als „Zukunftsmission 1“. Nicht später als 2045, so die Partei, soll „Leben, Arbeiten und Wirtschaften“ keine Auswirkungen mehr auf die mittleren globalen Temperaturen haben. Fünf Jahre davor soll bereits der gesamte Strombedarf aus erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Das ist die Vision der Sozialdemokraten: Jeder Supermarkt, jede Schule und jedes Rathaus sollen sauberen Solarstrom erzeugen. Ein „Zukunftspakt“ zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Spitzenverbänden soll sicherstellen, dass der Ausbau von Windkraft und Geothermie zu einer „Win-Win-Situation“ für alle werden.
Die SPD ist bei der Beschreibung der Folgen dieser Politik für die Bürger eher unkonkret. Sie verspricht aber einen finanziellen Ausgleich für den Anstieg des CO2-Preises und eine niedrigere Stromrechnung für alle nach der Abschaffung der EEG-Umlage bis 2025.
Union setzt auf energetische Sanierungen
Mit einem Klimapaket für ein „Modernisierungsjahrzehnt“ ist die Union ins Rennen gegangen. Auch sie will die Klimaneutralität bis 2045 erreichen. Die Bedingung: „Wir wollen hochqualifizierte industrielle Arbeitsplätze erhalten.“ Dazu setzen CDU und CSU auf das Instrument des Emissionshandels und geben die Einnahmen daraus an die Bürger durch die Verbilligung des Stroms komplett weiter.
Wichtig für die Schwesterparteien ist die energetische Sanierung von Gebäuden, die durch verbesserte KfW-Programme attraktiver gemacht werden soll. Gleichzeitig sollen Mieter vor „finanzieller Überlastung“ geschützt werden. Wie, das verrät die Union nicht. Als weitere Schritte für mehr Klimaschutz sehen die Schwesterparteien eine „Holzbauoffensive“, die bessere Nutzung des Regenwassers und den Ausbau des klimaschonenden Schienenverkehrs mit einem Akzent auf leisen Nachtzügen.
Dazu will die Union unsere Einkaufsgewohnheiten verändern: Im Bau- und Supermarkt sollen die Kunden künftig „auf einen Blick nachvollziehen können, welche CO2-Bilanz ein Produkt hat“ – und sich dann am besten für die Öko-Option entscheiden.
FDP beschwört den deutschen Erfindergeist
„Mehr German Mut für mehr Klimaschutz“: Die FDP ist überzeugt, dass die Innovationen der Schlüssel zum Erhalt unseres Planeten für künftige Generationen sind. Die liberalen Mutmacher beschwören den deutschen Erfindergeist und versprechen den Unternehmen, sie bei ihrer Umstellung auf Klimaneutralität vor „Wettbewerbsverzerrungen“ politisch zu schützen.
Die Partei, die sich als Motor der Digitalisierung sieht, will eine bessere Energieeffizienz in Deutschland erreichen – etwa durch die Abwärmenutzung von großen Rechenzentren und den Einbau von intelligenten Messsystemen („smart meter“) in Häuser und Wohnungen. Die zu hohe Stromsteuer soll nach dem Willen der Liberalen „auf ein EU-Mindestmaß“ gesenkt werden.
Eine Besonderheit in ihrem Programm ist das bislang streng regulierte Geo-Engineering, also die künstliche Beeinflussung des Klimas. Dazu schlägt die FDP etwa die gezielte Nutzung von Biomasse zur Speicherung von CO2 vor. Die Naturfreunde werden sich über die Selbstverpflichtung der Partei freuen, mehr Wälder aufzuforsten und die Moore als wertvolle Kohlenstoffspeicher zu erhalten.
Linke will das Fliegen einschränken
Für die Linke gehören Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit „untrennbar“ zusammen. In Ihrem Programm stellt die Partei den „Profitmechanismus“ infrage, der aus ihrer Sicht der reichen Minderheit dient, und plädiert für einen „sozioökonomischen Systemwechsel“. Er soll garantieren, dass „Mensch und Natur nicht ausgebeutet werden“.
Konkret geht es um die Schaffung eines milliardenschweren „Transformationsfonds“, mit dessen Hilfe die Wirtschaft bis 2035 klimaneutral werden soll. Einen Emissionshandel lehnt die Partei ab.
Die energetische Sanierung von Gebäuden dürfe nicht zur Mietsteigerung führen. Ärmere sollen mehr Wohngeld erhalten, um in den sanierten Gebäuden leben zu können. Die Energiekonzerne sollen „entmachtet“ werden. Strom- und Wärmenetze sieht die Linke „in die öffentliche Hand überführt und demokratisch kontrolliert“.
Mit ihrer „Energiewende in öffentlicher Hand“ verspricht sie mehr als 100.000 neue Jobs. Die Partei will zur Entlastung der Umwelt alle Flüge zu Zielorten verbieten, die mit dem Zug in weniger als fünf Stunden erreichbar sind und nicht weiter als 500 Kilometer entfernt sind.
Grüne wollen Tempolimits durchsetzen
Die Grünen stellen den „klimagerechten Wohlstand“ in den Mittelpunkt und versprechen, das Handeln aller Ministerien in einer künftigen Regierung nach dem Pariser Klimaabkommen auszurichten. „Die Zukunft wird leiser, sauberer, gesünder, günstiger und sozial gerechter“, schreibt die Partei. Das ist eine Zukunft ohne fossile Energieträger (ab 2035) und mit 1,5 Millionen neuer „Solardächer“ in den kommenden vier Jahren. Eine Zukunft, in der zwei Prozent der Fläche bundesweit für den Ausbau der Erneuerbaren reserviert werden.
Für die Klimaneutralität wird nach den Vorstellungen der Partei eine Umstellung unseres Lebensstils notwendig sein. Das heißt: Tempo 30 als Regel in den Städten und maximal 130 auf Autobahnen. Deutschland solle ein „Fahrradland“ mit einem lückenlosen Wegenetz werden. Kurzstreckenflüge werden laut den Grünen ab 2030 „überflüssig“.
Mit einem neuen „Mobilpass“ wollen sie die Angebote von 120 Verkehrs- und Tarifverbunden zusammenführen. Perspektivisch soll kein Müll mehr verursacht werden, und EU-weit soll ein einheitliches Flaschen-Pfandsystem entstehen.
AfD kritisiert die „Klimahysterie“
Die AfD hadert in ihrem Programm damit, dass „politisch initiierte Umbrüche“ wie die „Klimarettung“ die deutsche Wirtschaft schwächen. „Politische Ideologien wie ... Klimahysterie werden den Kindern heute schon im Vorschulalter nähergebracht“, so die Partei. Das Ziel der Klimaneutralität bedrohe die Freiheit „in einem beängstigenden Ausmaß“. Daher lehnt die AfD ihn ab: „Das Klima ist nicht schutzfähig.“ Sie bestreitet, dass der Mensch für die Erderwärmung maßgeblich verantwortlich ist.
Folglich schert die Partei aus dem Klimakonsens aus: Sie lehnt den „Green Deal“ der EU ab, will Kohlekraftwerke beibehalten und die verbleibenden Atomkraftwerke solange am Netz belassen wie es technisch geht. Sie lehnt das Gebäudeenergiegesetz ab und vertritt die rigorose bayerische Regel, wonach ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein muss – was dem Bau neuer Anlagen vielerorts einen Riegel vorschiebt.
Anders als die Konkurrenz setzt sich die AfD für den Erhalt des Flugverkehrs ein, der nicht „kurzsichtig einer unwissenschaftlichen Klima-Hysterie geopfert werden darf“.