Fastnacht feiern, während Bomben auf die Ukraine fallen? In Karlsruhe haben sich die Narren und die Stadtpolitik darauf geeinigt, das coronabedingt ohnehin verkleinerte „Umzügle“ am Fastnachtssonntag stattfinden zu lassen. Deutlich mehr als 500 Menschen hätten dem Defilee der närrischen Fußgruppen auf dem abgesperrten Messplatz gern zugesehen. Der Einlass ist jedoch auf diese Zahl beschränkt, das letzte Eintrittsbändchen vergeben die Ordner um kurz nach 14 Uhr.
Angesichts des Krieges in der Ukraine tritt Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) vor der weit auseinandergezogenen Runde der Zuschauer auf die Bühne vor der Zuschauertribüne. „Ich glaube, auch hier ist vielen heute nicht zumute nach Schunkeln, Humor und Freude“, sagt Mentrup. „Aber im zweiten Coronajahr kämpfen wir auch darum, dass die Pandemie nicht unsere Bräuche und auch nicht die Jugendarbeit zerstören kann.“ Deshalb sei das „kleine Format“ richtig als Anerkennung für ehrenamtliches Engagement „heute und das ganze Jahr“.
Mentrup betont, keine Tradition stehe so für Antimilitarismus wie die deutsche Fastnacht. Sie nehme Orden auf die Schippe und stehe für bunte Vielfalt und Freiheit in der Demokratie: „Fastnachter waren von Gewaltherrschern immer besonders ungelitten.“ Auf dem Messplatz zusammenkommen zu können, bedeute auch, sich gemeinsamer Grundwerte zu vergewissern.
Spenden für Umzugsbuttons gehen an die Ukraine
Für den Festausschuss Karlsruher Fastnacht (FKF), Dachverband von rund 25 Fastnachtsvereinen, ist die Veranstaltung „ein Zeichen dafür, dass die Karlsruher Fastnacht Corona überlebt hat und sich auch sonst nicht unterkriegen lässt“. Am Einlass gibt es Buttons und ein Sparschwein für Spenden. Sie gehen an „Deutschland hilft“ zur Unterstützung der Ukraine.
Viele Familien mit kleinen Kindern haben sich großzügig verteilt an der rund 500 Meter langen Kreisbahn des Miniumzugs. Auch Jugendliche stehen beieinander, viele in Tüllröckchen oder Bauarbeiterwesten oder wie zwei 18-Jährige aus Durlach und Berghausen als Engelchen und Teufelchen. Für jeden ist Platz in der ersten Reihe.
Schlangestehen vor dem Einlass
Schon um 12.30 Uhr, eine halbe Stunde vor dem angekündigten Einlass, lassen die Veranstalter rund 100 Zuschauer auf den Messplatz, damit es in der Warteschlange nicht eng wird. Um 13 Uhr sind laut FKF-Geschäftsführer Alexander Loesch bereits rund 200 Menschen da. Die Sonne strahlt, der Februarwind zerzaust die knallrote Perücke eines kleinen Clowns. Warm haben es in Kostümoveralls die Kinder der Familie Groth aus Pfinztal-Söllingen, die fünfjährige Pepper als Drache und der zweijährige Juri als Löwe.
Miriam Friedrich aus der Oststadt bekommt ein letztes Eintrittsbändchen. Die 34-Jährige mit kessem Matrosenhütchen entstammt der See-Fasnet am Bodensee und sagt: „Es hilft keinem, wenn wir das hier auslassen.“
Einen Sonnenplatz mit dem Kulturzentrum Tollhaus als Kulisse belegen die blau glitzernd geschminkten „Hardtbäzler“ aus Linkenheim. „Es passiert so viel Schlimmes, da darf man auch mal abschalten“, findet ihr Organisator Marius Westenfelder. Für Isabella Ritter neben ihm ist das Umzügle „die einzige Chance, den Pelz auszulüften.“
Wilde Masken und süße Gaben
Die 22 Zugnummern führt ein Minifahrzeug des FKF mit Pappfigur an, dahinter tritt die Europafanfare Karlsruhe auf mit Getrommel und zur Freude des Publikums hellem Fanfarenklang. Dem Carnevalclub (CC) Dickhäuter folgen in Narrenzipfelkappen die Aktiven der Mühlburger Carnevals Gesellschaft (MCG), die Schlotzernarren. Sie haben Lollies dabei und reichen sie Kindern einzeln über die niedrige Absperrung. Alle Fastnachtsgruppen drehen extra langsam ihre Runde.
Viel fotografiert werden die wild maskierten Wimsheimer Waldgschdalda aus dem Enzkreis, denen Karlsruhes traditionsreichster Narrenvereinigung, die KG Badenia, folgt. Tänzerinnen des CC Waldstadt zeigen in roten Plüschcapes, was sie können, auch die grünen Waldgeister des Clubs sind dabei, so wie aus der Heidenstückersiedlung die Gruppe „S’gnizze Brigändle“ und die Sumpfkraischerhexe aus Bulach. Auf Augenhöhe mit den kleinen Zuschauern verteilen die „Fröschle“ der 1. KG Daxlanden Bonbons.
Hexen treiben Schabernack
Vor der Bühne rufen die „Raschdadder Nachtgrabbe“ ihre Krährufe, der KG Fidelio folgt mit flotter Musik die Kampus Kapelle vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Mit von der Partie sind auch die KaGe 04 Durlach, die Dodderdabber der KGO, die Straßenbahner der StraBaKa, der Rintheimer Carneval Club (RCC) „Sandhasen“.
Die Grötzinger Hottscheck-Narrenzunft ist pfiffigerweise mit der Straßenbahn von Durlach-Aue zum Umzügle gekommen. Sie bringt einen Hauch alemannischen Treibens auf den Messplatz, wie auch die Bühler Hexen, die Konfetti werfen und Schabernack auf der Tribüne treiben. Kurz nach 15 Uhr brechen die ersten Zuschauer auf, wie Agnes Fischer aus der Oststadt. Das geordnete Arrangement sei für ihren vierjährigen Wilko und den zweijährigen Valentin „sehr schön“ gewesen, sagt sie, „nur die Hexen waren für sie noch zu wild.“
Während sich das Umzügle auflöst, ist Oberbürgermeister Mentrup unterwegs zu einer virtuellen Pressekonferenz zur Ukraine, und Hunderte Menschen kommen zum Marktplatz zur Demonstration gegen den Krieg. Die Fastnacht ist in Karlsruhe vorbei. Maier wird Mentrup am Aschermittwoch um 10.30 Uhr auf dem Marktplatz still den Rathausschlüssel zurückgeben, dann baut das FKF den Narrenbaum ab.