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Unterschiede in den Krankenhäusern

Karlsruher Klinikchefs in großer Sorge vor der neuen Welle in der Corona-Pandemie

Die Covid-Lage an Karlsruhes Kliniken ist nicht gut, aber viel besser als um den Jahreswechsel. Dennoch: Richtige Erleichterung will bei den Klinikchefs nicht aufkommen. Welchen flehenden Appell richten die Experten des Städtischen Klinikums an die Politik?

Ein Mitarbeiter im Krankenhaus auf der Covid-Intensivstation
Besonders intensiv: Für das Pflegepersonal im Krankenhaus ist der Einsatz auf der Covid-Intensivstation sehr anstrengend – und das seit bald einem Jahr. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Die Corona-Lage in den Karlsruher Krankenhäusern ist relativ entspannt. Dabei machen sich die Chefs der Kliniken große Sorgen, dass sich das schnell wieder ändern kann. Die Experten sind sich einig: Der März wird es weisen, ob die Virus-Mutationen auch Karlsruhe und besonders seine Krankenstationen mit der dritten Welle der Pandemie voll erwischen.

„Wir können uns über die Entwicklung nicht freuen, es gibt keinen Rückgang mehr. Wir haben ein Plateau, das ist sehr kritisch zu bewerten“, sagt Michael Geißler, der Chef des Städtischen Klinikums. Die Reproduktionszahl bei der Corona-Infektion sei „besorgniserregend hoch“.

Die aggressivere Mutation mache inzwischen auch in der Region 25 Prozent der Ansteckungen aus. „Vor zwei Wochen waren es noch zehn Prozent, Ende nächste Woche können es 40 Prozent sein.“ Geißler sieht das Ziel des Lockdowns, den Inzidenzwert 35 als Richtgröße für Lockerungen, „weit entfernt“.

Deshalb müsse sich die Gesellschaft trotz aller verständlichen Sehnsucht nach Öffnung unbedingt noch drei, vier Wochen gedulden, meint er. Auch er habe die Einschränkungen satt, „aber die andere Seite wiegt schwerer“. Statt Freiheit und Komfort gehe es da um Leben oder Tod. Auch das Leid durch „Long-Covid“, die Spätfolgen der Krankheit, werde in seinem Ausmaß immer deutlicher.

Warnung an Politiker: Gefahr nicht wieder unterschätzen

„Wir sind jetzt in einer extrem schwierigen Phase“, sagt Geißler. Nun dürfe man nicht wie die Ministerpräsidenten der Länder im Herbst wieder den Fehler machen, die Gefahr zu unterschätzen und den Lockdown abzuschwächen. Er „bittet in extremer Sorge dringlich“ die Politiker, „den Mut zu behalten“ und dem Lockerungsdruck mit Ausnahme bei den Kitas und Schulen nicht nachzugeben.

Wenn wir den Deckel nicht drauf lassen, fliegt uns das um die Ohren.
Michael Geißler, Chef des Städtischen Klinikums

„Wenn wir den Deckel nicht drauf lassen, fliegt uns das um die Ohren“, äußert Geißler. Die Zahl der Ansteckungen würde wieder sprunghaft ansteigen, „dann haben wir die gleiche Situation wie im Dezember“, bekräftigt der Klinikchef. Das wäre „Wahnsinn“, pflichtet Klinikdirektor Martin Bentz bei.

Darunter würden erneut auch die Menschen mit schweren Krankheiten wie Herzinfarkt oder Krebs leiden, weil sich der Maximalversorger Städtisches nicht angemessen um sie kümmern könnte. Auch das ewige Besuchsverbot bedeute „eine ganz schwierige Situation“ für die Schwerkranken, ihre Angehörigen und das Personal, unterstreicht Bentz.

Es sieht gar nicht nach einem Rückgang der Pandemie aus.
Michael Geißler, Chef des Städtischen Klinikums

Vor diesem Hintergrund müsse das Klinikum leider im Alarmzustand der Pandemiestufe zwei bleiben. Vorerst habe man deshalb den Plan, die zweite Covid-Intensivstation am Städtischen aufzulösen, wieder aufgegeben. „Wir kommen nicht runter auf Stufe eins, das ist sehr unbefriedigend“, klagt Geißler. Er kritisiert: „Es sieht gar nicht nach einem Rückgang der Pandemie aus. Und wir impfen viel zu langsam.“

Deshalb sei die Belastung der Krankenhäuser seit bald einem Corona-Jahr immer noch viel zu hoch. Martin Bentz, Chefarzt der Covid-Stationen am Städtischen, beobachtet, dass die Zahl der über 80 Jahre alten Covid-Schwerkranken wegen des Impffortschritts zurückgeht. Doch nun füllten viel mehr Covid-Patienten zwischen 60 und 80 Jahren die Stationen.

ViDia kann derzeit entspannter sein als das Städtische

Trotz vergleichsweise niedriger Belegungszahlen mit Covid-Patienten, unterscheidet sich die Situation in den Krankenhäusern deutlich: Das Städtische Klinikum ist inzwischen weit stärker belastet als die ViDia Kliniken. Bei ViDia stagniert die Zahl der Covid-Patienten auf sehr niedrigem Niveau.

Dagegen spiegelt sich im Städtischen die aktuell leicht steigende Virus-Verbreitung in der Gesellschaft wider. Dort liegen zehn Patienten auf Covid-Intensivstation und 22 Personen befinden sich auf der Covid-Allgemeinstation. Die ViDia Kliniken hatten am Freitag nur noch einen Covid-Kranken auf Intensivstation im Vincentius, dazu dort neun Patienten auf Covid-Allgemeinstation.

Das Diakonissen in Rüppurr meldet einen einzigen Covid-Kranken auf Allgemeinstation. „Das ist ein stabil niedriges Niveau“, betont Karl-Jürgen Lehmann, Vorstand der ViDia Kliniken. Deshalb könne man bei der OP-Auslastung nun die Normalität anstreben. Angesichts der drohenden Gefahr durch eine von den Epidemiologen angekündigte dritte Pandemiewelle müsse man aber die Reserven für die Covid-Patienten vorhalten, erklärt Lehmann.

Wir müssen mit dem Impfen den Wettlauf gegen das Virus gewinnen.
Karl-Jürgen Lehmann, Vorstand der ViDia Kliniken

Er sieht „eine entspannte Lage in Karlsruhe, der Inzidenzwert 40 bis 50 sei „gar nicht so schlecht“. In Sorge vor der „sicher kommenden“ neuen Welle beteuert Lehmann, „wir müssen mit dem Impfen den Wettlauf gegen das Virus gewinnen“. Gelinge dies, könne man in Karlsruhe auch relativ gut mit den künftigen Ausschlägen des Pandemie-Geschehens klar kommen, meint er.

Am großen Effekt des neuen Zaubermittels Selbsttest beim politischen Umgang mit der Pandemie hegen die Mediziner noch Zweifel. „Es gibt da noch zu viele Unsicherheiten“, dämpft Lehmann die Erwartungen.

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