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„Kein Pandemie-Diktator“

Kretschmann äußert sich: Das sind die neuen Corona-Regeln für Baden-Württemberg

Der von Bund und Ländern beschlossene, verschärfte Lockdown wird in Baden-Württemberg „hart umgesetzt“. Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnt vor einer „im Kern neuen Pandemie“ – und bleibt Details zu möglichen Beschränkungen schuldig.

Enttäuschte Hoffnungen: Mit dem Fernsehkoch Vincent Klink haben sich vor den Bund-Länder-Beratungen zahlreiche Gastronomen und Wirte in Baden-Württemberg dafür eingesetzt, eine Öffnungsperspektive für Ostern zu erhalten. Stattdessen sollen die Schließungen aber weitergehen.
Enttäuschte Hoffnungen: Mit dem Fernsehkoch Vincent Klink haben sich vor den Bund-Länder-Beratungen zahlreiche Gastronomen und Wirte in Baden-Württemberg dafür eingesetzt, eine Öffnungsperspektive für Ostern zu erhalten. Stattdessen sollen die Schließungen weitergehen. Foto: Marijan Murat picture alliance/dpa

Eine verschärfte Notbremse, erhebliche Einschränkungen im öffentlichen Leben vom 1. bis 5. April und ein Aus für die Idee des „kontaktarmen“ Osterurlaubs in Deutschland: Nach dem nächtlichen Beratungsmarathon von Bund und Ländern muss Baden-Württemberg jetzt die neuen Corona-Auflagen umsetzen.

Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) warnt am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Zusammenhang mit der Ausbreitung der gefährlichen Mutanten vor einer „im Kern neuen Pandemie“ und sieht noch Widersprüche zwischen einzelnen Landesregelungen und dem Beschluss der Beratungen.

Diese Corona-Regeln sollen voraussichtlich auch in Baden-Württemberg bis zum 18. April gelten:

Einschränkungen in der Corona-Krise über Ostern

Vom 1. bis einschließlich 5. April soll das öffentliche, wirtschaftliche und private Leben weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu durchbrechen.

„Es gilt damit an fünf zusammenhängenden Tagen das Prinzip #WirBleibenZuHause“, hieß es dazu in dem nächtlichen Beschluss von Bund und Ländern, den Baden-Württemberg umsetzen soll. Details dazu gibt es bislang aber nur wenige.

Fest steht, dass Gründonnerstag und Karsamstag einmalig als Ruhetage definiert werden. Ministerpräsident Kretschmann konnte am Dienstag allerdings nicht sagen, ob etwa sämtliche Unternehmen wie an Feiertagen geschlossen bleiben sollen. Laut Kretschmann ist dies rechtlich noch nicht sauber geprüft. „Ich könnte mir aber vorstellen, dass alles zu ist. Das muss erst der Bund klären“, so der Landeschef.

Zusammentreffen über die Feiertage

In der „Ruhepause“ der Osterfeiertage gilt laut der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern ein Verbot von Ansammlungen im öffentlichen Raum. Es dürfen sich maximal fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, Kinder unter 14 nicht mitgezählt.

Paare mit getrennten Wohnungen gelten als ein Hausstand. Allerdings würde diese Regelung mit der vom Land Anfang März beschlossenen Notbremse in Widerspruch treten, wenn die 7-Tage-Inzidenz über Ostern im Südwesten wie erwartet über 100 bleibt (siehe unten). „Da müssen wir noch klären, was Sinn macht“, sagt Kretschmann.

Ostergottesdienste in der Pandemie

Religionsgemeinschaften werden laut dem Beratungsbeschluss darum gebeten, über die Feiertage nur virtuelle Gottesdienste zu veranstalten. Das ist nur als Appell formuliert. Kretschmann favorisiert nach eigenen Worten in den Kirchen maximal eine „Präsenz im eingeschränkten Rahmen“.

Ich bin kein Pandemie-Diktator.
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg soll es nach seinen Vorstellungen aber keine Verbote von Gottesdiensten geben: „Ich gehe davon aus, dass wir uns einigen können. Ich bin kein Pandemie-Diktator.“

Die Landesregierung werde darüber in Kürze Gespräche mit Kirchen führen.

Notbremse für Kreise mit hoher Inzidenz

Eine Sonderregelung für 7-Tage-Inzidenz von mehr als 100 sieht grundsätzlich vor, dass sich nur ein Haushalt und eine weitere Person treffen dürfen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt. Diese weiterhin geltende Notbremse bedeutet, dass bei hohen Infektionszahlen die Lockerungen zurückgenommen werden.

Mitfahrer, die nicht zum Hausstand gehören, müssen im Auto besser schützende Masken tragen. Die Schnelltest-Pflicht soll auf Bereiche ausgeweitet werden, wo Abstandsregeln und Maskenpflicht erschwert sind. Die Landesregierung will in den kommenden Tagen bekanntgeben, ob die Notbremse regional oder landesweit gelten soll.

Die 7-Tage-Inzidenz in Baden-Württemberg liegt derzeit landesweit bei 103. Die Kreise Rastatt (205,3) und Schwäbisch Hall (333,9) bilden die Spitze mit dem stärksten Infektionsgeschehen. In der Region liegen noch der Landkreis Karlsruhe (116,4), Baden-Baden (125) und der Ortenaukreis (105,8) über der 100er-Marke. Die Stadt Karlsruhe bewegte sich am Montag mit 99,3 in deren Nähe.

Ausgangssperren

Sie sollen für Hotspot-Regionen gelten, die Landesregierung hat sich allerdings dazu am Dienstag nicht im Detail geäußert.

Kretschmann sagte lediglich, dass die Notbremse in den Kreisen mit besonders vielen Infizierten „hart umgesetzt“ werden soll.

Schulen und Kitas

„Wir hatten ein erheblich gesteigertes Infektionsgeschehen in Kindertagesstätten und Schulen“, betonte Kretschmann. Auch jüngere Altersgruppen seien erheblich vom Virus betroffen. Seit Montag gelte daher auch an den Grundschulen eine Maskenpflicht, für die Klassen fünf und sechs weiterhin Wechselunterricht.

Auch in diesem Bereich muss die Landesregierung noch ausarbeiten, wie sie Beschlüsse aus Berlin konkret umsetzt. „Wir haben noch genügend Zeit“, sagte Kretschmann mit Blick auf die Osterferien. Er kündigte aber an: „Wir streben auch da die Notbremse an.“

Einzelhandel und Gastronomie

An Ostern, also vom 1. bis zum 5. April, müssen Geschäfte geschlossen bleiben – so zumindest der neue Konsens von Bund und Ländern. Allein der „Lebensmittelhandel im engen Sinne“ darf am Karsamstag öffnen. Bereits wiedereröffnete Außengastronomie muss wieder schließen.

Gäste sitzen in der Außengastronomie eines Cafés. Gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg wird in Tübingen das Modellprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ durchgeführt. Es soll erprobt werden, ob durch den intensiven Einsatz von Schnelltests auch zusätzliche Öffnungsschritte umsetzbar sind, ohne dass dadurch ein negativer Effekt auf das Corona-Infektionsgeschehen entsteht. +++ dpa-Bildfunk +++
Gäste sitzen in der Außengastronomie eines Cafés. Gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg wird in Tübingen das Modellprojekt „Öffnen mit Sicherheit“ durchgeführt. Foto: Sebastian Gollnow picture alliance/dpa

In Baden-Württemberg gibt es auch hierzu noch keine genauen Regelungen. Kretschmann dazu: „Das sind schwierige rechtliche Fragen.“

Corona-Schnelltests und Impfungen

Die Impf- und Testzentren im Land sollen weiter geöffnet bleiben, auch über die Oster-Feiertage. In den nächtlichen Beratungen mit dem Kanzleramt wurde den Ländern die Möglichkeit eröffnet, in Regionen mit niedriger Inzidenz „im Rahmen von zeitlich befristeten Modellprojekten“ mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen.

Das geschieht zurzeit etwa in Tübingen. Kretschmann findet solche Modellversuche sinnvoll, um „belastbare Erfahrungen“ für die möglichen Öffnungen in den kommenden Wochen zu haben.

Besuche in Alten- und Pflegeeinrichtungen in Baden-Württemberg

Laut Beschluss der Beratungen sollen ungeimpfte Bewohner möglichst schnell ein Impfangebot erhalten.

Zwei Wochen nach der Zweitimpfung können die Besuchsmöglichkeiten in Einrichtungen ohne Ausbruchsgeschehen wieder erweitert werden und wohnbereichsübergreifende Gruppenangebote wieder angeboten werden.

Arbeit und Homeoffice

Unternehmen sollen ihren Mitarbeitern weiterhin die Arbeit im Homeoffice ermöglichen. Wo dies nicht möglich ist, sollen den Arbeitnehmern mindestens ein und „bei entsprechender Verfügbarkeit“ zwei Tests pro Woche angeboten werden.

Anfang April sollen die Wirtschaftsminister von Baden-Württemberg und anderen Ländern Bericht erstatten, wie viele Unternehmen sich beteiligen. Die Bundesregierung will dann mögliche schärfere Arbeitsschutzvorschriften prüfen.

Nächste Schritte

Der ursprünglich bis zum 28. März vereinbarte Lockdown gilt bis zum 18. April. Frühestens ab dem 6. April werden Öffnungsschritte in Betracht gezogen.

Am 12. April wollen die Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel erneut in einer Konferenz darüber beraten werden, wie es grundsätzlich weitergehen soll.

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