Die Zerrüttung auf Führungsebene beim Fußball-Zweitligisten KSC hat eine neue Qualität erreicht. Nachdem die Supporters Karlsruhe Vizepräsident Martin Müller vorgeworfen haben, vereinsinterne Informationen weitergeben zu haben, hat dieser auf den Vorwurf mit scharfen Anschuldigungen in Richtung der eigenen Reihen gekontert.
Müller sieht sich als Opfer einer mit Unterstützung des Fan-Dachverbandes gesponnenen Intrige dreier Kollegen im Beirat der KSC GmbH & Co KGaA.
Dem Trio um den Präsidenten Holger Siegmund-Schultze wirft er vor, selbst „immer wieder Informationen nach außen getragen“ und „falsch gespielt“ zu haben.
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Vorausgegangen war eine Pressemitteilung des Fan-Dachverbandes „Supporters“. Darin wird Müller dazu aufgefordert, Stellung zu den darin gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu beziehen.
Sollte er diese nicht entkräften können, „muss in der kommenden Mitgliederversammlung die Vertrauensfrage durch die Mitglieder des Vereins gestellt werden“, führt die Mitteilung der Anhänger-Vertretung aus.
Doch nun von Beginn an – unsere Redaktion stellt die Chronik der Krise vor.
- Sommer 2022: KSC-Aufsichtsrat ist in der Causa Oliver Kreuzer noch nicht zufrieden
- Dezember 2022: Mitglieder des KSC-Sportkomitees werfen hin
- April 2023: KSC beendet die Ära Kreuzer und entlässt Sportgeschäftsführer per Mail
- Ende September/Anfang Oktober 2023: Früherer KSC-Kaderplaner Necat Aygün packt aus
- Mitte Oktober 2023: „Offener Brief“ des KSC sorgt für große Aufregung
- Ende Oktober 2023: Vizepräsident Martin Müller holt nach Vorwürfen zum Rundumschlag aus
- Ende November 2023: Abwahlanträge gegen Präsident und vier der fünf Beiräte – Ohrfeige für Martin Müller
- 4. Dezember 2023: Mitgliederversammlung des KSC in Karlsruhe
- 5. Dezember 2023: Die Rechnung von Müller und Söhne
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Sommer 2022: KSC-Aufsichtsrat ist in der Causa Oliver Kreuzer noch nicht zufrieden
Der Aufsichtsrat prüft Fragen der Compliance und die im Beirat der KSC GmbH & Co. KGaA getroffene Entscheidung, den Vertrag von Oliver Kreuzer beim KSC zu verlängern, wartet deshalb weiter auf Umsetzung.
Geprüft wird, ob Kreuzer mit den Vizepräsidenten Günter Pilarsky und Müller geschäftliche Beziehungen beziehungsweise Abhängigkeiten pflegt, die der damals geplanten Vertragsverlängerung mit ihm als Sportgeschäftsführer aus Gründen der Compliance nicht sinnvoll erscheinen lassen.
Mitglied des Aufsichtsrats und darin der Compliance-Beauftragte ist damals Christian Fischer, der im Herbst 2022 in den Beirat gewählt wird. Dort nimmt er den Sitz von Kreuzers Freund Michael Steidl ein.
Durch diese Veränderung verschiebt sich im Beirat die Mehrheit zu Ungunsten Kreuzers, mit dem zu diesem Zeitpunkt der Vertrag aber schon bis 2025 verlängert wurde.
Dezember 2022: Mitglieder des KSC-Sportkomitees werfen hin
Nach gut zwei Jahren haben Rolf Dohmen, Rainer Schütterle, Maik Franz und Rainer Scharinger genug davon, darauf zu warten, eingebunden zu werden.

Für die aus ihrer Sicht leblos gebliebene Einrichtung, für die sie vom Fußball-Zweitligisten angefragt worden waren, wollen sie ihre Namen nicht länger „instrumentalisieren“ lassen.
April 2023: KSC beendet die Ära Kreuzer und entlässt Sportgeschäftsführer per Mail
Der KSC-Beirat beschließt mehrheitlich eine strategische Neuausrichtung im sportlichen Bereich und entlässt Sportgeschäftsführer Oliver Kreuzer.
Wenige Tage nach der Entlassung nimmt die Task Force ihre Arbeit beim KSC auf. Neben Cheftrainer Christian Eichner gehören ihr außerdem sein Assistenztrainer Zlatan Bajramovic, Sebastian Freis, der Leiter der Scouting-Abteilung, Kaderplaner Necat Aygün und der kaufmännische Geschäftsführer Michael Becker an.

Seither stehen die Geldgeber Pilarsky und Müller im Beirat in Opposition zu Kreuzers Gegnern, die mit KSC-Präsident Holger Siegmund-Schultze, Christian Fischer und Thomas H. Hock einen Block bilden.
Aber wie viel Geld von Pilarsky und Müller steckt eigentlich im KSC? Das wurde im Herbst 2022 bei der Mitgliederversammlung aufgefächert.
Ende September/Anfang Oktober 2023: Früherer KSC-Kaderplaner Necat Aygün packt aus
Necat Aygün ist bis September Technischer Leiter beim KSC und Mitglied der Task Force. Nach der Trennung spricht er mit unserer Redaktion über Transfer-Vetos und die Gründe, warum er den KSC seit der von einer Beiratsmehrheit um den Clubchef Holger Siegmund-Schultze ohne Anschlussplan vollzogenen Knall-auf-Fall-Trennung von Oliver Kreuzer ohne Not vom guten Weg weggezerrt sieht.
Mitte Oktober 2023: „Offener Brief“ des KSC sorgt für große Aufregung
Mit einem „Offenen Brief“ appellieren die Geschäftsführung, die Gremien des Vereins und die Organe der Kapitalgesellschaft an den Gemeinsinn aller Interessengruppen im und rund um den Club.
Das Schreiben offenbart die Bruchstelle in der Führungsetage. Die Vizepräsidenten Martin Müller und Günter Pilarsky weigern sich, den Aufruf mit ihren Namen zu unterstützen.
Clubchef Holger Siegmund-Schultze und seine Beiratskollegen Christian Fischer und Thomas H. Hock unterzeichnen den für die Fußballbranche ungewöhnlichen Aufruf.
Die Vizepräsidenten, Geldgeber und Aktionäre des Clubs sind bekanntermaßen in wesentlichen Punkten nicht damit einverstanden, wie ihre Kollegen im geschäftsführenden Organ die Sportstrategie mit ihrer Mehrheit gegen sie durchgesetzt haben.
Ende Oktober 2023: Vizepräsident Martin Müller holt nach Vorwürfen zum Rundumschlag aus
Die Supporters des KSC erheben in einer Mitteilung schwere Vorwürfe gegen Martin Müller. Der Vizepräsident soll vereinsinterne Informationen weitergeben und damit dem Verein Schaden zugefügt haben.
Für den Dachverband handelt es sich um eine Diskreditierung der Vereinsgremien. Die Supporters fordern Vizepräsidenten Müller auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Sollten diese nicht entkräftet werden, müsse in der kommenden Mitgliederversammlung Anfang Dezember die Vertrauensfrage durch die Mitglieder des Vereins gestellt werden.
Dieser Aufforderung ging Müller nach und setzte in einem Interview mit dieser Redaktion zum Rundumschlag in den eigenen Reihen des KSC an. Er entblößt die gewaltige Zerrüttung auf Führungsebene und wirft den Supporters vor, dass sie nicht unabhängig handeln.
Später gibt es eine Aussprache zwischen dem Fan-Dachverband und Müller, die als „kritisch, aber auch sehr konstruktiv“ beschrieben wird. Vor der Mitgliederversammlung des KSC am 4. Dezember möchten sich die beiden Lager nicht mehr erklären.
Ende November 2023: Abwahlanträge gegen Präsident und vier der fünf Beiräte – Ohrfeige für Martin Müller
Die Tagesordnung für die Mitgliederversammlung hat es in sich: Es gibt Abwahlanträge gegen den Präsidenten Holger Siegmund-Schultze sowie vier von fünf Beiräten.
Am 26. November kommt es im VIP-Raum des Wildparkstadions zu einer Handgreiflichkeit, als der Vorsitzende des KSC-Freundeskreises, Richard Einstmann, Vizepräsident Müller ohrfeigt. Einstmann tritt daraufhin zurück.
4. Dezember 2023: Mitgliederversammlung des KSC in Karlsruhe
Bei der Mitgliederversammlung am 4. Dezember haben die Mitglieder des KSC das Wort in der Führungskrise. Die BNN begleiten die Versammlung über sechs Stunden per Live-Ticker.





Die Abwahlanträge werden früh einkassiert, aber Vizepräsident Martin Müller bekommt einen Denkzettel: 435 der 963 mitstimmenden KSC-Mitglieder sind der Meinung, dass er sein Amt nicht ausschließlich im Sinne des Vereins wahrgenommen hat und versagen ihm die Entlastung.
5. Dezember 2023: Die Rechnung von Müller und Söhne
Die nicht erfolgte Entlastung wirkt nach: Einen Tag nach der Mitgliederversammlung versagt die Aktionärsversammlung mit dem Stimmenpotenzial von Martin Müllers GEM Ingenieursgesellschaft dem Aufsichtsrat, Kontrollorgan der KSC GmbH & Co KGaA, die Entlastung für das zurückliegende Geschäftsjahr.
„Die Nicht-Entlastung des Aufsichtsrats ist die Entscheidung einer einzelnen Person mit seinen Söhnen. Er hat das Recht dazu. Dem Verein hilft das aber natürlich nicht“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Grenke nach der Zusammenkunft.
Müller hatte es nach eigenem Bekunden seinen Söhnen Nicolai (34) und Felix (29) überlassen, die Gesellschafter und Prokuristen der GEM sind, das Stimmrecht für die Aktionärsgesellschaft wahrzunehmen. Er selbst habe sie nicht beeinflusst, behauptete Müller. „Unser Unternehmen hat fünf Millionen Euro beim KSC drin. Das ist kein Geschenk. Das sind Aktien. Wenn der KSC meint, im Vorbeigehen mal eine Million Euro zu verbrennen und ohne Anschlussplan einen Sportgeschäftsführer hinausschmeißt, da verstehe ich schon meine Söhne, dass sie sich fragen: Wo bleibt da der Aufsichtsrat?“
Viele Mitglieder des KSC wünschen sich indessen endlich Ruhe in ihrem Verein.
Sollte es in der Führungskrise des KSC neue Entwicklungen geben, wird dieser Artikel aktualisiert.