Für eine Lärmattacke auf Pforzheim und viel Stau sorgt am Sonntag ein Autokorso, der bereits binnen einer guten halben Stunde aus dem Ruder zu laufen droht.
Wir sind für den Korso da, nicht für die RednerEin Teilnehmer
Am Startpunkt Messplatz gehen deshalb kurzzeitig die Emotionen hoch. Der Initiator des motorisierten Protests gegen den Lockdown hatte auf Anraten der Polizei versucht, den Druck von der Straße zu nehmen. Seine vorweggenommene Kundgebungsrede schafft es allerdings nicht, die Stimmung zu drehen. Im Laufe der mehrstündigen Aktion wird eine Polizistin leicht verletzt. Ein Fahrer wurde im Zuge eines Konflikts festgenommen.
„Wir sind für den Korso da, nicht für die Redner“, lärmt ein Mann aus der spürbar aufgebrachten Menge, als Bernhard Schäfer versucht nachzusteuern. Viele haben eine lange Anfahrt hinter sich. Autokennzeichen aus dem Großraum Stuttgart, Rheinland-Pfalz sowie Heidelberg und Umgebung bilden etwa die Hälfte der Teilnehmer. Insgesamt stehen 1.000 Autos bereit, eine klare Ansage gegen die Corona-Politik zu formulieren.
Attacke auf „Altparteien“
Dafür fehlt es auch Veranstalter Bernhard Schäfer nicht an Worten. Er wolle darauf aufmerksam machen, „dass die kleinen Leute ohne jedes Maß rücksichtslos kaputtgemacht werden“. Er habe sich die Innenstadt angeschaut und es seien ihm die Tränen gekommen. „Wir müssen eine Lösung finden, die für jeden gut ist“, fordert Schäfer. Es gibt alternative Parteien, droht er in Richtung Ministerpräsident Kretschmann und Bundeskanzlerin Merkel. Über diese gebe es jetzt „die Chance, die Altparteien zu knacken“.
Was die Teilnehmer der wegen des Verkehrschaos vorgezogenen Teilkundgebung noch nicht wissen, ist, dass auch die Schwester von Schäfer, Elvira Kalteis, parteipolitisch unterwegs ist. Die Pforzheimerin ist als Rednerin für die „Wir2020 Partei“ gesetzt. Außerdem will Schäfer auf die Überzeugungskraft von Andreas Kubisch setzen, der für die Liste Eltern Deutschlands im Pforzheimer Gemeinderat sitzt.
Hilfe von Gelben Westen
Dass Schäfer organisierte Hilfe hat bei der Demonstration, wird im Vorfeld deutlich. So hat es beispielsweise den Anschein, als ob die „Gelben Westen aktiv Baden-Württemberg“ aktiv eingebunden sind, die da mit einem Transporter und großem Transparent an zentraler Stelle auf dem Messplatz stehen.
„Freiheit“ dröhnt es musikalisch aus einem Wagen mit Heidelberger Kennzeichen wenige Meter weiter. „Wir waschen ihr Gehirn“ heißt es auf dem Zettel hinter einer Fensterscheibe. Der Fahrer droht damit in Richtung ARD und ZDF. Medien hat auch eine Pforzheimerin auf dem Kieker, die „regelmäßig demonstriert“, aber sich nicht zu den Querdenkern zähle. Das „Telegramm: Demo-Termine Deutschland“ kann sie sich bei einem Auto mit Reutlinger Kennzeichen abholen, wenn denn stimmt, was dort auf einem Zettel steht.
Beachtlicher Tourismus
Die Mehrzahl der Autos auf dem Messplatz ist unauffällig. Rund die Hälfte davon dürfte aus Pforzheim und dem Enzkreis sein, schätzt der Einsatzleiter der Polizei, Karlheinz Lachstädter. Er bestätigt damit die Einschätzung, dass der Korso-Aufruf einen beachtlichen Tourismus nach sich zog. Initiator Schäfer verzichtet angesichts des spürbaren Widerstands darauf, einen großen Teil der Fahrer von der Rundfahrt auszuschließen.
Das sei ein Spiel mit dem Feuer, hört er anschließend von der Polizei, die deutlich macht, dass er die Sache nicht im Griff hat. Die Leute, die zu ihren Autos gehen und darauf warten, dass nun auch sie endlich mit Getöse durch die Stadt fahren können, hören das eher nicht. Sie tragen größtenteils weder Maske noch halten sie Abstand. Das ist zwar angesagt, spielt an diesem Sonntag in Pforzheim aber keine Rolle.
Bei der Demo waren 26 Polizisten bis in die Abendstunden im Einsatz.