Der größte Ortsverein des Landes im größten Corona-Hotspot des Landes: Die SPD Pforzheim lädt ihre rund 320 Mitglieder zu einer Versammlung am 2. Dezember. Dann sollen endlich die Pforzheimer Delegierten für die Nominierungskonferenzen zur Bundestagswahl und zur Landtagswahl bestimmt werden.
Trotz des hohen Infektionsgeschehens und strenger Beschränkungen für Versammlungen könne die Veranstaltung im Pforzheimer Congresscentrum (CCP) durchgeführt werden, so Ortsvereinsvorsitzende Johanna Kirsch.
Ausnahmegenehmigung von Landeswahlleiterin?
Dennoch wäre die Parteiversammlung nach aktuellem Stand auch dann möglich, wenn alle der rund 320 Ortsvereinsmitglieder teilnehmen. Ortsvereinsvorsitzende Kirsch: „Wir haben von der Landwahlleiterin die Ausnahmegenehmigung erhalten, uns auch mit mehr als 100 Mitgliedern zu versammeln und werden zusammen mit dem Team vom CCP alles daran setzen, die höchsten Abstands- und Hygienemaßnahmen einzuhalten.“
Kirsch bittet angesichts der Corona-Lage um Verständnis. „Uns ist bewusst, dass die Wiederholung in der jetzigen Phase viel von unseren Mitgliedern abverlangt. Nach rechtlicher Prüfung aller Alternativen bleibt uns jedoch nur die Form der Präsenzversammlung. Wir hätten eine andere Form der Delegiertenwahl bevorzugt, müssen nun aber erneut zusammenkommen.“
Viele Gastronomen, Dienstleister und Einzelhändler in Pforzheim bangen um ihre Existenz. Und die SPD nutzt eine Ausnahme, obwohl die Veranstaltung noch gar nicht zwingend ist.SPD-Rebell Uwe Hück
Überhaupt kein Verständnis hat Partei-Rebell Uwe Hück. „Ich bin entsetzt“, sagt der Stadtrat und verweist auf den Teil-Lockdown und die Vorbildfunktion der Politik. „Viele Gastronomen, Dienstleister und Einzelhändler in Pforzheim bangen um ihre Existenz. Und die SPD nutzt eine Ausnahme, obwohl die Veranstaltung noch gar nicht zwingend ist.“
Uwe Hück, der im Kreisvorstand Beisitzer ist, sagt, er habe sich vergeblich für einen Termin im Januar eingesetzt. Der Vorstand beschloss den 2. Dezember mit fünf zu vier Stimmen.
Wie ein Sprecher der Landeswahlleiterin Cornelia Nesch auf Anfrage von bnn.de sagte, können die Parteien ihre Wahlvorschläge für die Landtagswahl am 14. März bis zum 14. Januar beim Kreiswahlleiter einreichen.
Rückendeckung für die Pforzheimer Genossen gibt Maja Schubert vom SPD-Landesverband: „Demokratie muss auch in Krisensituation funktionieren. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass Vorbereitungen für demokratische Wahlen getroffen werden müssen.“ Pforzheim sei der letzte Wahlkreis ohne abgeschlossene SPD-Nominierung. „Wir unterstützen den Kreisvorstand in ihrer Entscheidung und bei der Umsetzung des Hygienekonzeptes“, so die Sprecherin von Landeschef Andreas Stoch.
SPD nominiert Bundestagskandidat zuerst
Nach dem Zeitplan der SPD soll es nach langen Verzögerungen im Dezember Schlag auf Schlag gehen: Die Nominierungskonferenz im Landtagswahlkreis 42 „Pforzheim“ soll schon fünf Tage nach der geplanten Wahl der Delegierten, nämlich am 7. Dezember, in der Bergdorfhalle Büchenbronn stattfinden.
Und die Nominierungskonferenz für die Bundestagswahl ist im Wahlkreis 279 sogar schon am 5. Dezember in Conweiler geplant, obwohl hierzu deutlich längere Fristen gelten, da die Bundestagswahl ja erst im Herbst 2021 ist.
In der von Politik-Quereinsteiger Hück gegründeten SPD-Gruppierung „Offene Partei“ wähnt man, die Hück-Gegner um die Pforzheimer Bundestagsabgeordnete Katja Mast wollen angesichts des weiter schwelenden Machtkampfs in der SPD Pforzheim endlich Tatsachen schaffen.
Im Mast-Lager verweist man indes auf die Rolle von Uwe Hück, der die in Teilen chaotisch verlaufene erste Delegiertenwahl vom 27. Juli erfolgreich vor den Parteigerichten der SPD angefochten hatte.
Behörden: Rechtlich auf der sicheren Seite
Hück sieht das anders: „Wenn die SPD Ende Juli gleich auf den damaligen Kreisvorsitzenden Christoph Mährlein gehört hätte, dann wäre schon längst alles in trockenen Tüchern.“ Zum jetzigen Zeitpunkt sei die Versammlung für ihn „moralisch nicht zu vertreten“.
Rechtlich gesehen sind die SPD-Oberen auf der sicheren Seite. Wie etwa für Demonstrationen und andere vom Grundgesetz besonders geschützte Versammlungen gilt für eine Parteinominierung nicht die Obergrenze von 100 Personen, die die aktuelle Corona-Landesverordnung vorschreibt.
Dazu bedarf es auch keine „Ausnahmegenehmigung der Landeswahlleiterin“, wie es beim Ortsverein Pforzheim hieß. Ein Behördensprecher klärt auf: „Eine Ausnahmegenehmigung gab es nicht und braucht es auch nicht. Es wurde lediglich die geltende Rechtslage in einem Schreiben dargelegt.“
Und auch die Stadt gibt grünes Licht. Ordnungsamtschef Wolfgang Raff: „Das CCP verfügt über hinreichende Hygiene- und Abstandskonzepte.“
Auch andere Parteien haben derzeit Corona-Ärger mit geplanten Versammlungen:
Die Bundes-CDU hatte einen im Dezember geplanten Parteitag verschoben.