Skip to main content

Geschichte von der verunglückten Tochter

„Sie hat Mami gesagt, nicht Mutti“: 80-Jährige aus Waldbronn fällt fast auf Schockanruf rein

Ihre Tochter sei an einem tödlichen Unfall beteiligt gewesen, erzählte man Petra Zimmermann am Telefon. Nur eine Kautionszahlung könne verhindern, dass sie ins Gefängnis komme. Als plötzlich die Rede von Gold war, wurde die 80-Jährige skeptisch.

Eine ältere Frau telefoniert mit einem schnurlosen Festnetztelefon.
Fiese Masche: Schockanrufer versetzen ihre Opfer am Telefon in einen emotionalen Ausnahmezustand, den sie dann auszunutzen versuchen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Symbolbild

Petra Zimmermann ist gerade vom Akupunkturtermin zurück, als das Telefon klingelt. Als sie den Hörer in die Hand nimmt und die Stimme am anderen Ende hört, ändert sich ihre Stimmung schlagartig.

„Mama, ich hatte leider einen Unfall“, sagt ihre vermeintliche Tochter schluchzend, ein Zusammenstoß mit einer Fahrradfahrerin, diese habe keinen Helm getragen. Für die Mutter von zwei Kindern sei jede Hilfe zu spät gekommen.

Dann übernimmt ein Mann das Handytelefonat. Er könne der Tochter helfen, durch eine Kautionszahlung verhindern, dass sie ins Gefängnis kommt.

Betrüger verlangt zuerst 80.000 Euro

5.000 Euro habe man schon vom Freund der Tochter erhalten, das reiche aber nicht aus. Erst verlangt der Mann 80.000 Euro, als Petra Zimmermann ihm sagt, dass sie so viel Geld nicht habe, gibt er sich mit weniger zufrieden. Also macht sich die 80-Jährige auf den Weg zur Bank.

Während der Fahrt mit dem Taxi zur Bank bleibt die Waldbronnerin mit dem Mann über ihr Handy in Verbindung. „Er sagte mir, dass ich ihm meine Handynummer geben soll, er werde mich anrufen.“ Ob alles in Ordnung sei, wie es ihr gehe, fragt der Mann zwischendurch.

Die 80-Jährige holt sich 5.000 Euro Bargeld von der Bank. Die Übergabe soll in Karlsruhe stattfinden. Die 5.000 Euro sind dem Anrufer dann aber doch nicht genug. Ob sie nicht bei anderen Bankfilialen probieren könne, ob sie dort noch mehr Geld kriege? Oder vielleicht habe sie ja Gold zu Hause?

Da dämmert es Petra Zimmermann, dass hier etwas faul ist. Von Freunden hatte sie Geschichten gehört von Betrügern, die unter Vortäuschung falscher Tatsachen Schmuck erbeuten wollten. Schlagartig ändert sich die Art und Weise, wie sie am Telefon mit dem Mann spricht, der sie drängt, weitere Wertsachen rauszugeben.

Ich dachte, auf so was falle ich doch nie rein.
Petra Zimmermann, aus Waldbronn

„Hören Sie, ich habe nur ein Kettchen am Hals, davon könnte ich mir noch nicht mal ein Stück Brot leisten.“ Letztlich gibt der Anrufer auf und legt einfach auf. Als Petra Zimmermann seine Nummer zurückruft, meldet sich jemand auf Englisch. „Did I speak to you?“, fragt sie. „No“ lautet die kurze Antwort.

Für die Waldbronnerin ist jetzt klar: Sie ist Opfer eines Schockanrufs geworden. „Ich dachte, auf so was falle ich doch nie rein“, sagt sie. „Aber die Masche war so gekonnt.“ Die Vorstellung, dass ihre Tochter, selbst Mutter eines achtjährigen Mädchens, Schuld am Tod einer anderen Mutter trägt, versetzt sie in einen derartigen Schock, dass sie alle Warnzeichen ausblendet.

„Babette, ich hätte schwören können, dass du es bist“, erzählt sie ihrer Tochter am Telefon von der schluchzenden Frauenstimme beim Betrügeranruf. „Sie hat auch noch Mami gesagt und nicht Mutti – so wie meine Tochter“, berichtet sie unserer Redaktion.

Mit ihrer Geschichte will die 80-Jährige andere für Betrugsanrufe sensibilisieren und warnen. Sie hat Anzeige bei der Polizei erstattet und den Beamten auch die Nummer gegeben, von der man sie angerufen hat. Dort hieß es aber, die Rückverfolgung sei schwierig, da es eine englische Nummer sei.

Die Masche mit der verunglückten Tochter ist nicht unbekannt. Die Hinterleute zu kriegen, ist laut Polizei schwierig. Teilweise werden die Anrufe von Callcentern im Ausland aus getätigt. Meist finden die Täter ihre Opfer im Telefonbuch, wo sie gezielt nach Vornamen suchen, die auf ein höheres Alter schließen lassen.

nach oben Zurück zum Seitenanfang