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Deutliche Mehrheit

Pforzheimer Gemeinderat lehnt Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete ab

Der Pforzheimer Gemeinderat will keine Erstaufnahmeeinrichtung (EA) für Geflüchtete in der Stadt. In der seit Monaten andauernden Diskussion um entsprechende Pläne des Landes votierte das Gremium am Dienstagabend mit deutlicher Mehrheit gegen eine EA.

Sechs Mal Rot: Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch hat im Gemeinderat wenige Mitstreiter für sein Ziel gefunden, über eine Erstaufnahme den Zuzug von Asylbewerbern nach Pforzheim zu steuern. Die siebste Rotstimme stammt von ihm selbst.
Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch hat im Gemeinderat wenige Mitstreiter für sein Ziel gefunden, über eine Erstaufnahme den Zuzug von Asylbewerbern nach Pforzheim zu steuern. Foto: Edith Kopf

Die seit Monaten diskutierte Erstaufnahme für Asylbewerber ist in Pforzheim vom Tisch. Dafür sorgte am Dienstagabend der Pforzheimer Gemeinderat mit klarer Mehrheit. Lediglich fünf Mitglieder der CDU-Fraktion sowie Stadtrat Reinhard Klein (Bürgerliste) und natürlich Antragsteller Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) hätten gerne weiter verhandelt mit dem Land.

Schließlich, so deutete Boch an, könnte noch mehr drin sein als der von Justizministerin Marion Gentges (CDU) dieser Tage in Aussicht gestellte Zuweisungsstopp für Asylbewerber, die dauerhaft unterzubringen sind.

Nein zu Erstaufnahmeeinrichtung: Pforzheimer Brötzinger Tal wird als ungeeignet angesehen

Allein die Parteien und Gruppierungen wollten nicht. Ungeachtet aller sonstigen Gegensätze fanden fast alle Redner das Gewerbegebiet Brötzinger Tal ungeeignet für eine solche Nutzung. Seitens der AfD befand Diana Zimmer überdies, „die Stadtgesellschaft ist bereits jetzt überfordert“ und schob die Verantwortung für die Lage auf Bund und Land: „Es wird nicht abgeschoben.“

Das Land ist kein verlässlicher Vertragspartner.
Michael Schwarz, Freie Wähler

Klagen über Fehlentscheidungen in Stuttgart und Berlin sowie mangelnde Aufmerksamkeit für die Nöte der Kommunen zogen sich wie ein roter Faden durch die breite Debatte. „Das Land ist kein verlässlicher Vertragspartner“, spitzten Michael Schwarz (FW/UB) und mit ähnlichen Worten Hans-Ulrich Rülke (FDP) zu.

Beide zweifelten daran, dass es – wie angekündigt – bei einer Einrichtung für 1.000 Menschen bleiben werde. Außerdem sei die Stadt an der Belastungsgrenze und die Infrastruktur am Limit.

Es hätte ein Factory-Outlet sein können, garnierte Rülke seine Ablehnung der Asylbewerber-Erstaufnahme im seit Jahren aufgegebenen Logistikzentrum an der Adolf-Richter-Straße.

Er erinnerte an „die schwierige Situation auf dem Haidach“, sprach von „Jesiden, wo sich eine Art Magnet entwickelt hat“, ordnete die Pforzheimer Migrantenquote bei „bundesweit Spitze“ sowie den Ausländeranteil und die Arbeitslosigkeit als „landesweit Spitze“ ein.

Wenig Vertrauen in das Land Baden-Württemberg

Auch Jacqueline Roos (SPD) zeigte wenig Vertrauen ins Land: „Es ist ein bisschen Kaffeesatzleserei zu sagen, wie lange es das EA-Privileg geben wird.“ Die Bader-Immobilie sei überdies nicht geeignet. Es gebe gute Erfahrungen mit dezentraler Unterbringung.

„Die Entscheidung ist Mist, egal hinter wie vielen Fakten wir uns verschanzen“, verwies Axel Baumbusch (Grüne Liste) anderen wortreich darauf, dass es kein Richtig oder Falsch geben könne in der Frage. Es sei weder der Verwaltung noch dem Gemeinderat gelungen, deutlich zu machen, wo das Problem liegt. Er sehe auch subjektive Ängste, und die Stadt könne es sich nicht leisten, noch mehr Bevölkerung an den rechten Rand zu verlieren. Dem OB zollte Baumbusch „Respekt, dass sie’s probiert haben“.

Mehr als das hatte die CDU-Fraktionsvorsitzende Marianne Engeser für den Oberbürgermeister aus ihrer Partei parat. Sie präsentierte „fünf Minuten vor Sitzungsbeginn“, wie Roos angemerkte, einen Ergänzungsantrag. Sie folgte damit Bochs Eingangsstatement. „Ich möchte den Zuzug für meine Stadt regulieren“, hatte dieser die Debatte eröffnet.

Kein Platz für Asylbewerber gibt es im ehemaligen Logistikzentrum von Bader in Pforzheim.
Kein Platz für Asylbewerber gibt es im ehemaligen Logistikzentrum von Bader in Pforzheim. Foto: Uli Deck/dpa

Das Land solle weitere Verhandlungen durch einen sofortigen Stopp der Zuweisungen unterstützen, fügte dem Engeser an. Außerdem verwies auch sie auf gute Erfahrungen mit Kleineinrichtungen, Streetworkern in der Umgebung und einigem mehr bis hin zu einer Polizeistation.

Was macht das Justizministerium?

Es kam nicht zur Abstimmung, nachdem Stadtrat Klein dem eine eigene Variante zugefügt hatte. Statt über sein Ziel, mit Stuttgart weiter zu verhandeln, abstimmen zu lassen, rief Boch nur den zweiten Teil der Sitzungsvorlage auf. Dies geschah auch vor dem Hintergrund der über die Stellungnahmen deutlich gewordenen Mehrheitsmeinung.

Jetzt liegt es am Justizministerium, was es damit macht, dass der „Pforzheimer Gemeinderat die Einrichtung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete generell ablehnt“. Das Gremium tat dies mit dem Wissen, dass 2026 in der Stadt 915 Plätze Unterbringungsplätze für Asylbewerber fehlen werden.

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