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Krise im Nahen Osten

Regeln für Demonstrationen: Stadt Karlsruhe macht Anmeldern von Versammlungen klare Ansagen

Drei weitere Kundgebungen sind in Karlsruhe derzeit angemeldet. Um etwas zu deren Inhalt zu erfahren, führt die Stadt sogenannte Kooperationsgespräche. Absagen sind die ultima ratio.

Israel-Flagge auf dem Marktplatz Karlsruhe
Am Dienstag weht die Ersatz-Flagge vor dem Rathaus. Sie ist etwas kleiner und soll am Mittwoch durch eine größere ersetzt werden. Foto: Stefan Proetel

Vor dem Karlsruher Rathaus weht die israelische Flagge im Wind. Es ist ein etwas kleineres Modell als das am Vortag, erst wieder am Mittwoch soll eine Fahne der ursprünglichen Größe die Solidarität Karlsruhes mit Israel zum Ausdruck bringen. Ursache des Wechsels am Dienstag: Unbekannte haben die in der vergangenen Woche aufgehängte Fahne in der Nacht gestohlen. „Am Morgen war sie nicht mehr da“, sagte Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) bei einer Pressekonferenz.

Mentrup machte bei dem Termin deutlich, was er vor dem Hintergrund der Unruhen im Nahen Osten von allen erwartet, die sich in Karlsruhe an Kundgebungen beteiligen: Jeder müsse sich ohne Einschränkungen gegen die terroristischen Morde und das Leiden der unschuldigen Zivilbevölkerung bekennen.

In Karlsruhe sind drei weitere Kundgebungen angemeldet

Drei weitere Kundgebungen sind derzeit angemeldet: am Freitagabend eine Pro-Palästina-Versammlung mit 200 Teilnehmern auf dem Marktplatz, am Samstag eine Menschenkette ebenfalls auf dem Marktplatz, die Solidarität mit Kriegsopfern ausdrücken soll und danach an gleicher Stelle eine Veranstaltung gegen Kolonialisierung mit 300 Teilnehmern.

Auch aufgrund zeitlicher Überschneidungen wird die Stadt in den sogenannten Kooperationsgesprächen mit den anmeldenden Personen auf eine Verlegung drängen, sagte Maximilian Lipp, Leiter des Ordnungs- und Bürgeramts. Solche Gespräche werden vor jeder Kundgebung geführt. Zudem versuche sein Amt, im Austausch mit den Polizeibehörden Erkenntnisse über die anmeldende Person und den Inhalt der Versammlung zu gewinnen.

Dies sei keine Meinungsabfrage, aber der Versuch, herauszufinden, ob bei der Kundgebung möglicherweise der Boden des Gesetzes verlasse werden könnte.

Das Verbot einer Versammlung ist immer die ultima ratio.
Maximilian Lipp
Leiter des Ordnungs- und Bürgeramts

Vor dem Hintergrund der Versammlungs- und Meinungsfreiheit kann es laut Lipp keine leichtfertigen Entscheidungen geben, ob eine angemeldete Versammlung stattfinden darf oder eben nicht. Dennoch gebe es klare Grenzen. Die liegen vor, wenn seiner Behörde beispielsweise ein Anhaltspunkt vorliege, dass die Sicherheit und die öffentliche Ordnung gefährdet oder es absehbar Verstöße gegen die Rechtsordnung geben wird. „Das Verbot einer Versammlung ist aber immer die ultima ratio“, sagte Maximilian Lipp.

Andere Städte haben laut Lipp bei ihren Absagen von Versammlungen konkrete Hinweise gehabt, dass es zu Straftaten kommen wird. In Karlsruhe habe man solche Anhaltspunkte noch nicht gehabt.

Polizei und Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermitteln

Auch Anmelder, die andernorts bereits unangenehm aufgefallen sind, dürfen in Karlsruhe keine Kundgebung ausrichten, sagte Oberbürgermeister Mentrup. Generell sei es aber zu akzeptieren, dass auch Kundgebungen für das Selbstbestimmungsrecht Palästinas stattfinden, sofern dort niemand antisemitisch agiert oder das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird.

Oberbürgermeister Frank Mentrup (links) und Maximilian Lipp, Leiter des Ordnungs- und Bürgeramts.
Oberbürgermeister Frank Mentrup (links) und Maximilian Lipp, Leiter des Ordnungs- und Bürgeramts. Foto: Stefan Proetel

Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gerade, ob bei der Pro-Palästina-Kundgebung am vergangenen Dienstag antisemitische Parolen gerufen wurden und zum Kampf gegen Israel aufgerufen wurde. Mentrup und Lipp machten klar, dass eine laufende Kundgebung sofort aufgelöst werde, wenn es zu Verfehlungen kommt. In der vergangenen Woche habe der übersetzende Polizist vor Ort keine Verstöße erkannt. Ein zufällig anwesender Islamwissenschaftler jedoch schon, wie er den BNN sagte.

Da es sich oft um geschichtliche, religiöse Aussagen handle, müsse ein Übersetzer die Chiffre heraushören, sagte Mentrup. Er wünscht sich deshalb, dass bei der nächsten Pro-Palästina-Kundgebung auch ein Religionswissenschaftler anwesend ist.

Am Donnerstag wollte Karlsruhe ein weiterführendes politisches Signal aussenden

Der Oberbürgermeister legte am Dienstag auch offen, dass sich die Stadt am Montag vergangener Woche intensiv mit der Frage beschäftigt hat, mit welchen Maßnahmen sie ihre Solidarität mit Israel ausdrücken möchte. Demnach habe man sich für die aktive Beteiligung an der Mahnwache der Jüdischen Kultusgemeinde, die Ansprache des Oberbürgermeisters im Gemeinderat und die dort abgehaltene Schweigeminute, das Versenden von Solidaritätsbekundungen sowie das Anbringen eines Trauerflors entschieden.

Zu der Frage, warum die Stadt etwa auf das Hissen einer israelischen Flagge zunächst verzichtete, nahm Mentrup keine Stellung. Er hält, wie er sagte, die Frage nach dem Warum für unangebracht. Jedenfalls habe es aus der Bürgerschaft und dem Gemeinderat keine negativen Reaktionen gegeben.

Am Donnerstag habe sich die Situation dann mit dem Gewaltaufruf der Hamas verändert. Mit dem Hissen der Flagge wollte Karlsruhe ein weiterführendes politisches Signal für seine klare Position senden, zumal am Wochenende die Besucherinnen und Besucher des Stadtfestes sehen sollten, dass es bei allem Feiern auch schreckliches menschliches Leid gebe.

Israel-Flagge vor dem Rathaus Karlsruhe soll hängen bleiben

Die Israel-Flagge soll nun erst einmal hängen bleiben. Durch die Vorfälle in ganz Deutschland, bei denen Fahnen abgerissen wurden, habe das Aufhängen der Fahnen noch einmal an Bedeutung gewonnen, sagte Mentrup. Gleichwohl könne er sich vorstellen, dem Vorbild Heidelbergs zu folgen. Die Stadt habe die israelische Flagge eingeholt und dafür eine Fahne mit der Aufschrift „Mayors for Peace“ („Bürgermeister für Frieden“) gehisst.

Unabhängig davon möchte die Stadt noch einmal nachlegen: Sie plant laut OB mit anderen Beteiligten eine eigene Kundgebung.

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