Zu Besuch im Tierschutzhof Karlsruhe. Stephan Winterhoff leitet die Einrichtung und stellt fest: „Mit 18 Hunden sind wir voll. Wir können keine Tiere mehr aufnehmen.“
Während der Corona-Krise sei die Zahl der Halter hochgegangen, die Halte-Dauer dagegen habe sich verkürzt. „Es wurden unüberlegt Hunde angeschafft, die Halter sind überfordert“, vermutet Winterhoff. Das gelte besonders für Tiere aus dem Ausland.
„Die landen dann hier. Oft sind es traumatisierte Hunde, die falsch geprägt wurden und Verhaltensauffälligkeiten zeigen, deshalb werden sie abgegeben.“
Pinky ist eine von ihnen. Die Mischlingshündin sei unter der Hand aus Südeuropa eingeführt worden und habe drei Stellen binnen kürzester Zeit durchlaufen. Zurück blieb ein verängstigtes Tier, schwer vermittelbar.
Abschiebe-Welle in der Urlaubszeit
Auch das Tierheim in Bruchsal ist restlos belegt. Maik Riedel kann die Anfragen für die Abgabe von Hunden nicht mehr bedienen. „Wir können nicht alles annehmen.“ Seit dem Frühjahr, besonders in den Sommermonaten würden vermehrt Hunde abgeschoben, verdeutlicht er.
Oft sind es traumatisierte Hunde, die falsch geprägt wurden.Stephan Winterhoff, Tierschutzhof Karlsruhe
Wenn die Zeit für den Hund beim Halter nicht mehr da sei, würden teilweise Geschichten aufgetischt: Das Kind hätte plötzlich eine Allergie beispielsweise. „Nach meiner Erfahrung handelt es sich oft um vorgeschobene Gründe“, sagt Riedel.
Jessica Sestak von Emmys Tierparadies in Eggenstein teilt diese Erfahrung. Sie berichtet von einer Abschiebe-Welle in der Urlaubszeit: „Ich hatte bereits mehrere Anfragen von Urlaubsbetreuungen für Welpen, mitunter Hundebabys, die gerade mal zehn Wochen alt waren. Und auch von frisch angeschafften Hunden, die sich eigentlich erst an die neue Familie hätten gewöhnen müssen.“
Jessica Sestak vermutet, dass das Interesse an den Haustieren nachlässt
Sie vermutet, dass nach den Lockerungen viele wieder das Interesse an dem Hund verloren haben oder ihr unabhängiges Leben von vor der Pandemie führen möchten.
„Vor den Ferien war die Nachfrage extrem“, bestätigt Stephan Winterhoff die Einschätzungen seiner Mitstreiter. „Da bekommen Sie viel erzählt. Mit jedem Hund kommt eine neue Geschichte, um das Gewissen zu beruhigen.“
Verstöße gegen den Tierschutz nehmen zu
Es gibt aber nicht nur Hunde, die vom Halter abgegeben werden, sondern auch solche, die dem Halter entzogen werden. Das Veterinäramt des Landratsamts Karlsruhe geht als zuständige Behörde für den Bereich Tierschutz im Landkreis Karlsruhe den tierschutzrechtlichen Anzeigen nach. Viele dieser Anzeigen betreffen auch private Hundehaltungen.
Veterinäramt kann den Hund wegnehmen
Es gibt regelmäßig Fälle, bei denen Verstöße festgestellt werden und Maßnahmen ergriffen werden müssen. Die zuständige Amtstierärztin Yvonne Regier beschreibt die Situation: „Im zweiten Halbjahr 2021 mussten bereits fünf Hunde aus tierschutzrechtlichen Gründen fortgenommen und anderweitig untergebracht werden. Im Jahr 2020 waren es insgesamt zwei Hunde.“
„Mit jedem Hund kommt eine Geschichte, um das Gewissen zu beruhigen“Stephan Winterhoff, Tierschutzhof Karlsruhe
Manchmal ist diese anderweitige Unterbringung ein Gnadenplatz auf dem Tierschutzhof. „Wir sind durch das Veterinäramt überfüllt“, konstatiert Stephan Winterhoff.
Doch was passiert mit Hunden, die keinen Platz mehr kriegen? „Die müssen sich an andere Tierheime wenden, unsere Plätze sind belegt“, betont Maik Riedel vom Tierheim Bruchsal. Und wenn die auch voll belegt sind? „Die letzte Wahl heißt: Aussetzen – das kommt leider vor.“
Pinky läuft herrenlos durch Karlsruhe
So war es auch bei Pinky. Nach dem dritten Orts- und Besitzerwechsel wurde die Mischlingshündin ausgesetzt; das war vor den Sommerferien. Pinky lief herrenlos durch Karlsruhe, wo sie auf der Südtangente gesichtet wurde.
Unter Polizeieinsatz konnte die Hündin eingefangen und in Obhut gebracht werden. Seitdem kümmert sich Stephan Winterhoff um sie.
„Während Corona musste es schnell gehen“, sagt Winterhoff und kritisiert, dass viele Hunde direkt aus dem Ausland nach Deutschland vermittelt werden, ohne dass eine Pflegestelle dazwischen geschaltet ist. So könnten die neuen Besitzer ihre künftigen Haustiere nicht kennenlernen und das ende oft so wie bei Pinky.
Überstürzte Anschaffung der Tiere führt zu viel Leid
Der pandemiebedingte Hundeboom zeigt weitreichende Folgen. Die damit verbundene oft überstürzte Anschaffung der Tiere führt zu viel Leid, fasst Experten Jessica Sestak zusammen. Die ausgelasteten Tierheime würden dies belegen.