Skip to main content

Karlsruher Gamer erklärt

E-Sports ist virtuell auf dem Vormarsch – nicht nur wegen der Corona-Krise

Karlsruhe ist Heimat des größten E-Sportverein Deutschlands. Der Vorsitzende der Karlsruher Uni-Gamer, Steffen Schmidt, erklärt, was es mit den virtuellen Sportarten auf sich hat. Auch Profi-Fußballmannschaften mischen im digitalen Sport mit.

Ein volles Stadion. Auf einem großen Bildschirm ist ein Videospiel zu sehen.
Tausende Fans verfolgen, wie hier in der Berliner Mercedes-Benz-Arena, die Live-Events der Branche in den Stadien. Wegen der Corona-Krise fallen aber auch viele Veranstaltungen aus. Foto: dpa

Mit 250 Kilometer pro Stunde über die Nordschleife brettern. Von Lionel Messi die entscheidene Vorlage aufgelegt bekommen. Oder die gegnerische Basis mit dem eigenen Helden vernichten. In der virtuellen Welt geht fast alles – wenn der Spieler gut genug ist. In Karlsruhe und der Region gibt es sogar meisterliche E-Sportler und Profi-Motorsportler, die auf programmierten Rennpisten fahren.

Drei Mal schnappte sich der KIT SC eSports den Titel der Uni-Teams im Strategiespiel „League of Legends“, dem Spielehit mit Zauberern, Kriegern und dem Kampf um die Basis. Mit 130 aktiven Gamern sind die Karlsruher der größte E-Sportverein Deutschlands. Online zocken boomt. Millionen Fans verfolgen Turniere vor Ort in Stadien und von zu Hause per Live-Stream.

Das „League of Legends“-Finale 2019 schauten bis zu 44 Millionen Fans gleichzeitig im Internet. Dennoch haftet der Branche ein schlechtes Image an. Steffen Schmidt, Vorsitzender der Karlsruher Uni-Gamer, sieht aber eine positive Entwicklung: „Die Menschen werden offener.

Die Sportwelt ruht wegen der Corona-Krise. Profi-Kicker und Formel-1-Stars duellieren sich daher virtuell. Auch die Berichterstattung über Online-Sport hat zugenommen.

„Das Interesse kommt aber von medialer Seite“, bewertet Schmidt. Doch das Virus habe laut Schmidt auch negative Folgen für den E-Sport, da große Live-Events abgesagt wurden. Aber: „Der professionelle E-Sport hat es leichter, Alternativen zu finden“, sagt Schmidt.

eSports: Mit nachgebauten Cockpit vor dem Computer

Und die finden derzeit vor allem die Motorsportler. DTM-Champion René Rast dreht normalerweise mit Tourensportwagen seine Runden über Rennstrecken. Auch am Samstag nahm Rast in seinem Schalensitz Platz.

Rast duellierte sich unter anderem mit dem Meister-Duo der ADAC GT-Masters Patric Niederhauser und Kelvin van der Linde. Alle in einem 500-PS-Porsche. Die Hatz über die italienische Hochgeschwindigkeitspiste fand nicht in echt statt. Gemeinsam mit 22 anderen Rennfahrern traten die Profis von daheim aus bei einem Simulator-Rennen an.

Auch 25 Sim-Racer gingen an den Start. Das sind E-Sportler, die vor dem PC mit Lenkrad und Gaspedal und sogar im nachgebauten Cockpit über die Strecke jagen.

Profis und Sim-Racer im Einsatz: Rennstall aus Remchingen richtet eSport-Turnier aus

Der Remchinger Rennstall HCB Rutronik Racing veranstaltete das Event namens „Race for good“. So sollen Spendengelder für Kindersportprojekte der Laureus-Stiftung gesammelt werden. Gespielt wurde „iRacing“, eine der wohl realistischsten Rennsimulationen.

„Wir hoffen, dass die Fahrer eng nebeneinander her rasen“, wünscht sich Teamchef Fabian Plentz schon vorab ähnlich packende Duelle wie in echt. Die gab es zuhauf. Und obendrauf den virtuellen „Heimsieg“ für Rutronik-Fahrer van der Linde.

Den echten Audi R8 hatte Patrick Pignone noch nie unter dem Hintern. Dabei brettert der 29-Jährige regelmäßig damit über Rennstrecken. Auch er ist Teil des Rutronik-Teams – als Sim-Racer. „Ich denke jeder gute Sim-Racer weiß, wie sich ein echtes Rennauto auf der Strecke bewegen lässt“, sagt Pignone. Bis zu 15 Stunden trainiert er pro Woche.

Das Feeling, wenn der Sitz vibriert, „alles klirrt und quietscht“ oder auch die G-Kräfte würden zwar fehlen. Trotzdem sind die virtuellen Autos nah am Original. Das weiß auch Pignone: „Um kompetitiv Sim-Racing betreiben zu können, muss man zig Einstellungen am Auto vornehmen.“

E-Sports statt dem echten Rennen

Der Realismus der Simulationen lockt echte Rennfahrer regelmäßig bei Online-Wettkämpfen an. Pignones Teamkollege, Dennis Marschall aus Eggenstein-Leopoldshafen, drückt auch in Nicht-Corona-Zeiten virtuell aufs Gaspedal.

Normalerweise startet Marschall bei den ADAC GT Masters. Durch die Zwangspause sitzt der Profi-Rennfahrer derzeit bis zu vier Stunden pro Tag am heimischen Simulator. Das Online-Event seines Rennstalls kommt wie gerufen. „Die Rennen sind ein guter Ersatz und helfen dabei, im Rhythmus zu bleiben“, so Marschall.

Szenenwechsel: Beinahe hätte der KSC das 3:2 im Spiel gegen Holstein Kiel erzielt. Stattdessen fangen sich die Karlsruher im Gegenzug den entscheidenden Gegentreffer. Nein, die Bundesliga pausiert weiter.

Ein paar Erst- und Zweitligaprofis kicken aber virtuell – unter anderem beim FIFA 20 Pro Cup. Daran hat KSC-Profi Marco Thiede teilgenommen. Gegen den Kieler Dominik Schmidt musste er sich knapp geschlagen geben. „Zwei auf dem gleichen Niveau“, kommentierte Thiede nach der Partie über Youtube.

SV Sandhausen mit eigener eSports Mannschaft

Das Influencer-Duo von PMTV hat den Wettkampf der Profis an der Konsole organisiert. Unter anderem treten Bayern Münchens Jan-Fiete Arp, der Mainzer Torwart Florian Müller oder Nationalspieler Benjamin Henrichs bei dem digitalen FIFA-Wettstreit an.

Die Sportsimulation zählt zu den erfolgreichsten Spielen weltweit. „War ein geiles Spiel“, zollte der KSC-Profi seinem Kieler Konkurrenten im Anschluss den nötigen Respekt. Ob er wieder dabei wäre? „Sehr, sehr gerne.“

Thiedes Arbeitgeber, der Karlsruher SC, hat sich schon mit E-Sport beschäftigt. Von Vereinsseite heißt es aber, aktuell sei ein eigenes Team kein Thema. Der SV Sandhausen war schon einen Schritt weiter.

2018/2019 nahm der SVS gemeinsam mit E-Sports Rhein-Neckar an der „Virtual Bundesliga“ teil. Das Projekt wurde nach einem Jahr eingestampft. Die Umsetzung des Sandhausener FIFA-Teams sei nicht so gewährleistet gewesen, dass es für die Bundesliga gereicht habe, erklärt ein Sprecher des Zweitligisten.

22 Teams kämpfen um die Meisterschaft in der Virtual Bundesliga

Derzeit spielen 22 Teams aus Liga eins und zwei um die Meisterschaft in der Virtual Bundesliga, die von der DFL gestützt wird. In Baden-Württemberg ist nur der VfB Stuttgart dabei. Teilweise verdienen FIFA-Spieler bis zu 10.000 Euro im Monat. Mit Mohammed „MoAuba“ Arkous stellt Werder Bremen auch den aktuellen Fifa-Weltmeister. 288.000 US-Dollar gab es dafür als Preisgeld.

Trotz gesteigertem Interesse am virtuellen Kick spricht Sportwissenschaftler Schmidt bei FIFA von einem Hype. Das Spiel sei mehr eine Freizeitbeschäftigung.

„Vor allem, weil Partien im Vergleich zu „League of Legends“ oder „Starcraft 2“ kein interessantes Narrativ haben.“ Sprich: Die eindrucksvolle Geschichte hinter dem Match fehlt. Dennoch betont KIT-Wissenschaftler Schmidt, der selbst eine Fußballtrainer-Lizenz hat, dass der KIT SC eSports offen für FIFA-Spieler sei.

Den einen E-Sportler gibt es nicht

Überhaupt gebe es den einen universellen E-Sportler nicht. Simulator-Rennen seien etwas für Realismus-Fans. „Andere Spiele profitieren von der Abstraktion“, erklärt Schmidt. Zielgruppen gebe es für beides.

Die diversen Spiele würden unterschiedliche Anforderungen an den Spieler stellen. „So wie ein Kugelstoßer kaum etwas mit einem 100-Meter-Sprinter oder einer Fechterin gemein hat – außer der Leidenschaft zum kompetitiven Wettkampf“, zieht Schmidt Parallelen.

Man muss zwischen Gaming und wettkampfmäßig betriebenem E-Sport unterscheiden.
Steffen Schmidt, Vorsitzender der Karlsruher Uni-Gamer

Dennoch ist E-Sport noch keine anerkannte Sportart. Die Debatte, ob die Profi-Zocker sich körperlich ertüchtigen, hält sich wacker. Am KIT wurden in einer Studie Übereinstimmungen zwischen PC- und echtem Sport festgestellt.

Schmidt differenziert: „Man muss zwischen Gaming und wettkampfmäßig betriebenem E-Sport unterscheiden. Ambitionierte E-Sportler würde ich persönlich als Athleten bezeichnen.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang