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Reform nach Theaterkrise

Entscheidung über künftige Leitungsstruktur am Badischen Staatstheater Karlsruhe steht bevor

Die schwere Führungskrise um den mittlerweile entlassenen Generalintendanten Peter Spuhler hat am Badischen Staatstheater Karlsruhe die Debatte um Leitungsstrukturen befeuert. Am Donnerstag will die Politik den künftigen Kurs bekannt geben.

Badisches Staatstheater Karlsruhe im Oktober 2021
Erneuert und umgebaut wird das Badische Staatstheater nicht nur äußerlich. Auch eine künftige Leitungsstruktur soll nun als Konsequenz aus der schweren Führungskrise vorgestellt werden. Foto: Arno Kohlem

Es ist eine äußerst ernüchternde Bestandsaufnahme aus dem Innenleben eines Theaters: Die Beschäftigten, so ein Resümee, „bemängelten, dass sie in Entscheidungsprozesse nicht eingebunden waren. Dass ihre Vorschläge für die Verbesserung von Abläufen ungehört verhallten. Dass ihre Warnungen nicht ernst genommen wurden. Dass sie sich verheizt fühlen. Dass sie die Freude an ihrer Arbeit verloren hatten.“ So ist es zu lesen – in der Aufarbeitung einer Führungskrise, die 2009 am Theater Bremen ausgebrochen war.

Nein, der aufgestaute Frust über die Allmacht von Theaterleitern, der im Sommer 2020 am Badischen Staatstheater Karlsruhe öffentlich ausbrach, war und ist kein Einzelfall. Schon Jahre davor war in der deutschen Bühnenlandschaft debattiert worden, ob diese Strukturen noch zeitgemäß seien.

Daher drehte sich auch die Krise in Karlsruhe schon bald nicht mehr nur um die Kritik am konkreten Führungsverhalten des damaligen Generalintendanten Peter Spuhler, dem Machtmissbrauch, Kontrollzwang und permanente Personalüberforderung vorgeworfen wurden.

Vielmehr ging es auch grundsätzlich um althergebrachte Leitungsstrukturen, die der Frankfurter Theatermanagement-Professor Thomas Schmidt, Autor der 2019 veröffentlichten Studie „Macht und Struktur im Theater“, in einem Interview mit unserer Redaktion wie folgt auf den Punkt brachte: „Das Theater ist der letzte feudalistische Bereich.“

Die Frage nach der individuellen Karlsruher Zukunft von Spuhler wurde geklärt durch eine vorzeitige Trennung, die zunächst auf den 31. August 2021 anvisiert und dann überraschend einige Wochen davor per fristloser Kündigung vollzogen wurde. Die Frage nach der allgemeinen Zukunft des Hauses hingegen ist noch offen.

Derzeit läuft die Interimsphase am Staatstheater in Karlsruhe

Denn um Zeit für die Suche nach den nötigen Antworten zu finden, hatten die Theaterträger – das Land Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe – eine dreijährige Interimsphase eingerichtet. Spuhlers Nachfolger Ulrich Peters wurde dezidiert als Interimsintendant bis Ende der Spielzeit 2023/24 engagiert. Im Herbst 2024, so die Idee, soll das Staatstheater, das derzeit baulich saniert wird, auch von innen heraus neu aufgestellt an den Start gehen.

Nun will Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) als Vorsitzende des Theater-Verwaltungsrats an diesem Donnerstag bekannt geben, wie der Beschluss für ein neues Leitungsmodell aussehen soll. Dann wird sich zeigen, ob es tatsächlich zu einer grundlegenden Neuordnung kommt. Als die Führungskrise ausbrach, hatte der Verwaltungsrat des Theaters, dem neben Ministerin Bauer auch der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup vorsitzt, zunächst nur Reformschritte angekündigt, die das Arbeitsklima unter Beibehaltung des Generalintendanten verbessern sollten.

Spuhlers Nachfolger Peters allerdings absolviert seine dreijährige Interims-Amtszeit „nur“ noch als Intendant (ohne das Zuwort „General“), der ausdrücklich eine gemeinsame Theaterleitung mit dem Geschäftsführenden Direktor Johannes Graf-Hauber und der Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann darstellt.

Eine Alternative wäre eine Aufteilung auf Sparten-Intendanzen, wie es sie seit längerem am Nationaltheater Mannheim und dem Staatstheater Stuttgart gibt. Politisch gewollt war dies in beiden Fällen ursprünglich nicht: In Stuttgart wurde das Modell eingeführt, nachdem der Generalintendant Wolfgang Gönnenwein 1992 wegen des Vorwurfs, öffentliche Gelder veruntreut zu haben, zurückgetreten war. In Mannheim trat Regula Gerber 2012 wegen einer längerfristigen Erkrankung als Generalintendantin zurück. Die Interims-Leitung durch die Spartendirektionen wurde 2013 offiziell als Modell festgelegt.

Spartenmodell in Karlsruhe als schwierig eingestuft

Ein solches Modell sei in Karlsruhe aufgrund der komplexen Struktur des Hauses zumindest kurzfristig nicht sinnvoll einzuführen, hatten Bauer und Mentrup nach der Trennung von Spuhler betont. Allerdings gibt es mittlerweile auch etliche Theater, an denen Führungspositionen mit Doppelspitzen oder sogar mehrköpfigen Teams besetzt sind, darunter auch große „Tanker“ wie das Schauspielhaus Zürich oder das Theater Dortmund.

Selbst im Deutschen Bühnenverein, dem Verband der Theaterträger, hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass die althergebrachten Formen neu aufgestellt werden müssen. So wurde der 2018 im Zug der „MeToo“-Debatte erstmals aufgesetzte Verhaltenskodex 2021 erweitert, um Forderungen an die Theaterleitungen und Rechtsträger, Auswahlprozesse und Schlüsselkompetenzen neu zu definieren.

Marc Grandmontagne, bis 2021 Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, hatte gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt, es reiche nicht, die Spitzen auszutauschen – das ganze Theater müsse sich bewegen. Grandmontagne wörtlich: „Da muss die Politik sich vielleicht einfach auch mehr trauen, von den bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten mehr Gebrauch zu machen.“ Wie viel sich die Politik in Karlsruhe traut, wird sich an diesem Donnerstag zeigen.

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